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09/20/2012 10:10

Zwei Studien bestätigen Wirksamkeit der Fumarsäure gegen MS – sichere Tablette in Aussicht

Frank A. Miltner Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie

    Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einer Multiple-Sklerose-Tablette ohne gefährliche Nebenwirkungen für die Patienten ist erreicht. Gleich zwei große Studien mit dem Wirkstoff Fumarat (Fumarsäure) bei schubförmiger Multiple Sklerose (MS) erschienen heute im renommierten New England Journal of Medicine. Professor Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Klinik, St. Josef Hospital Klinikum der Ruhr Universität Bochum, leitete eine der beiden Studien.

    Besonders freut sich das Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, dass die neue Therapie ihren Ursprung in Deutschland nahm, wo der positive Effekt des Fumarats bei MS-Patienten in den 1990er Jahren erstmals festgestellt worden war. Weltweit sind 2,5 Millionen Menschen von MS betroffen und jedes Jahr kommen pro 100.000 Personen 5 bis 10 neue Fälle hinzu.

    An der Studie DEFINE (Determination of the Efficacy and Safety of Oral Fumarate) hatten 1234 MS-Patienten zwischen 18 und 55 Jahren teilgenommen. Sie erhielten nach dem Losprinzip entweder täglich zwei bzw. drei Dosierungen mit 240 Milligramm des Fumarsäure-Präparats „BG-12“ oder ein Scheinmedikament. Wichtigstes Kriterium für den Erfolg der Arznei war dabei der Anteil der Patienten, die während des zweijährigen Studienzeitraumes einen Krankheitsschub erlitten. Mit dem Scheinmedikament war dies bei 46 Prozent der Patienten der Fall, wesentlich seltener (27 und 26 Prozent) jedoch bei denjenigen, die täglich zwei- oder dreimal Kapseln mit Fumarat B-12 erhalten hatten. Die jährliche Schubrate berechneten die Wissenschaftler um Professor Gold mit 0,17 und 0,19 in den beiden BG-12-Gruppen gegenüber 0,36 unter den Placebo-Empfängern, was einer relativen Reduktion von 53 bzw. 48 Prozent entspricht. „Wir haben also die Schubrate halbiert – und das bei guter Verträglichkeit und einem exzellenten Sicherheitsprofil“, so Gold. Dies betont auch Allan H. Ropper, Neurologe vom Brigham and Women's Hospital in Boston, in seinem Kommentar zu den beiden Studien: „Von Fumarat liegen Sicherheitsdaten über zwei Jahrzehnte vor, sodass es nur geringe Bedenken über Langzeitrisiken gibt.“

    Dass diese Therapie nicht nur die Überreaktion des Immunsystems bei der MS zu dämpfen vermag, sondern offenbar auch Nervenzellen schützen kann, zeigen Aufnahmen des Gehirns, die bei 540 Patienten mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) angefertigt wurden. Die Zahl neuer Läsionen verringerte sich mit Fumarat B-12 gegenüber dem Scheinmedikament um 73 bis 90 Prozent. Zum Ende des zweijährigen Studienzeitraumes waren 93 Prozent der Patienten mit zweimal täglich Fumarat BG-12 frei von solchen Nervenschäden und 86 Prozent derjeniger, die das Präparat dreimal täglich erhalten hatten. Lediglich 62 Prozent der Placeboempfänger konnten diesen Erfolg aufweisen.

    „Seit etwa 15 Jahren wird die Multiple Sklerose in den meisten Fällen mit Interferon oder mit Glatirameracetat behandelt. Beides sind Substanzen, die zwar die Schubrate bei der relapsierend-remittierenden Form des Leidens eindeutig reduzieren können, die aber gespritzt werden müssen“, berichtet Gold. Für den Patienten angenehmer wären Tabletten, doch diese Form der Verabreichung ist bisher nur für den im April 2011 zugelassenen Wirkstoff Fingolimod möglich, der Patienten mit schweren Verlaufsformen vorbehalten bleibt. „Wegen der sehr guten Wirkung und Sicherheit von Fumarat BG-12 hoffen wir auf eine Zulassung durch die europäischen und amerikanischen Behörden im Frühjahr des kommenden Jahres“, so Professor Gold.
    Genährt wird diese Hoffnung durch eine weitere Studie, die zeitgleich mit DEFINE im New England Journal veröffentlicht wurde. Unter dem Akronym CONFIRM (Comparator and an Oral Fumarate in RRMS) wurde Fumarat BG-12 bei 1430 Patienten mit dem Immunmodulator Glatirameracetat verglichen und erzielte dabei eine ähnlich robuste Verringerung der Schubrate, wiederum ohne Einbußen bei der Sicherheit.

