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Wissenschaft
Wie schnell die Kalzium-Konzentration in der Zelle sich ändert, bestimmt das Schwimmverhalten von Spermien. Sie können die Kalzium-Dynamik berechnen und darauf reagieren.
Spermien haben nur ein Ziel: die Eizelle zu finden. Die Eizelle unterstützt die Spermien bei der Suche, indem sie Lockstoffe aussendet. Auf welchen Schwimmbahnen Spermien dem Lockruf der Eizelle folgen, hängt von der Tierart ab. Spermien – vor allem von Meeresbewohnern – schwimmen im chemischen Konzentrationsgefälle des Lockstoffes auf gewundenen Bahnen. Der Schwimmstil wird durch Kalzium-Ionen im Spermienschwanz gesteuert. Sie bestimmen das Schlagmuster des Schwanzes, mit dem sich das Spermium fortbewegt.
Man glaubte bisher, dass bei hohen Kalzium-Konzentrationen die Spermien peitschenförmig, asymmetrisch schlagen und die Schwimmbahn stark gekrümmt ist. Bei geringen Kalzium-Konzentrationen dagegen schlägt der Schwanz symmetrisch und die Spermien schwimmen geradeaus. Das Wechselspiel von hoher und niedriger Kalzium-Konzentration treibt die Spermien auf spiralförmigen Schwimmbahnen voran. Experimente an frei schwimmenden Spermien widersprachen jedoch diesem einfachen Modell und gaben den Forschern Rätsel auf.
Wissenschaftlern des Bonner Forschungszentrums caesar, einem Institut der Max-Planck-Gesellschaft, ist es nun in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Physik Komplexer Systeme in Dresden und Physikern an der Universität Göttingen gelungen, dieses Rätsel zu lösen. Mit einer raffinierten stroboskopischen Laser-Beleuchtung – wie in Diskotheken – konnte Dr. Luis Alvarez, Leiter des Projekts, die Bewegung eines Spermiums genau verfolgen und gleichzeitig die Änderungen der Kalzium-Konzentration messen. Das Ergebnis war verblüffend: Der Spermienschwanz reagierte nur auf die zeitliche Ableitung der Kalzium-Konzentration. Die absolute Konzentration spielte keine Rolle. Salopp gesagt: Spermien können rechnen! Wie sie das genau machen, ist unklar. Die caesar-Wissenschaftler schlagen vor, dass Spermien mit Hilfe von zwei Proteinen, die Kalzium binden, sozusagen eine „chemische Ableitung“ bilden. Wieso führen Spermien eine solch komplizierte Rechenoperation aus, die man erst in der gymnasialen Oberstufe lernt? In der Nähe der Eizelle ist die Konzentration der Lockstoffe und damit auch die Kalzium-Konzentration in den Spermien sehr hoch. Wahrscheinlich ermöglicht der mathematische Trick den Spermien, selbst bei solch hohen Kalzium-Konzentrationen immer noch reagieren zu können.
Neben Kalzium gibt es viele andere Botenstoffe, die Zellfunktionen steuern. Könnte es sein, dass Zellen auch mit anderen Botenstoffen chemische Rechenkünste durchführen? Dieser wichtigen Frage wollen die Bonner Forscher nun nachgehen.
Originalpublikation
Alvarez, L., Dai, L., Friedrich, B. M., Kashikar, N., Gregor, I., Pascal, R. & Kaupp, U. B. (2012) "The rate of change in Ca2+ concentration controls sperm chemotaxis" J. Cell. Biol.
Online publiziert: 27. Februar 2012.
doi: 10.1083/jcb.201106096
Stiftung caesar
Die Stiftung caesar ist assoziiert mit der Max-Planck-Gesellschaft und betreibt in Bonn ein Zentrum für neurowissenschaftliche Forschung. Die wissenschaftliche Arbeit erfolgt nach den Exzellenzkriterien der Max-Planck-Gesellschaft.
Ansprechpartner
Ph.D. Luis Alvarez
Molekulare Neurosensorik
Telefon: +49(0)228/9656-354
E-mail: luis.alvarez(at)caesar.de
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, Students, Teachers and pupils, all interested persons
Biology, Chemistry, Medicine, Physics / astronomy
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results
German
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