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Wissenschaft
Start des von Mannheim aus koordinierten europaweiten Forschungsprojektes MITIGATE
Am 1. Oktober fiel der Startschuss für ein europaweites Forschungsprojekt, das sich einer verbesserten Diagnostik und Therapie der seltenen Erkrankung der Gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) widmet. Das Projekt MITIGATE wird durch das 7. Rahmenprogramm der Europäischen Kommission (FP7) gefördert und hat sich damit europaweit gegenüber einer Vielzahl anderer Projekte durchgesetzt. Im Februar dieses Jahres erhielt der Antrag die Zusage der vollen Förderung des beantragten Volumens in Höhe von 4,5 Millionen Euro für vier Jahre.
Insgesamt zehn Partner sind an dem Projekt beteiligt, darunter drei Universitäten: die Universität Heidelberg, die Medizinische Universität Innsbruck sowie die Universität Turin. Koordiniert wird das Projekt von der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem European Institute for Biomedical Imaging Research (EIBIR), Wien. EIBIR ist eine gemeinnützige GmbH zur Koordination der Forschung in der biomedizinischen Bildgebung. Wissenschaftlicher Koordinator ist Professor Dr. Stefan Schönberg, Direktor des Instituts für Klinische Radiologie und Nuklearmedizin (IKRN) an der Universitätsmedizin Mannheim (UMM).
Innerhalb des IKRN ist die Molekulare Bildgebung / Radiochemie an dem Projekt beteiligt, und seitens der UMM außerdem die Chirurgische Onkologie, die Computerunterstützte Klinische Medizin, die Strahlentherapie, der Medizinische Strahlenschutz und das Zentrum für Medizinische Forschung. Als weitere Hochschuleinrichtung ist die Hochschule Mannheim eingebunden. Auch die unmittelbar an der UMM angesiedelte Fraunhofer Projektgruppe für Automatisierung in der Medizin und Biotechnologie PAMB ist Vertragspartner.
All diese Partner widmen sich in den kommenden vier Jahren gemeinsam der Forschung, um sowohl die Diagnose als auch die Behandlung von Gastrointestinalen Stromatumoren, die gegen die medikamentöse Therapie resistent sind, zu verbessern, und zwar mittels eines in sich geschlossenen Kreislaufs aus molekularer Bildgebung und zielgerichteter minimal-invasiver Therapie (closed-loop Konzept). „Wir versprechen uns außerdem, dass die wissenschaftlichen Ansätze, die dabei entwickelt werden, auch für andere Tumorentitäten, die auf aktuelle Therapiekonzepte nicht ansprechen, adaptierbar sind“, so Projekt-Koordinator Professor Schönberg.
Gastrointestinale Stromatumore betreffen das Bindegewebe des Magen-Darm-Traktes. Unter 100.000 Personen finden sich etwa ein bis zwei, die betroffen sind. In GIST-Tumoren treten gehäuft Mutationen in Proteinen auf, die in der Membran verschiedener Zellen vorkommen und zur Familie der Tyrosinkinase-Rezeptoren gehören (KIT u. PDGF-R). Vor gut zehn Jahren ist die Behandlung dieser Patienten mit der Medikamentenklasse der Tyrosinkinase-Inhibitoren (Imatinib) eingeführt worden.
Die Behandlung von GIST-Tumoren mit Imatinib war zunächst eine Erfolgsgeschichte. Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung konnten durch die nahezu nebenwirkungsfreie Tabletten-Therapie in ein normales Leben zurückgeführt werden und überlebten die Krebserkrankung mehr als fünf Jahre. Darüber hinaus wird die Therapie mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor sehr wirksam bei lokal fortgeschrittenen Primärtumoren dazu genutzt, diese zu verkleinern, um sie anschließend einfacher und schonender zu entfernen.
