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Institut Arbeit und Technik untersuchte Wandel der Beschäftigungs- und Arbeitszeitformen im Dienstleistungssektor - europäischer Vergleich
Zu geringe Infrastrukturinvestitionen und Mängel der Arbeitsbedingungen in sozialen Dienstleistungen sind die Hauptgründe dafür, dass die erhoffte "Jobmaschine Dienstleistungswirtschaft" in Deutschland so schwer in Fahrt kommt. "Die Gefahr ist groß, in eine Abwärtsspirale unbefriedigender Arbeitsbedingungen, anhaltender Arbeitskräfteknappheit und schlechter Dienstleistungsqualität hineinzurutschen", stellt der Arbeitsmarktexperte Dr. Steffen Lehndorff vom Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) fest. Wer hochwertige Dienstleistungen wünscht, bekommt sie nicht zum Nulltarif.
Das zeigen die Ergebnisse eines zweieinhalbjährigen EU-Forschungsprojektes, in dem die IAT-Arbeitsmarktforscher in einem Vergleich von zehn EU-Staaten den Wandel der Beschäftigungs- und Arbeitszeitformen in fünf Dienstleistungsbranchen untersuchten (IT-Dienstleistungen, Einzelhandel, Banken, Krankenhäuser, häusliche Pflegedienste). Die unterschiedlichen Wege europäischer Länder in die Dienstleistungsgesellschaft machen deutlich, wie wichtig die Rolle der Politik ist für die Entwicklung einer positiven Dienstleistungsdynamik mit Beschäftigungszuwächsen, Qualifikationsanstieg und mehr Lebensqualität.
Der europäische Vergleich zeigt, dass pro Kopf der Erwerbsbevölkerung in Dänemark - ähnlich wie in Schweden und Großbritannien - in einer Woche rund 25 Prozent mehr bezahlte Arbeitsstunden im Dienstleistungssektor geleistet werden als in Deutschland. Den größten Nachholbedarf hat Deutschland allerdings nicht bei sogenannten "einfachen", sondern bei hochwertigen Dienstleistungen vor allem im Sozial-, Gesundheits- und Erziehungswesen.
Dort häufen sich jedoch auch die Probleme: Nicht nur in Deutschland wird z.B. in den Krankenhäusern unter hohem Kostendruck der Personaleinsatz äußerst knapp kalkuliert, Arbeitsbelastung und Zeitdruck der Beschäftigten steigen, was wiederum zu Arbeitsausfall und Instabilität führt. Den hohen Anforderungen des Berufs stehen nur mangelhafte soziale und finanzielle Anerkennung gegenüber. Die Fallstudien in europäischen Krankenhäusern ergaben, dass viele Pflegekräfte die Spannungen zwischen Beruf und häuslichen Verpflichtungen durch den Rückzug aus dem Arbeitsleben, z.T. ganz oder mit Teilzeitarbeit, lösen. Personalmangel ist auch ein Merkmal der Boombranche "häusliche Altenpflege", offenbar verursacht durch die relativ schlechte Bezahlung und geringe Aufstiegsmöglichkeiten.
Dass ein Teil der Arbeitskräfteknappheit "selbstgemacht" ist, zeigt auch die Beschäftigung im Dienstleistungsbereich der Informationstechnik (IT): Schwankende und überdurchschnittliche lange Arbeitszeiten sind Teil des beruflichen Alltags, Bedingungen, die vor allem für Frauen oft nicht praktikabel oder wünschenswert sind. Problematisch für die langfristige Entwicklung der Branche ist dabei auch, dass notwendige Qualifikationszeiten fehlen und Phasen mit reduzierter Arbeitszeit, mit denen die ständige Überlastung gemildert werden könnte, kaum realistisch erscheinen.
Nicht nur Überlastung sondern auch Unterauslastung von Erwerbsarbeitspotential behindert in Deutschland das Wachstum von Dienstleistungen. Viele Arbeiten, die vor allem von Frauen geleistet werden, werden in Teilzeit- und Miniarbeitsverhältnisse aufgesplittert. Sehr kurze Arbeitszeiten - in den anderen europäischen Ländern, z.B. Frankreich, eher eine Randerscheinung - werden in Deutschland von vielen Frauen bevorzugt, da das System der Kinderbetreuung ihnen wenig Alternativen lässt.
Die gesellschaftliche Wertschätzung sozialer Dienstleistungen und die gesellschaftliche Wertschätzung der Erwerbsarbeit von Frauen erweisen sich als zwei Seiten einer Medaille. Je selbstverständlicher es für qualifizierte Frauen wird, auf gleichem beruflichen Niveau wie Männer zu arbeiten, desto weniger können sich Gesellschaften darauf verlassen, ein ausreichendes Arbeitskräfteangebot für ihren wachsenden Bedarf an sozialen und anderen hochwertigen Dienstleistungen zu bekommen. Hier entwickelt sich allmählich ein fundamentaler Konflikt, der Konsequenzen für die Staatshaushalte, für die Steuer- und Sozialversicherungssysteme und damit unvermeidlich auch für die Steuerbelastung von Unternehmen und Privathaushalten haben wird. Auch eine verstärkte Privatisierung im Bereich sozialer Dienstleistungen wird dieses Problem nicht lösen können, wenn an hohen Qualitäts- und Qualifikationsstandards festgehalten werden soll. Die Zeiten, in denen soziale Dienstleistungen als "einfache" Dienstleistungen betrachtet werden konnten, sind unwiderruflich vorbei.
Die Studie "Beschäftigungswandel in Dienstleistungen: Befunde aus fünf Branchen und zehn Ländern. Brüssel, EGI Bericht, Bd. 71 gibt es als download (36 Seiten) unter http://iat-info.iatge.de/Arbeitsmarkt/Arbeitszeit/NESY)
Der aktuelle IAT-Report 2002-05 von Steffen Lehndorff: "Hochwertige Dienstleistungen gibtŽs nicht zum Nulltarif" fasst die Ergebnisse zusammen. http://iat-info.iatge.de/iat-report/2002/report2002-05.pdf
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Dr. Steffen Lehndorff
Durchwahl: 0209/1707-178
lehndorff@iatge.de
Pressereferentin
Claudia Braczko
Munscheidstraße 14
45886 Gelsenkirchen
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WWW: http://iat-info.iatge.de
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Criteria of this press release:
Economics / business administration
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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