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08/01/2002 09:23

Kleinstbetriebe werden bei der Gründungsförderung bislang vernachlässigt

Frank Luerweg Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Der typische Existenzgründer ist männlich, ernährt mit seiner Firma sich und seine Familie und schafft dabei noch zwei bis drei neue Stellen: Dass dieses traditionelle Bild allzuoft falsch ist, zeigt eine Studie des Bonner Ökonomen Professor Dr. Michael-Burkhard Piorkowsky. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer verdienen sich mit dem eigenen Betrieb zunächst lediglich ein Zubrot - neueren Analysen zufolge machen derartige Kleinstbetriebe die Hälfte aller Neugründungen aus. Es könnten noch mehr sein: "Die Politik fördert Zu- und Nebenerwerbsgründungen bislang viel zu wenig", beklagt der Wirtschaftswissen-schaftler und fordert eine Abkehr vom alten industriewirtschaftlichen Gründerbild.

    Simone P. verkauft vormittags in einem Bioladen Gepa-Kaffee und Wein aus Öko-Produktion. Nachmittags arbeitet sie freiberuflich als Fotografin für verschiedene Tageszeitungen und ein Online-Magazin. Diese Kombination findet sie ideal: Vom Bioladen das feste monatliche Gehalt, dazu als zusätzliches Standbein die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit. Ausschließlich als Fotografin arbeiten möchte sie nicht - das ist ihr bei allem Spaß an ihrem "Ein-Frau-Betrieb" zu riskant. Im Gegensatz zu einer "Selbstständigen im Hauptberuf" konnte sie daher bei der Gründung ihres Fotografie-Betriebs keine Fördergelder in Anspruch nehmen; auch ihr Arbeitszimmer kann sie beim Finanzamt nicht absetzen.

    "Die Politik fördert heute einseitig Existenzgründungen im Haupterwerb", kritisiert der Bonner Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Michael-Burkhard Piorkowsky. Verhaftet in einem "antiquierten industriewissenschaftlichen Gründerbild" seien auch viele Experten noch immer der Meinung, Existenzgründer seien männlich, in der Hightech-Branche tätig und strebten einen Betrieb mit mehreren Mitarbeitern an. "Dabei sieht die Realität ganz anders aus: Viele Unternehmen werden im privaten Haushalt gegründet, häufig neben einer Tätigkeit als Hausmann oder Hausfrau oder neben einer abhängigen Beschäftigung." Derartige Nebenerwerbs- (neben einer abhängigen Beschäftigung) oder Zuerwerbsgründungen (neben einer Tätigkeit als Hausfrau oder -mann) machen laut Erkenntnissen der Deutschen Ausgleichsbank und des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn derzeit etwa 50 Prozent aller Unternehmensgründungen aus. Gerade Frauen nutzen diesen Weg zunehmend als Chance, sich ein zweites berufliches Standbein zu verschaffen: Der Anteil der Gründerinnen nahm in den letzten Jahren deutlich zu.

    An dieser Tatsache solle man auch die Förderprogramme ausrichten, fordert Professor Piorkowsky: "Niemand weiß, ob sich nicht ein derartiger Kleinstbetrieb im Laufe der Zeit vergrößert, auch wenn es anfangs vielleicht gar nicht geplant war. Auch bei plötzlicher Arbeitslosigkeit ist ein Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb eine gute Absicherung." In einer bundesweiten Erhebung, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt wurde, hat der Wirtschaftswissenschaftler zusammen mit seinem Mitarbeiter Thomas Stamm mehr als 200 schriftliche Interviews mit Gründerinnen und Gründern durchgeführt. Etwa die Hälfte der Befragten, die einer selbstständigen Zu- oder Nebenerwerbstätigkeit nachgehen, plant, sie mit der Zeit auszuweiten. Auch viele der befragten "Haupterwerbsselbstständigen" hatten früher klein angefangen. "Viele Firmengründer probieren zunächst einmal neben ihrer eigentlichen Tätigkeit, ob ihre Geschäftsidee überhaupt trägt, und wachsen dann langsam in die Selbstständigkeit hinein."

    Zahlreiche Befragte klagten, dass ihnen bei der Gründung Steine in den Weg gelegt wurden: Finanzämter werten den Kleinstbetrieb als "Liebhaberei", sofern er nicht die eigenen Kosten deckt - Betriebsausgaben lassen sich dann nicht absetzen. Es gibt keine öffentlichen Förderprogramme für derartige Minigründungen und nur unzureichende Angebote zur Information, Beratung und Schulung. Banken, Sparkassen und andere Geldgeber halten sich bei Kleinkrediten zurück. "Da besteht viel Nachholbedarf", betont Professor Piorkowsky.

    Im Jahr 2001 gründeten in Deutschland etwa 300.000 Menschen einen Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb. Auch die Politik beginnt das wirtschaftliche Potenzial derartiger Mini-Betriebe offensichtlich zu erkennen: Vor wenigen Wochen kündigte Bundeswirtschaftsminister Werner Müller eine neue Mittelstandsoffensive an, die unter anderem "Micro-Darlehen" für die Gründung sehr kleiner Unternehmen verspricht - "Beträge bis zu 25.000 Euro", so Müller, seien dann "unbürokratisch, schnell und ohne Sicherheiten mit einem einzigen Formular" über die bundeseigene Deutsche Ausgleichsbank zu bekommen.

    Die komplette Studie kann über die Homepage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (http://www.bmfsfj.de) sowie telefonisch unter 0180/5329329 angefordert werden.

    Ansprechpartner für die Medien: Professor Dr. Michael-Burkhard Piorkowsky, Institut für Haushalts- und Konsumökonomik an der Universität Bonn, Tel.: 0228/73-3124, E-Mail: piorkowsky@uni-bonn.de


    More information:

    http://www.bmfsfj.de


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

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