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In einer Stellungnahme weist das CHE darauf hin, dass die von der Landesregierung in Sachsen-Anhalt herangezogenen Zahlen aus einer CHE Prognose weder dem aktuellen Prognosestand entsprechen, noch können aus den aktuellsten Berechnungen Begründungszusammenhänge für einen Abbau von Studienplätzen im Land abgeleitet werden. Vielmehr haben sich die Hochschulen in Sachsen-Anhalt erfolgreich auf einen Weg begeben, die hohe Studienqualität und Attraktivität ihrer Standorte zur vermehrten Rekrutierung von studieninteressierten jungen Menschen aus Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern zu nutzen.
Stellungnahme des CHE:
Gütersloh/Berlin, 26.03.2013
Bildungschancen junger Menschen realisieren und in den Innovationsstandort Sachsen-Anhalt investieren: Hochschulsystem stärken und nicht durch Kürzungen ausbremsen!
Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt plant laut Presseberichten Kürzungen im Hochschulbereich und beruft sich dabei auf CHE–Prognosen zur Entwicklung der Studienanfängerzahlen in Sachsen-Anhalt. In diesem Zusammenhang weisen CHE und CHE Consult darauf hin, dass die durch die Landesregierung herangezogenen Daten aus den seit 2006 turnusmäßig aktualisierten Publikationen der Studienanfängerprognosen lediglich konservative Fortschreibungen darstellen. So bilden die Zahlen, auf die Bezug genommen wird, tatsächlich nur unter der Bedingung eine wahrscheinliche Entwicklung der Studiennachfrage an Hochschulen des Landes ab, dass die Zu- und Abwanderung junger studierwilliger Menschen auf dem Niveau der Jahre 2005 bis 2010 verbleibt.
Eine Analyse der letzten beiden Jahre zeigt jedoch, dass die Hochschulen des Landes sowohl für Studienberechtigte aus Sachsen-Anhalt als auch für junge Menschen insbesondere aus den westdeutschen Flächenländern deutlich an Attraktivität gewonnen haben. So erreichten die Landeshochschulen im Jahre 2010 zum ersten Mal ein positives Wanderungssaldo: dies bedeutet, dass zum ersten Mal mehr junge Menschen an den Hochschulen in Sachsen-Anhalt aus anderen Ländern ein Studium aufnahmen, als Studienberechtigte aus Sachsen-Anhalt das Land zur Aufnahme eines Studiums verließen.
Angesichts der Nachfrageentwicklungen, die aufgrund einer strukturell deutlich steigenden Bildungsbeteiligung und der doppelten Abiturjahrgänge in den westdeutschen Flächenländern zu erwarten sind, bieten die durch das CHE publizierten Prognosezahlen keinen Begründungszusammenhang für Einsparungen und eine Verminderung von Studienkapazitäten in Sachsen-Anhalt. Vielmehr bietet die über das Jahr 2030 hinaus hohe Nachfrage nach Studienmöglichkeiten in Deutschland den Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt eine große Chance, den erfolgreich eingeschlagenen Weg der Rekrutierung sowohl junger Menschen aus anderen Bundesländern als auch der verstärkten Bindung von „Landeskindern“ systematisch weiterzuführen.
Ein Abbau von Studienkapazitäten würde die erzielten Erfolge der Hochschulen und die damit verbundenen Effekte für den Wissenschafts- und Innovationsstandort Sachsen-Anhalt untergraben. Ziel des eingeschlagenen Weges ist dabei keineswegs, als Lern- und Bildungsort für „durchreisende“ junge Menschen aus westdeutschen Ländern zu fungieren. Vielmehr zielen die bspw. mit der Kampagne „Hellwach Studierenden in Sachsen-Anhalt“ verbundenen Marketingmaßnahmen darauf, die vorhandenen Nachfragepotenziale junger Menschen aus Sachsen-Anhalt sowie aus anderen Ländern mit Leistungs- und Attraktivitätsargumenten zu erschließen und damit den Wissenschafts- und Innovationsstandort Sachsen-Anhalt langfristig zu stärken.
Diese Ziele dürfen nicht vor dem Hintergrund von Prognosezahlen, die die zuletzt erreichten Erfolge methodisch nicht abbilden können, aus dem Blick genommen werden. Vielmehr bedürfen die Hochschulen nachhaltiger und verlässlicher Rahmenbedingungen, um den eingeschlagenen Weg einer Stärkung des Innovations- und Wissenschaftsstandorts Sachen-Anhalt fortführen zu können.
