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Wissenschaft
Sonderausstellung "HÄNDE begreifen" im Phyletischen Museum der Universität Jena startet am 21. Juni
Jena (11.06.02) Allmorgendlich strecken wir unsere Hände als Begrüßungsgeste aus, nehmen über den erfühlten Gegendruck unser Gegenüber wahr. Bis zur Nacht ruhen die Hände kaum einmal, sind Werkzeug, Ausdrucksmittel und individuelles Kennzeichen. Diesem wichtigen Organ widmet das Phyletische Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Vor dem Neutor 1) eine eigene Sonderausstellung. Das ganz der Darstellung der Evolution verpflichtete Museum zeigt vom 21. Juni 2002 bis zum 31. Januar 2003 die Exposition "HÄNDE begreifen".
"Der Titel der neuen Sonderausstellung gibt Auskunft darüber, welche wesentliche Rolle die Hände in der Evolution des Menschen spielen", sagt der Direktor und Evolutionsbiologe Prof. Dr. Martin S. Fischer. Die Hände sind Werkzeug - nicht erst bei den Menschen oder Primaten, sondern bereits bei einer Vielzahl anderer Säugetiere. Eingangs informiert daher die Ausstellung über die Entstehung der Hand in der Geschichte der Wirbeltiere vor über 350 Millionen Jahren ebenso wie über deren embryonale Entwicklung. Ein Vergleich mit den anderen Primaten belegt, dass es eigentlich die Nicht-Spezialisierung der Hand in unserer eigenen Stammesgeschichte war, die schließlich die entscheidende Vorbedingung für die Handlungsfähigkeit des Menschen wurde.
Modelle typischer Handhaltungen von Mensch bis Affe zeigen die Spanne der Variabilität in Bau und Funktion der Primatenhand. Eine ausdrucksstarke Dermoplastik eines weiblichen Anubispavians, an der die typische Fingerstellung beim "Präzisionsgriff" erkennbar wird, erläutert die verschiedenen anatomisch bedingten Grifftechniken bei Menschen und Affen. Beim Menschen wurde die Hand im Verlauf der Evolution frei von der Fortbewegung und dient sehr verschiedenen Funktionen. Dabei werden die Besonderheiten der Menschenhand bewusst: Nur wir können den Daumen gegen jeden anderen Finger in Opposition bringen und mit der hohlen Hand, der so genannten Tasse des Diogenes, Wasser schöpfen.
Dadurch oder mit dem Ergreifen eines Gegenstandes gelangt eine Flut von Informationen in das Gehirn. Außer Farbe und Duft des Gegenstandes erfassen wir alleine durch die Berührung wesentliche Eigenschaften wie Gewicht, Temperatur, Form und Oberflächenstruktur. Diese vielfältigen Wahrnehmungen spiegeln sich in der enormen Größe der entsprechenden Gehirnareale wider. Die den motorischen und sensorischen Funktionen bereits zugeordneten erstaunlich umfangreichen Hirnrindenbereiche lassen erkennen, dass die Sensoren in unseren Fingerspitzen ebenso wichtige Informationen in das Gehirn liefern wie die Netzhaut des Auges. Wie bedeutungsschwer die Feinmotorik und Sinneswahrnehmung der Hände für den Menschen sind, zeigt die Ausstellung an Hirnstrombildern verletzter Personen.
Sowohl die Beweglichkeit und kraftvolle Präzision als auch die Feinfühligkeit der Hand beruhen auf faszinierenden anatomischen Details, die in Präparaten und Modellen vorgestellt werden, welche eigens für diese Ausstellung in der Präparatorenwerkstatt des Phyletischen Museums erarbeitet wurden. Die Innenhand hat charakteristische Tastballen, deren Haut ein individuelles Leistenmuster trägt. Auf den Leistenkämmen münden die Schweißdrüsen in kleinen Poren. Der Schweiß bewirkt eine Sicherung des Griffs und hinterlässt den Fingerabdruck. In dieser Haut sitzen, so dicht wie sonst nur auf der Zunge, hochsensible Sinneskörperchen, die auf Druck- und Temperaturänderungen und Vibrationen reagieren.
