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Historiker der Universität Jena hat Analyse der ersten bundesdeutschen Werbekommunikatoren veröffentlicht
Erfolgreiche Werbebotschaften wie „Im Asbach Uralt ist der Geist des Weines“ oder „Pril entspannt das Wasser“ kennt wohl jeder. Doch wer steckt hinter diesen eingängigen Slogans, von denen manche schon seit Jahrzehnten ihre Wirkung entfalten?
Der Historiker Dr. Gerulf Hirt von der Universität Jena hat sich mit den „geheimen Verführern“ befasst, den ersten Werbeberatern und Werbeleitern der (west-)deutschen Werbewirtschaft, die für Konsumgüter-, Investitionsgüter- und/oder Chemieunternehmen geworben haben. Er untersuchte diese Werbekommunikatoren im Zeitraum der frühen 1920er Jahre bis hin zur Rezession von 1966/67.
Widersprüchliches Selbst- und Gruppenbild
Hirt geht der Kernfrage nach, warum gerade diese wirkmächtige und kommerziell erfolgreiche Expertenkultur zeitübergreifend ein höchst widersprüchliches Selbst- und Gruppenbild als „verkannte Propheten“ konstruierte und problematisierte, das selbst noch im Werbeboom des „Wirtschaftswunders“ aufrecht erhalten wurde. Damit nimmt die Studie eine Gruppe von Experten kritisch ins Visier, die stets im Grenzbereich zwischen kommerzieller Werbung, Public Relations, Konsumpolitik und politischer Propaganda agierte, so Hirt. Diese „Ghostwriter“ übten – und üben – hinter den von ihnen beworbenen Produkten, hinter den Unternehmen und dem Handel einen gewaltigen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft aus. Sie blieben jedoch selbst im Verborgenen.
Gerulf Hirt hat in seiner Dissertation, die gerade als Buch „Verkannte Propheten“ im Leipziger Universitätsverlag erschienen ist, festgestellt, dass die Werbefachleute eine Gruppe von „Selfmademen“ waren, die sich stets – und letztendlich vergebens – nach gesellschaftlicher Akzeptanz sehnten. Trotz ihres unbestritten großen Einflusses auf das tägliche Leben von Konsumenten hatte die kommerzielle Werbung lange einen negativen Ruf: „Werbekommunikatoren sahen sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit einer massiven Kritik an ihrer Arbeit konfrontiert“, sagt Hirt, der inzwischen im BMBF-Forschungsverbund „PolitCIGs“ arbeitet, in dem die Kulturgeschichte der Zigarette erforscht wird. Angeprangert wurde besonders reißerische sowie als unredlich oder unästhetisch geltende Werbung. Kirchenvertreter verglichen Werber zuweilen polemisch mit der Schlange im Garten Eden.
Verbot vergleichend-herabsetzender Werbung aus der NS-Zeit
Zum insgesamt zwiespältigen Bild der Werbebranche trug bei, dass es keine einheitlichen Regeln, keine anerkannte Berufsausbildung gab: „Die Werber waren zunächst ein recht bunter Haufen aus den unterschiedlichsten Berufszweigen, einen anerkannten Zugang zum Werbeberuf gab es lange Zeit nicht.“ Ausgerechnet in der NS-Zeit hat sich das zumindest ansatzweise geändert, so Hirts Befund. Nachdem bereits in den 1920er Jahren verschiedene Berufsverbände gegründet worden waren, kam 1933 die „Nationalsozialistische Reichsfachschaft Deutscher Werbefachleute“ hinzu, eine Art berufsständische Organisation. Zudem wurde eine sogenannte Reichswerbeschule in Berlin gegründet. Ein „Werberat der deutschen Wirtschaft“ erarbeitete Regeln, die häufig noch nach 1945 Bestand haben sollten. Dazu zählten etwa das Verbot vergleichend-herabsetzender Werbung und der Grundsatz für die Werbeberatung, nicht gleichzeitig für konkurrierende Unternehmen derselben Branche zu arbeiten.
„Eine gravierende Zäsur brachte die NS-Zeit für die Professionalisierung der Werbewirtschaft dennoch nicht“, sagt Gerulf Hirt. Es blieb zu unklar, was eine genuin „deutsche Werbung“ überhaupt ausmachen sollte. Die meisten Werber setzten ihre Arbeit weitgehend unbehelligt fort und umgingen staatliche Vorgaben geschickt. Allerdings wurden ihre jüdischen Kollegen nach und nach verdrängt. Nicht wenige „deutsche“ Werber stellten ihre Fähigkeiten zudem in den Dienst des NS-Systems – etwa in Form einer Beteiligung an Auslandswerbungs- oder an Verbrauchslenkungskampagnen.
„Truth in Advertising“
Als höchst ambivalente Projektionsfläche für deutsche Werbefachleute dienten stets die USA, wo der Grundsatz „Truth in Advertising“ (Wahrheit in der Werbung) zum Motto erhoben worden war. Das deutsche Interesse an Entwicklungen in der US-amerikanischen Werbewirtschaft brach auch im „Dritten Reich“ keineswegs abrupt ab: Delegationen deutscher Werbekommunikatoren reisten noch Mitte der 1930er Jahre regelmäßig zu Werbekongressen in die USA, trafen sich mit US-Kollegen und rezipierten US-amerikanische Werbefachliteratur. Umgekehrt hatten zunächst selbst US-amerikanische Werber in ihren Fachorganen die „Ordnung“ der zuvor chaotischen deutschen Werbewirtschaft im Zuge der nationalsozialistischen Machtübernahme begrüßt. Ein ausuferndes Regelungschaos und der Krieg machten Professionalisierungsansätze jedoch weitgehend zunichte.
Erst mit dem „Wirtschaftswunder“ brachen „goldene Zeiten“ für die deutsche Werbebranche an und die eher patriarchalischen „Selfmademen“ wurden nach und nach von teamorientierten „Marketers“ abgelöst. Eines hat sich aber bis heute nicht geändert: Die meisten Werbekommunikatoren arbeiten im Verborgenen.
Bibliographische Angaben:
Gerulf Hirt: „Verkannte Propheten. 'Zur Expertenkultur' (west-)deutscher Werbekommunikatoren bis zur Rezession 1966/67“, Universitätsverlag Leipzig, Leipzig 2013, 660 Seiten, 79 Euro, ISBN: 978-3-86583-757-8
Kontakt:
Dr. Gerulf Hirt
BMBF-Forschungsverbund „PolitCIGs“
Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944409
E-Mail: gerulf.hirt[at]uni-jena.de
http://Weitere Informationen: http://www.politcigs.uni-jena.de/Unser+Team/Wissenschaftliche+Mitarbeiter/Dr_+Ge...
Dr. Gerulf Hirt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Foto: privat
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Cover der neuen Publikation.
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Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
History / archaeology, Media and communication sciences
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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