    Erfolgreicher Selbstversuch gegen Schuppenflechte

    „Mehr als 50 Jahre hat es gedauert, bis wir so weit gekommen sind“, bemerkt Professor Gold und erinnert daran, wie die Erfolgsgeschichte von Fumarat in Deutschland ihren Ausgang nahm: Hier hatten der Biochemiker Walter Schweckendieck und der Allgemeinmediziner Günther Schäfer sich zunächst mit dem in vielen Pflanzen enthaltenen Fumarat eingerieben und danach im Selbstversuch verschiedene Mischungen geschluckt, mit denen sie erfolgreich ihre Schuppenflechte (Psoriasis) bekämpften. An der Dermatologischen Klinik der Uni Bochum war dann in den späten 1990er Jahren Professor Peter Altmeyer zusammen mit seinem Neurologie-Kollegen Professor Horst Przuntek aufgefallen, dass sich unter Fumaraten bei einigen ihrer Patienten nicht nur die Psoriasis, sondern auch deren MS gebessert hatte. Dies führte zur ersten kleinen Studie mit zehn Patienten. Bald darauf wurde der Schweizer Hersteller des Fumarsäuresalzes durch die US-Firma Biogen Idec aufgekauft, deren Zulassungsstudien der Phase III mit etwa 2800 Patienten nach Vorberichten auf internationalen Kongressen nun endgültig veröffentlicht werden. „Im Rückblick besteht die Entwicklungsgeschichte der Fumarate aus einer Vielzahl glücklicher Verknüpfungen“, sagt Gold und blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Für die betroffenen MS-Patienten sind weitere Fortschritte in Sicht.“

    Quellen:

    Gold, R. et al. Placebo-Controlled Phase 3 Study of Oral BG-12 for Relapsing Multiple Sclerosis. N Engl J Med 2012;367:12

    Ropper, Allan H. The „Poison Chair” Treatment for Multiple Sclerosis. N Engl J Med 367, 12

    Fachlicher Kontakt bei Rückfragen:

    Prof. Dr. med. Ralf Gold
    Direktor der Neurologischen Klinik
    St. Josef Hospital Klinikum der Ruhr Universität Bochum
    Gudrunstr. 56
    44791 Bochum
    Tel.: +49 (0) 234 509-2410
    Fax.: +49 (0) 234 509-2414
    E-Mail: ralf.gold@rub.de

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie e.V.
    Tel.: +49 (0) 89 461486 22
    Fax: +49 (0) 89 461486 25
    E-Mail: presse@dgn.org

    Hinweis für die Medien: Am Freitag, den 28. September 2012, findet im Rahmen des 85. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Neurologie von 10 bis 11 Uhr eine Pressekonferenz für Fachmedien „Neurologie Update – Themen und Trends“ statt, in der unter anderem auch ein Update Multiple Sklerose vorgestellt wird.

    Der Neurologenkongress
    Grenzen erkunden – neue Wege gehen: Unter diesem Motto treffen sich vom 26. bis 29. September 2012 rund 5000 Spezialisten für Erkrankungen des Gehirns und der Nerven im CCH – Congress Center Hamburg zum 85. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie – die größte Neurologenkonferenz in Europa. Weitere Informationen zum Kongress und zum aktuellen Programm: http://www.dgnkongress.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren rund 7000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist die Bundeshauptstadt Berlin.
    http://www.dgn.org

    1. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Wolfgang Oertel
    2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Heinz Reichmann
    3. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Martin Grond
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter

    Geschäftsstelle
    Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel: +49 (0)30-531437930, E-Mail: info@dgn.org

    Ansprechpartner für die Medien
    Frank A. Miltner, Tel: +49 (0)89-461486-22, E-Mail: presse@dgn.org

    Pressesprecher der DGN: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen


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    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Chemistry, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Psychology
    transregional, national
    Research results, Transfer of Science or Research
    German


     

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