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Wissenschaft
Nicht nur in Deutschland fehlt der Berufszweig des "Bio-Informatikers". Darauf haben Vertreter des "Zentrums für Infektionsforschung" der Universität Würzburg heute bei einer Pressekonferenz hingewiesen. Wer eine kombinierte Ausbildung in Informatik-Medizin-Biologie vorweisen könne, dem würden in Zukunft enorme Arbeitsmöglichkeiten offenstehen, so die Würzburger Wissenschaftler.
Diese Erkenntnis reifte bei der internationalen Tagung "Genomics in Infectious Diseases", die vom 11. bis 13. Juni im Würzburger Anatomischen Institut stattfand und von Prof. Dr. Matthias Frosch und Dr. Joachim Reidl vom "Zentrum für Infektionsforschung" organisiert worden war.
Zentrumssprecher Prof. Dr. Volker ter Meulen erläuterte die Hintergründe für diese guten Berufsaussichten: Durch neue technische Möglichkeiten fallen bei der Analyse des Erbguts von Krankheitserregern Unmengen von Daten an. Noch vor wenigen Jahren war ein Forscher Monate beschäftigt, bevor er ein nur kleines Stück Erbgut eines Bakteriums entschlüsselt hatte. Nun ist es jedoch absehbar, daß in Kürze das gesamte Erbmaterial einer Mikrobe in nur wenigen Tagen beschrieben werden kann - computerisierte Methoden machen es möglich.
Ist das Erbgut eines Krankheitserregers bekannt, so sind Rückschlüsse zum Beispiel auf strukturelle Eigenheiten und seinen Stoffwechsel möglich. Somit wird die Wissenschaft künftig Krankheitserregern, die für Durchfallerkrankungen, Hirnhautentzündungen, Borreliose, Tuberkulose, Malaria und Pilzinfektionen verantwortlich sind, gezielter und wirksamer als bisher entgegentreten können. Auch dies wurde bei der Tagung an der Universität Würzburg deutlich. Schon heute ist das Erbgut von 40 Bakterienarten komplett entziffert.
Zwar würden in Deutschland bereits große Anstrengungen unternommen, die im Rahmen der Erbgutforschung entwickelten Methoden für biotechnologische Fragestellungen, beispielsweise im Umweltbereich, zu nutzen. Auch die Erforschung des menschlichen Erbguts erfahre durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) starke finanzielle Unterstützung. Gleichwohl sei, wie die Vertreter des "Zentrums für Infektionsforschung" ausführten, im Bereich der Infektiologie ein großer Nachholbedarf zu verzeichnen.
Um hier nicht international den Anschluß zu verlieren, bedürfe es von Seiten der großen deutschen Forschungsförderorganisationen - BMBF, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - weiterer Anstrengungen. Als positiv sei es zu werten, daß bei den Verantwortlichen das Bewußtsein für ein baldiges Handeln existiere.
Ziel aller Fördermaßnahmen solle es vordringlich sein, so die Würzburger Forscher, die über die Erbinformation bakterieller Krankheitserreger vorliegenden Daten zu nutzen. Diese Daten seien fast ausnahmslos von der US-amerikanischen TIGR-Institution (The Institute for Genome Research) gewonnen worden. Es war auch ein Anliegen der Veranstalter des Würzburger Symposiums, Wege und Perspektiven zur Nutzung der neuen Datenfülle aufzuzeigen und die im Bereich der Infektiologie tätigen Wissenschaftler auf das mit der Erbgutforschung angebrochene neue Zeitalter vorzubereiten.
Als Förderer der Veranstaltung traten auf: BMBF, DFG, das Bayerische Staatsministerium für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst sowie Fachgesellschaften und Vertreter der Industrie. 240 Wissenschaftler aus 14 Ländern waren zu der Tagung in Würzburg erschienen. Im Vordergrund der Diskussionen standen Mikroorganismen, die als Ursache von Infektionskrankheiten große gesundheitspolitische Bedeutung haben.
Für den Bereich der Infektiologie war es nach Angaben der Veranstalter das erste Mal, daß in Deutschland die Bedeutung der Erbgutforschung im Rahmen einer internationalen wissenschaftlichen Tagung gewürdigt wurde. Bei der Würzburger Veranstaltung sei deutlich geworden, daß von dem noch jungen Gebiet der bakteriellen Erbgutforschung neue und umwälzende Impulse für die Infektiologie ausgehen werden: Auf der Grundlage dieser Forschungen werde man diversen Krankheitserregern wirksamer als bisher entgegentreten können, sei es durch die Herstellung neuer oder verbesserter Impfstoffe oder durch die Entwicklung von Medikamenten.
Gesundheitspolitische Aspekte der bakteriellen Erbgutforschung
Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellen Infektionskrankheiten die weltweit häufigste Todesursache dar. Jährlich sterben 17 Millionen Menschen unmittelbar durch eine Infektion mit einem bakteriellen oder viralen Erreger, einem Parasiten oder einem Pilz. 22 Millionen Menschen sind weltweit an Tuberkulose erkrankt. Davon sterben jedes Jahr drei Millionen Menschen. Ebenso viele Todesopfer gehen auf Durchfallerkrankungen zurück. Die Malaria ist für weitere zwei Millionen Todesfälle jährlich verantwortlich. Diese nur knapp skizzierte Problematik wird durch die immer schwieriger durchzuführende Therapie von Infektionskrankheiten verschärft.
Die Schwierigkeiten und der Handlungsbedarf werden am Beispiel der Tuberkulose besonders eindrucksvoll erkennbar, da die Zahl der Antibiotika-resistenten Tuberkulose-Erreger zunehmend steigt. Aus den USA wurde bereits über Tuberkulose-Patienten berichtet, die auf keine der verfügbaren Medikamente mehr ansprechen. Jedoch konnte durch die bakterielle Erbgutforschung eine Vielzahl neuer struktureller Bestandteile des Tuberkulose-Erregers entdeckt werden, die jetzt als Angriffspunkte bei der Entwicklung von neuen Medikamenten genutzt werden können.
Am Beispiel von durch Bakterien hervorgerufenen Hirnhautentzündungen wurden während der Tagung Möglichkeiten diskutiert, die Ergebnisse der bakteriellen Erbgutforschung für die Entwicklung von Impfstoffen nutzbar zu machen. In Deutschland erkranken jährlich über 1.000 Menschen an Hirnhautentzündungen. Die meisten Fälle werden durch Meningokokken verursacht. Im Frühjahr dieses Jahres kam es in Süddeutschland zu einem gehäuften Auftreten dieser lebensbedrohlich verlaufenden Infektionskrankheit.
Bislang ist kein effektiver Impfstoff verfügbar, der vor einer Infektion mit Meningokokken schützen könnte. Die Erreger sind in der Lage, sich durch einen ständigen Wandel ihrer Eigenschaften dem Immunsystem zu entziehen. Die Ergebnisse der Erbgutforschung geben auch hier zu der Hoffnung Anlaß, daß neu entdeckte Strukturen der Meningokokken für die Entwicklung eines Impfstoffes genutzt werden können.
Kontakt:
Prof. Dr. Matthias Frosch, Vorstand des Instituts für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg, Telefon (0931) 201-5160, Fax 201-3445, E-Mail:
mfrosch@hygiene.uni-wuerzburg.de
Criteria of this press release:
Biology, Information technology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research projects, Scientific conferences
German
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