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Wissenschaft
Chemiker der Universität Jena entwickeln Biosensor zum Nachweis von Amygdalin - einem wichtigen Inhaltsstoff von bitteren Aprikosen- und Mandelkernen. Amygdalin setzt bei der Verdauung giftige Blausäurse frei, so dass eine übermäßige Einnahme von bitteren Aprikosen- oder Mandelkernen zu Vergiftungserscheinungen führen kann. Bisher gab es nur aufwendige Analyseverfahren - das chemische System der Jenaer Forscher ermöglicht es nun, Amygdalin in wässriger Lösung unkompliziert zu detektieren.
Vitalkraft aus der Natur, Bioaktivstoff, Heilmittel gegen Krebs – mit solchen und ähnlichen Begriffen werden bittere Aprikosen- und Mandelkerne vor allem im Internet beworben und zum Verkauf angeboten. Dabei ist ihre Heilkraft umstritten und ihr Verzehr durchaus problematisch: „Mir ist keine wissenschaftliche Studie bekannt, die eine therapeutische Wirkung von bitteren Aprikosenkernen oder bitteren Mandelkernen eindeutig belegt“, sagt Prof. Dr. Alexander Schiller von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Im Gegenteil: Bei übermäßigem Verzehr können Vergiftungserscheinungen von Erbrechen, starken Krämpfen bis hin zu Bewusstlosigkeit auftreten“, so der Chemiker.
Der entscheidende Inhaltsstoff ist Amygdalin, der bei der Verdauung hochgiftige Blausäure – auch Cyanid genannt – freisetzt. Bisher gab es jedoch nur sehr aufwendige Analyseverfahren zum Nachweis von Amygdalin, das oft auch irreführend als Vitamin B17 oder Laetril bezeichnet wird. Ein Wissenschaftlerteam um Alexander Schiller von der Uni Jena hat nun einen Biosensor entwickelt, mit dem Amygdalin in wässriger Lösung unkompliziert detektiert werden kann. Der Sensor basiert auf einem speziellen Boronsäure-Rezeptor, der das giftige Cyanid-Ion bindet und mithilfe eines fluoreszierenden Farbstoffes sichtbar macht. Damit sei das System potenziell als Schnelltest geeignet, um den Amygdalin-Gehalt in den im Handel erhältlichen Fruchtkernen zu messen, schreiben die Forscher in dem Fachmagazin „Chemistry – A European Journal“, das den Artikel auch auf dem inneren Titelblatt der aktuellen Ausgabe veröffentlicht hat (DOI: 10.1002/chem.201302801).
Chemisch gesehen besteht Amygdalin aus zwei Glukose-Einheiten verknüpft mit einer Cyanhydrin-Funktion eines Benzaldehyds. Wasser und das Enzym Beta-Glucosidase, das natürlicherweise im menschlichen Körper vorkommt, sorgen dafür, dass die stabile Verbindung aufbricht: Der Zuckeranteil wird abgespalten und das freigewordene Cyanhydrin zerfällt spontan in Benzaldehyd und das giftige Cyanid. Genau diese chemische Reaktion haben sich die Forscher zunutze gemacht, indem sie ihren Proben das Enzym hinzugefügt und die Abspaltung gezielt forciert haben. „Der Clou ist, dass wir für den Nachweis von Amygdalin von dem Prozess profitieren, der den Stoff so giftig macht“, erklärt Alexander Schiller. „Der Sensor beginnt demnach erst dann zu leuchten, sobald das Cyanid freigesetzt ist und damit seine toxische Wirkung entfaltet“, so der Jenaer Juniorprofessor weiter.
Bittere Aprikosenkerne – genau wie Bittermandelkerne – enthalten bis zu acht Prozent Amygdalin. Das entspricht etwa fünf Milligramm Cyanid in einem einzigen Aprikosenkern – eine Menge, die bereits – je nach Körpergewicht – Vergiftungserscheinungen hervorrufen kann. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt daher, maximal ein bis zwei Kerne pro Tag zu verzehren oder ganz darauf zu verzichten. „Für Kinder ist die unbedenkliche Tagesdosis noch geringer, denn für sie ist Amygdalin besonders gefährlich“, betont Alexander Schiller und warnt vor den möglicherweise fatalen Folgen der übermäßigen Einnahme von bitteren Aprikosenkernen.
Der Biosensor von Alexander Schiller und seinen Kollegen ist bisher nur für wissenschaftliche Labortests geeignet. Dennoch ist die Entwicklung der Jenaer Wissenschaftler gerade vor diesem Hintergrund nicht nur ein ausgeklügeltes chemisches System – sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Lebensmittelsicherheit.
Originalpublikation:
Jose, D. A., Elstner, M. und Schiller, A., Allosteric Indicator Displacement Enzyme Assay for a Cyanogenic Glycoside. Chemistry – European Journal (2013), Volume 19, Seiten 14451–14457, http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/chem.201302801/abstract (DOI: 10.1002/chem.201302801).
Kontakt:
Jun.-Prof. Dr. Alexander Schiller
Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Jena
Humboldtstr. 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948113
E-Mail: alexander.schiller[at]uni-jena.de
Prof. Dr. Alexander Schiller betrachtet in einem Labor Mandelkerne. Der Chemiker von der Uni Jena ha ...
Foto: Jan-Peter Kasper/FSU
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Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Chemistry, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Research results
German
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