GIST-Tumore sind im frühen Stadium in der Regel örtlich begrenzt. Sie neigen aber dazu, Absiedlungen (Metastasen) zu bilden. Bis zu 85 Prozent der Patienten entwickeln solche Metastasen, im Schnitt innerhalb von zweieinhalb Jahren. Inzwischen hat sich gezeigt, dass vor allem diese Absiedlungen häufig gegen das ursprünglich wirksame Medikament resistent sind, weil sich in den Tumoren so genannte Sekundärmutationen ereignen, die die Struktur des Rezeptors verändern, an die sich das Medikament heften sollte. Zum Teil reagieren auch nur einzelne Areale innerhalb eines Tumors nicht mehr auf das Medikament, wenn nämlich der Tumor aus verschiedenen Zellklonen mit unterschiedlichen Rezeptormutationen besteht.
Die Behandlungsoptionen für diese Patienten sind sehr begrenzt. So existiert aktuell kein bildgebendes Verfahren, das eine solche Resistenzentwicklung frühzeitig nachweisen kann und damit eine Progression der Erkrankung im frühen Stadium entdecken lässt. Es gibt keine zielgerichtete Therapie mit alternativen Wirkungsmechanismen. Und es sind keine minimal-invasiven Behandlungsverfahren etabliert, mit denen die Metastasen gezielt eliminiert werden könnten. An jedem einzelnen dieser Punkte setzt MITIGATE an. Das geplante personalisierte Behandlungskonzept kombiniert die funktionelle Bildgebung mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET), innovative Strategien für die Entnahme von Gewebeproben und deren Analyse, eine molekulare Charakterisierung des Tumors sowie eine zielgerichtete Therapie mittels molekularer Bildgebung.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Radiochemie, die die Aufgabe hat, mit Nukliden verknüpfte Substanzen zu entwickeln, die spezifisch an Oberflächenmarker von GIST-Tumoren binden, und zwar exakt an den Ort an der Tumorzelle, an den auch ein mögliches Therapeutikum bindet. Diese so genannten Theranostika können entweder als Diagnostikum zur Identifikation und Lokalisierung des Tumors dienen, oder als Therapeutikum, indem sie den Tumor durch Strahlung zerstören – je nachdem mit welchen Nukliden die Substanzen gekoppelt sind. Mit Hilfe dieser Substanzen ist es möglich, auf der molekularen Ebene Rückschlüsse auf die gesamte Masse eines Tumors zu ziehen, statt nur punktuell, und somit auch Areale mit verschiedenen Zellklonen innerhalb eines Tumors unterscheiden zu können. Auf diese Weise können außerdem Therapien, die nicht in ausreichendem Maße wirksam sind, schon vor Therapiebeginn ausgeschlossen sowie die Wirksamkeit während einer Therapie exakt auf molekularer Ebene verfolgt werden.
Voraussetzung dafür, dass der Radiochemiker die geeignete Substanz für den vorliegenden Tumor entwickeln kann, ist eine schnelle Typisierung des Tumors. Im Rahmen des MITIGATE-Projektes wird die massenspektrometrische (MS) Fingerabdruck-Technologie genutzt, um Subtypen von Gastrointestinalen Stromatumoren zu unterscheiden. Die MS Fingerprinting Technologie nutzt den Umstand, dass unterschiedliche Zellen bzw. Gewebe verschiedene Biomoleküle in unterschiedlichen Mengen enthalten. Massenspektrometrie misst die Häufigkeit der Moleküle, die jeweils durch eine bestimmte Masse charakterisiert sind, und zwar über einen großen Massenbereich. Dabei ergibt sich ein Muster, das für einen bestimmten Zell- oder Gewebetyp charakteristisch ist. Das Zentrum für Angewandte Forschung “Applied Biomedical Mass Spectrometry” (ABIMAS) ist Partner im Projekt MITIGATE und in diesem Zusammenhang Partner des Radiochemikers.
Europaweites Projekt MITIGATE
MITIGATE steht als Akronym für den Projekttitel: “Closed-loop Molecular Environment for Minimally Invasive Treatment of Patients with metastatic Gastrointestinal Stromal Tumors”. Gleichzeitig ist mitigate der englische Ausdruck für „entschärfen, lindern“.
Prof. Dr. med. Stefan Schönberg ist der wissenschaftliche Koordinator des Projektes MITIGATE.
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Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Chemistry, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Physics / astronomy
transregional, national
Cooperation agreements, Research projects
German
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