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Wissenschaft
Implantate sollten so früh wie möglich nach einem Zahnverlust eingepflanzt werden. Darüber sind sich die Experten einig. Unklar ist hingegen noch, wie schnell und in welchem Ausmaß die künstlichen Zahnwurzeln durch Kronen oder Brücken belastet werden dürfen. Neue Konzepte für die Sofort-Versorgung von Implantaten stehen auf dem Prüfstand der gemeinsamen Jahrestagung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Fachgesellschaften für Implantologie.
Der Spruch "Use it or loose it" ("Nutze es oder verliere es") gilt nicht nur für die geistigen Fähigkeiten oder die Muskulatur. Auch Knochengewebe braucht ein gewisses Maß an Belastung, um nicht zu verkümmern. Kieferknochen benötigen daher eine Stimulation durch die Kaukräfte. Gehen Zähne verloren, fehlt dieser wichtige Reiz und Knochenschwund in den betroffenen Kieferabschnitten ist die Folge. Künstliche Zahnwurzeln können dies verhindern. "Implantate sollten daher möglichst frühzeitig nach einem Zahnverlust eingesetzt werden", betont Dr. Dr. Roland Streckbein, Limburg, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Implantologie.
Die frühzeitige Implantation erhält wichtige Strukturen. Eine solche "Sofort-Implantation" hat den Vorteil, dass die Strukturen von Knochen und Weichgewebe erhalten bleiben. Der Zahnarzt pflanzt die künstliche Wurzel unmittelbar nach der Extraktion in das bestehende Zahnfach ein. "Nicht empfehlenswert ist die Sofort-Implantation hingegen bei akuten oder ausgeprägten chronischen Entzündungen sowie ausgedehnten Schäden an Weichteilen und Knochen, etwa nach einem Unfall", schränkt Streckbein ein. Erst wenn diese geheilt sind - nach etwa sechs bis zwölf Wochen - ist eine Implantation möglich ("verzögerte Sofort-Implantation").
Schonung in der Einheilphase.
Doch selbst wenn die Implantation unmittelbar auf die Extraktion eines Zahnes folgt, galt bis vor kurzem eine eherne Regel: Das Implantat darf in der etwa zwei bis sechs Monate dauernden Einheilzeit nicht belastet werden. Je früher die künstlichen Wurzeln unter Druck geraten, desto größer ist das Risiko des Implantatverlustes. Dies belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien. Darum tragen die Patienten in der Einheilzeit ein Provisorium, das an den Nachbarzähnen befestigt wird und die Implantate nicht belastet.
Bislang akzeptierten die Experten nur eine Ausnahme: Werden in der Mitte eines zahnlosen Unterkiefers drei bis vier Implantate durch einen Steg verbunden - Zahnärzte sprechen von "Verblockung" - können sie sofort durch eine Vollprothese belastet werden. Denn diese wird nicht nur von den Implantaten, sondern zusätzlich vom umgebenden Gewebe abgestützt. Werden hingegen Implantate im Oberkiefer sofort belastet, sinkt die Erfolgsquote von ansonsten cirka 95 Prozent auf 56 Prozent. Dies belegen beispielsweise Untersuchungen von Roland Streckbein. "Relativbewegungen zwischen Implantat und Knochen von mehr als 60 Mikrometer müssen unbedingt vermieden werden", betont der DGI-Vizepräsident.
Eine eherne Regel gerät ins Wanken.
Inzwischen gibt es jedoch erste Hinweise aus klinischen Studien, dass die eherne Regel der Implantologie ins Wanken geraten könnte. "Es gilt", sagt Streckbein, "die auf das Implantat einwirkenden Kräfte so umzulenken und zu minimieren, dass die kritische Grenze der Relativbewegungen nicht überschritten wird."
Möglich wird dies etwa durch verbesserte Oberflächen moderner Implantate und neue Insertionsmethoden. Werden die Implantate unter Verdichtung des Knochens mit einem stärkeren Drehmoment von mindestens 30 Ncm in den Kiefer geschraubt, lässt sich dadurch die Primärstabilität der Implantate im Knochen verbessern. Diese Maßnahmen gestatten es, Implantate sofort mit einem Aufbau zu versorgen und zumindest teilweise auch sofort zu belasten.
Die Zahnärzte versuchen darüber hinaus mit verschiedenen Tricks, ihren Patienten mehr Komfort zu verschaffen. Ein solcher Trick ist das so genannte "Soft-Loading". "Silikonpuffer zwischen dem Steg, der mehrere Implantate miteinander verbindet, und der darüber sitzenden Prothese minimieren beispielsweise die Belastung", sagt Streckbein.
Wissenschaftliche Studien erst am Anfang. Die wissenschaftlichen Studien zur Überprüfung der neuen Strategien laufen jedoch erst seit relativ kurzer Zeit, die Patientenzahlen sind noch gering. Bei einer Studie an der Universität Graz, die auf der Tagung in München präsentiert wird, pflanzten die Zahnärzte bei 17 Patienten, die einen einzelnen Zahn in der Mitte des Oberkiefers verloren hatten, sofort nach der Extraktion ein Implantat ein. Dieses wurde ebenfalls sofort mit einer provisorischen Kunststoffkrone versorgt. Erst nach einer sechsmonatigen Einheilzeit ersetzten die Zahnärzte die Kunststoffkrone durch eine Prozellankrone. In der bislang zwölfmonatigen Nachbeobachtungszeit ging bislang keines dieser Implantate verloren.
Auch eine Wissenschaftlergruppe vom Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Frankfurt berichtet über erste Erfolge. Vorläufiges Resümee der Frankfurter Zahnmediziner: Implantate scheinen dann sofort mit einer Krone versorgt werden zu können, wenn es gelingt, ein primär stabil eingepflanztes Implantat während der Einheilzeit vor Relativbewegungen zu schützen. "Dies ist beispielsweise durch eine Verblockung der Implantate untereinander und Einhaltung einer weichen Kost für vier Wochen postoperativ möglich", stellt Professor Georg Nentwig fest.
Der Begriff "Sofort-Versorgung" ist näher an der Realität.
Doch Sofort-Belastung bedeutet nach wie vor nicht, dass der Patient generell unmittelbar nach der Implantation wieder "kraftvoll zubeißen kann". "Dies wird auch weiterhin nicht möglich sein", betont Streckbein. Insofern sorgt der Begriff "Sofort-Belastung" eher für Verwirrung. Der Realität näher kommt es darum, wenn Zahnärzte von der "Sofort-Versorgung" eines Implantates sprechen.
Der Anteil der Patienten, die von Sofort-Implantation plus Sofort-Versorgung profitieren, ist bislang jedoch noch gering. "Beide Verfahren zusammen erreichen bei allen von uns im Zeitraum von nahezu drei Jahren gesetzten Implantaten nicht die Zwei-Prozent-Marke", berichtet der Oppenheimer Zahnarzt Dr. Dr. Dieter Haessler auf der Münchener Tagung.
Rückfragen an:
Dr. Dr. R. Streckbein
Diezer Straße 14
65549 Limburg
Tel.: 06431-21 99-13
Fax: 06431-21 99-20
dgi@praxis-streckbein.de
Pressestelle
Dipl. Biol. Barbara Ritzert
ProScientia GmbH
Andechser Weg 17
82343 Pöcking
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ritzert@proscientia.de
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Research results, Scientific conferences
German
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