Auch für die gesprochene Sprache haben die Hände eine leicht überprüfbare Bedeutung: Man versuche einmal, einen komplizierteren Sachverhalt zu erklären, ohne dabei die Hände zu bewegen. Im Test wurde nachgewiesen, dass Personen Formulierungsprobleme haben, wenn ihre Hände fest gebunden werden. Andererseits erzeugt die Gebärdensprache gehörloser Menschen in den Sprachzentren ihres Gehirns eine erhöhte Aktivität - das beweist, die Gebärdensprache ist eine richtige Sprache, kein Zeichenersatz. In der Gebärdensprache werden hauptsächlich die Hände, aber auch das Gesicht und der Oberkörper, eingesetzt. Ein manuelles Alphabet (Dactylogie) ermöglicht jedem gehörlosen Menschen, einen Eigennamen oder ein neues Wort zu buchstabieren, oder es präzisiert die Rechtschreibung. Blinde Menschen können Texte in der so genannten Braille-Schrift lesen. Die nach Louis Braille benannte Blindenschrift beruht auf maximal sechs erhöhten, tastbaren Punkten, mit denen 63 verschiedene Zeichen verschlüsselt werden. Der Museums-Besucher erhält Gelegenheit, mit eigenen Händen einfache, kurze Worte zu erfühlen.
Ein weiterer Teil der Ausstellung zeigt modernste Handprothesen und Roboterhände, deren bereits erreichte Fähigkeiten in Videos präsentiert werden. Dabei wird klar, dass jede scheinbar simple Handlung, die wir mehr oder weniger bewusst ausführen, auf komplexen Steuerungsvorgängen unseres Gehirns beruht. Denn ihre Übertragung auf die Technik verlangt von dieser äußerste Spitzenleistungen und ist trotz extremer wissenschaftlicher Anstrengungen noch längst nicht der Natur ebenbürtig.
Eine Vitrine ist dem Handschuh gewidmet, seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung und seinem praktischen Nutzen. Ein Handschuh kann Symbol der Würde oder der Abgrenzung sein, wie reich verzierte Handschuhe von Würdenträgern belegen. Stellvertretend für das Handwerk sind z. B. Fleischerhandschuhe ausgestellt. Exponate des Hygienemuseums Dresden zeigen, welche berufstypischen Hand-Hauterkrankungen es früher ohne den schützenden Handschuh gab.
Wie der Handschuh ist auch die unverhüllte, ungeschmückte oder geschmückte Hand eine wesentliche Komponente der Kommunikation. In jeder Kultur werden wichtige Informationen durch diese Zierden sowie nonverbal durch Gesten vermittelt. Hände, geschmückt oder naturbelassen, sind in der Kunstgeschichte ein bedeutungsvolles Sujet. Eine Vitrine in der Ausstellung weist auf die vielfältigen Ausgestaltungsformen hin. Exponate gegenwärtiger Nagelkunst außerdem sind zu bewundern.
Mit den Händen können wir auch emotionale Botschaften vermitteln. Die bekannteste ist vielleicht der Gruß. Gestik als wesentlicher Bestandteil der Kommunikation wird an Bildern aus Kunst- und Zeitgeschichte erläutert. In einer aufwendig gestalteten Vitrine werden berühmte Handhaltungen aus der Kunst gezeigt und erklärt.
"Das Phyletische Museum ist besonders stolz, in einem eigenen Ausstellungsteil Original-Kohlezeichnungen von Heinrich Brocksieper (1898-1968), einem Bauhausschüler von Johannes Itten und Lyonel Feininger, zu zeigen", unterstreicht Prof. Fischer. Teilweise zum ersten Mal werden diese in den 1950er Jahren entstandenen Zeichnungen aus dem Nachlass von Heinrich Brocksieper dank der Großzügigkeit seines Sohnes gezeigt. In charakteristischen einfachen und klaren Linien stellen die Zeichnungen Hände bei alltäglichen Verrichtungen dar.
Hinweis für die Medien:
Zur Eröffnung der Sonderausstellung "HÄNDE begreifen" am 21. Juni, 19.00 Uhr im Phyletischen Museum der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind die Medien herzlich eingeladen. Vorbesichtigung nach Absprache möglich.
Das Phyletische Museum (Vor dem Neutor 1) in Jena ist täglich von 9-16 Uhr geöffnet, Tel.: 03641 / 949180. Eintritt 0,50 Euro, ermäßigt 0,25 Euro.
Zu mancher Handhaltung sind selbst unsere engsten Verwandten nicht fähig. (Foto: Fotozentrum FSU/Gün ...
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Die Vielfalt von Händen bei verschiedenen Lebewesen. (Foto: Fotozentrum FSU/Günther)
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Criteria of this press release:
Art / design, Biology, Information technology, Language / literature, Medicine, Music / theatre, Nutrition / healthcare / nursing, Social studies
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Organisational matters
German
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