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02/26/1997 00:00

Krebs

Hanns-J. Neubert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Biologische Anstalt Helgoland

    B I O L O G I S C H E A N S T A L T H E L G O L A N D

    NR.: 01/1997

    Der andere Krebs im Meer

    Meeresbiologie und Karzinomforschung

    Auch wenn Fische äußerlich gesund sind - aus ihren Lebern liest Dr. Angela Köhler, wie sie gegen die menschengemachte Verschmutzung der Meere ankämpfen müssen. So kann die Wissenschaftlerin der Biologischen Anstalt Helgoland bereits Rückschlüsse auf gefährliche Veränderungen in der Meeresumwelt ziehen, bevor die Schäden sichtbar werden.

    Damit nicht genug: Auch für die menschliche Krebstherapie sind die Methoden, die Dr. Köhler entwickelt hat, von Bedeutung.

    Die Leber wehrt sich

    Die Leber ist das Entgiftungsorgan höherer Tiere und des Menschen. Im Laufe der Evolution hat sie ausgeklügelte Mechanismen entwickelt, die wirkungsvoll Schadstoffe auffangen, in ungefährliche umwandeln oder sie ganz und gar ausscheiden.

    Barrieren in der Zellmembran der Leber verhindern, daß Schadstoffe überhaupt eindringen können. Bestimmte Eiweißstoffe, die P-Glycoproteine, pumpen das Gift zurück.

    Gelingt es jedoch dem einen oder anderen Giftstoff, dennoch in die Zelle einzudringen, machen sich Enzyme darüber her und wandeln sie so um, daß sie keinen Schaden mehr anrichten. Der wichtigste Baustein des Enzymsystems heißt Cytochrom P450.

    Das Teuflische: zunächst entstehen Zwischenprodukte, die noch giftiger und krebserregender sein können, als die ursprünglichen Schadstoffe: die sogenannten "radikalen Metabolite". Nur weil ein zweites Enzymsystem diese Gifte neutralisiert, ist der Zelltod zu verhindern.

    Haben diese Schutzmechanismen versagt, ist noch nicht alles verloren: Leberzellen können ihre eigene Erbsubstanz reparieren - die letzte Chance, sich selbst zu retten.

    Früherkennung von Umweltschäden

    In Dr. Köhlers Labor wurden zellchemische und mikroskopische Methoden entwickelt, mit deren Hilfe sehr früh die physiologischen Änderungen beim Abwehrkampf der Leberzellen gemessen werden können.

    So setzt sie bestimmte Antikörper ein, mit denen sie die Moleküle der Abwehrsysteme in der Leberzelle erkennen kann. Sie sind mit einem Goldkorn markiert und lagern sich an die großen Moleküle der Abwehrstoffe an. Anschließend wird der Durchmesser des Goldkorns durch eine Silberauflage vergrößert und ist damit bereits im Lichtmikroskop sichtbar. Mit einer computergestützten Bildanalyse kann die Wissenschaftlerin dann sehr schnell erkennen, ob das Abwehrsystem auf Hochtouren läuft oder bereits zusammengebrochen ist, sich der Fisch also in schadstoffbelastetem Gewässer befand.

    Solche Testmethoden werden inzwischen vom Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES) für die Überwachung - Monitoring - biologischer Wirkungen im Meer empfohlen.

    Tumorzellen: Überlebensstrategen im vergifteten Meer

    Meerestiere sind in ihrer Umwelt mehr als 100.000 verschiedenen Giften und krebserregenden ausgesetzt, die jährlich tonnenweise aus Industrie, Landwirtschaft und Kläranlagen über Flüsse und Luft freigesetzt werden.

    Fische, die Hauptnahrungsmittel, die die See dem Menschen zur Verfügung stellt, sind dauernd einer verdünnten Giftsuppe ausgesetzt.

    Wie Dr. Köhlers Kollegen in der menschlichen Krebsforschung, fragt auch sie sich, woher es kommt, daß Leberkrebszellen allen Schadstoffen widerstehen.

    Neuer Zelltyp

    Wenn die Abwehrmechanismen der Leberzellen den Giften nicht mehr gewachsen sind, entsteht ein neuer Zelltyp im Lebergewebe, der Umweltgiften widersteht und sich unaufhaltsam zu einem Krebsgeschwür auswächst. Ihm ist durch die Mutation eines Gens die Fähigkeit zur natürlichen Wachstumshemmung verloren gegangen. Diese Zellen überleben nicht nur die Behandlung mit Medikamenten in der menschlichen Krebstherapie, sondern auch in der Natur die Schadstoffeinflüsse. "Multidrug-resistente" Zellen verfügen also über außerordentlich effiziente Abwehrmechanismen.

    Mit der Methode, die Dr. Köhler ursprünglich für die Früherkennung von Vergiftungsschäden an Meeresorganismen entwickelt hat, fand sie heraus, daß diese Tumorzellen außerordentlich zahlreiche und effektive Giftpumpen - P-Glycoproteine - in ihrer Zellhülle entwickelt haben. Dagegen sind Enzyme wie das Cytochrom P450, die zur Umwandlung von Giften fähig sind und dabei wieder schädliche Zwichenprodukte herstellen, kaum aktiv.

    Vorteil der neuen Technik: Man kann sie bei lebenden Zellen anwenden und hat damit ein Instrument zur Verfügung, das für die Diagnose und Prognose bei der Krebsentstehung wertvolle Dienste leisten kann. Pharma-Hersteller zeigten bereits Interesse an den Arbeitsergebnissen der Meeresbiologin.

    Von der Meeresbiologie zur Humanmedizin

    Die Entstehung von Leberkrebs in Fischen hat dramatische Ähnlichkeit mit dem Verlauf menschlicher Leberkrebserkrankungen.

    Im "Großexperiment Nordsee" konnte die Wissenschaftlerin inzwischen nachweisen, was immer vermutet wurde: Niedrige Schadstoffkonzentrationen, wie sie im Meer vorkommen, führen zu Krebs, wenn die Tiere ihnen lange ausgesetzt sind - bei ortstreuen Fischen ein Leben lang.

    Ansprechpartnerin: Dr. Angela Köhler, Tel.: 040-89693-185/-181, Verwertung honorarfrei.

    Belegexemplar erbeten.


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    Criteria of this press release:
    Biology, Environment / ecology, Geosciences, Information technology, Oceanology / climate
    transregional, national
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    German


     

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