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Forscher des Bonner Uniklinikums pflanzten schwerstdepressiven Patienten Schrittmacherelektroden in das Mediale Vorderhirnbündel im Gehirn und erzielten damit einen erstaunlichen Erfolg: Bei sechs der sieben Patienten verbesserten sich die Symptome erheblich. Diese Methode der „tiefen Hirnstimulation“ wurde bereits an verschiedenen Strukturen im Gehirn getestet, aber mit deutlich geringeren Effekten. Die Ergebnisse werden nun in der renommierten internationalen Fachzeitschrift „Biological Psychiatry“ vorgestellt.
Nach Monaten tiefer Traurigkeit huscht ein erstes Lächeln über das Gesicht der Patientin. Viele Jahre litt sie unter einer schweren Depression und versuchte mehrmals, sich das Leben zu nehmen. Die vergangenen Jahre verbrachte sie meist passiv auf der Couch, selbst Fernsehen war ihr zu viel. Nun freut sich die junge Frau wieder ihres Lebens, lacht und reist gerne. Sie und sechs weitere Patienten, bei denen zuvor sämtliche Therapien ohne Erfolg blieben, nahmen an der Studie zur neuartigen Methode bei schwersten Depressionen am Universitätsklinikum Bonn teil.
Deutliche Linderung der Depression bereits nach Tagen
Prof. Dr. Volker Arnd Coenen, Neurochirurg an der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie, pflanzte den schwerstdepressiven Probanden Elektroden ins Mediale Vorderhirnbündel des Gehirns, die mit einem Hirnschrittmacher verbunden sind. Ein schwacher elektrischer Strom stimuliert dort die Nervenzellen. Diese Methode wird „tiefe Hirnstimulation“ genannt. Bereits nach wenigen Tagen besserten sich bei sechs der sieben Patienten die Beschwerden wie Ängstlichkeit, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Freudlosigkeit erheblich. „Ein solch sensationeller Erfolg sowohl in Bezug auf Wirkungsstärke wie auch Geschwindigkeit des Ansprechens wurde bislang mit keiner anderen Methode erzielt“, sagt Prof. Dr. Thomas E. Schläpfer von der Bonner Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
Zentraler Teil eines Euphorie-Schaltkreises
Beim Medialen Vorderhirnbündel handelt es sich um einen Nervenstrang, der sich vom tief liegenden Hirnstamm bis zur stirnseitigen Hirnrinde zieht. An einer bestimmten Stelle ist das Bündel besonders schmal, weil die einzelnen Nervenfasern hier eng beieinander liegen. „An diesem Ort erreichen wir mit wenig Strom ein Maximum an Wirkung“, erläutert Prof. Coenen, der neuerdings die Abteilung Stereotaktische und Funktionelle Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg leitet. Das Mediale Vorderhirnbündel ist zentraler Teil eines Euphorie-Schaltkreises, der Teil des Belohnungssystems des Gehirns ist. Was die Stimulation in den Nervenzellen genau bewirkt, ist noch nicht bekannt. Aber offensichtlich verändert sie die Stoffwechselaktivität in verschiedenen Gehirnzentren.
Erfolg vorangegangener Studien wurde deutlich gesteigert
Die Wissenschaftler haben bereits in mehreren Studien nachgewiesen, dass die tiefe Hirnstimulation eine erstaunliche und angesichts der Schwere der Symptome unerwartete Linderung der Symptome bei schwersten Depressionen zeigt. Dabei implantierten die Ärzte die Elektroden jedoch nicht in das Mediale Vorderhirnbündel, sondern in den Nucleus Accumbens, der ebenfalls zum Belohnungssystem des Gehirns gehört. Daraufhin verbesserte sich das Befinden bei rund der Hälfte der Probanden deutlich und nachhaltig. „Mit der neuen Studie haben wir jedoch noch viel bessere Ergebnisse erzielt“, sagt Prof. Schläpfer. Statt bei 50 Prozent der Patienten trat nun bei mehr als 85 Prozent eine entscheidende Besserung der Beschwerden ein. Die Stimulationen erfolgten zudem mit noch geringeren Stromstärken, die Wirkung trat statt zuvor nach Wochen nun bereits binnen weniger Tage ein.
Langfristiger Erfolg der Methode ist nachgewiesen
„Offensichtlich haben wir uns nun weiter zu einer entscheidenden Struktur im Gehirn vorgetastet, die für schwerste Depressionen verantwortlich ist“, sagt der Psychiater des Bonner Universitätsklinikums. Optimistisch stimmt die Ärzte zudem, dass nach Abschluss der Studie eine weitere Behandlung bei einem achten Patienten ebenfalls erfolgreich abgeschlossen wurde. Die Patienten wurden bis zu einem Zeitraum von 18 Monaten nach dem Eingriff beobachtet. „Die antidepressive Wirkung der tiefen Hirnstimulation im Medialen Vorderhirnbündel verringerte sich in diesem Zeitraum nicht“, berichtet Prof. Schläpfer. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich um keine Kurzzeiteffekte handelt. Das Verfahren gibt Anlass zur Hoffnung für Menschen, die an schwersten Formen der Depression leiden. Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis das neue Verfahren zu einer Standardtherapie wird.
Publikation: Rapid Effects of Deep Brain Stimulation for Treatment Resistant Major Depression, Biological Psychiatry, DOI: 10.1016/j.biopsych.2013.01.034
Ein Podcast zum Thema steht unter:
https://www.uni-bonn.tv/podcasts/20130322_ST_Hirnstimulation-Schlaepfer.mp4/view
Kontakt:
Prof. Dr. med. Thomas E. Schläpfer
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn
Tel. 0228/28715715
E-Mail: schlaepf@jhmi.edu
Prof. Dr. med. Volker A. Coenen
Neurochirurgische Klinik
Abteilung Stereotaktische und Funktionelle Neurochirurgie
Tel.: 0761/270 50630
E-Mail: stereotaxie@uniklinik-freiburg.de
https://www.uni-bonn.tv/podcasts/20130322_ST_Hirnstimulation-Schlaepfer.mp4/view
Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Research results
German
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