Auch im Rahmen des „Hochschulpakt 2020“, mit dem u.a. verhindert werden sollte, dass diejenigen Länder ihre Hochschulkapazität zurückfahren, die mit demografisch induzierten Rückgängen der Studiennachfrage durch „Landeskinder“ konfrontiert sein werden, erweist sich ein Abbau von Studienplätzen in Sachsen-Anhalt als unzweckmäßig. Der Hochschulpakt 2020 zielt gerade darauf, eine mit Blick auf das gesamte deutsche Hochschulsystem problematische Landeskinderlogik zu verhindern und die Realisierung des gesamtstaatlichen Interesses an einem chancengerechten Zugang zum Hochschulstudium mit zusätzlichen Mitteln zu unterstützen. Allerdings verweist die Diskussion um eine durch den Abbau von Studienkapazitäten erzeugte Kürzung der Hochschulhaushalte auf eine zentrale offene Frage, die das CHE und CHE Consult bereits seit mehreren Jahren diskutiert. Angesichts der am Ende des Jahrzehnts wirksam werdenden Schuldenbremse und der strukturellen Behinderung gesamtstaatlicher Lösungsstrategien durch das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern müssen nachhaltig tragfähige Modelle zur Finanzierung der Hochschulen gefunden werden. CHE und CHE Consult haben dazu bereits im Jahr 2007 einen Vorschlag unterbreitet, wie dynamische Wanderungsverflechtungen zwischen den Ländern und die zunehmend disparate Finanzkraft der Länder in einem innovativen Hochschulfinanzierungsmodell ausgeglichen werden können. (http://www.che.de/downloads/Aktihf_AP96.pdf)
Neben der Frage einer nachhaltigen Hochschulfinanzierung und den mit dem Hochschulpakt 2020 verbundenen Verpflichtungen zu einem Beitrag zur Realisierung eines chancengerechten Hochschulzugangs leisten die Hochschulen des Landes Sachsen-Anhalt einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung ökonomischer Effekte des von der Landesregierung veranschlagten demografischen Wandels. Aufgrund des Renteneintritts der geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre bis zum Ende des Jahrzehnts, wird ein in einigen Branchen schon jetzt spürbarer Ersatzbedarf dramatisch auftreten. Es werden gut qualifizierte und innovative junge Menschen benötigt werden, um diesen Ersatzbedarf zu kompensieren und damit die wirtschaftliche Leistungskraft des Landes zu stabilisieren. Gleichzeitig führen aber durch demografische Entwicklungen begründete Einsparungen und damit einhergehende Verminderungen der Studienkapazitäten dazu, dass Sachsen-Anhalt den Anschluss an die bereits beobachtbare Transformation der Volkswirtschaft in eine wissensbasierte Ökonomie verlieren könnte, weil das Innovationspotential junger Menschen aus und in Sachsen-Anhalt nicht mehr systematisch ausgeschöpft wird.
Insgesamt wird deutlich, dass die von CHE und CHE Consult veröffentlichten Prognosen zur Entwicklung der Studienanfängerzahlen in Sachsen-Anhalt Einsparungen in Hochschulhaushalten und damit einhergehende Verminderungen der Studienkapazitäten im Land nicht begründen können. Es ist vielmehr angezeigt, die von der Landesregierung veranschlagten demografischen Entwicklungen auf deren ökonomische Effekte hin zu analysieren. Auf dieser Grundlage sind dann nachhaltige und verlässliche Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Hochschulen des Landes auch weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur Kompensation des Ersatzbedarfs gut qualifizierter Fachkräfte in Sachsen-Anhalt und zur Stärkung der Innovationspotentials in einer zunehmend wissensbasierten Volkswirtschaft leisten können. Nicht zuletzt dürfen auch nicht die Zielsetzungen untergraben werden, die das Land und seine Hochschulen im Rahmen des Hochschulpakts 2020 zur Gewährleistung eines chancengerechten Hochschulzugangs im gesamten deutschen Hochschulsystem eingegangen ist. Eine Antwort auf die demografische Herausforderung in Sachsen-Anhalt schließt demnach Investitionen in den Innovations- und Wissenschaftsstandort ein und keine Einsparungen, die die Hochschulen auf dem erfolgreich eingeschlagenen Weg ausbremsen.
Gez. Prof. Dr. Frank Ziegele, Geschäftsführer des CHE,
Dr. Christian Berthold, Geschäftsführer CHE Consult
http://www.che.de/cms/?getObject=5&getNewsID=1541&getCB=398&getLang=... Pressemeldung und Stellungnahme zum Download
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
interdisciplinary
transregional, national
Science policy
German
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