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01/29/2014 13:48

Die Globalisierung der Wiedergutmachung

Stephan Laudien Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Historiker der Uni Jena gibt Buch über die Wiedergutmachung nach 1989/90 heraus

    Vor 69 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Doch die Nachgeschichte dieses Krieges ist noch längst nicht zu Ende, wie jüngst der Schwabinger Kunstfund in Erinnerung gerufen hat.

    Zu den offenen Kapiteln der Nachkriegsgeschichte gehört die Politik der Wiedergutmachung, die durch das Ende des Kalten Krieges eine neue Dynamik entfaltet hat. Das kürzlich erschienene Buch „Die Globalisierung der Wiedergutmachung. Politik, Moral, Moralpolitik“, herausgegeben von Prof. Dr. Norbert Frei (Jena), Prof. Dr. José Brunner (Tel Aviv) und Prof. Dr. Constantin Goschler (Bochum), untersucht die Entwicklung der Wiedergutmachung seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs.

    Schon in ihrem 2008 veröffentlichten Sammelband „Die Praxis der Wiedergutmachung“ beschrieben die Autoren letztere als ein „learning by doing“, einen Prozess, der durch die anhaltende und sich ständig wandelnde gesellschaftliche, politische und administrative Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit gekennzeichnet ist. Die Grenzen dieser Wiedergutmachung wurden mit dem Ende des Kalten Krieges erheblich verschoben: Plötzlich konnten und können auch diejenigen NS-Opfer Entschädigung einfordern, die jenseits des Eisernen Vorhangs gelebt haben. Damit ist die Wiedergutmachung in ihre voraussichtlich letzte, die globale Phase, eingetreten. Zu deren Kennzeichen gehört, dass zwischenstaatliche Konflikte nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation zunehmend auf internationalen Konferenzen debattiert werden. Deren vorerst letzte war die Immovable Property Review Conference 2012 in Prag.

    Ein weiteres Kennzeichen der globalisierten Wiedergutmachung ist die starke Aufmerksamkeit, die auch regional begrenzte Mediendebatten über das Internet generieren können. Die so erzeugten Aufmerksamkeitsströme werden häufig durch transnationale Nichtregierungsorganisationen gelenkt und in die Politik vermittelt.

    Die Autoren konstatieren überdies eine zunehmende Verflechtung von rechtlich begründeten Entschädigungsansprüchen und der moralischen Verpflichtung, NS-Opfer finanziell zu unterstützen. So wurde bereits 1991 die Stiftung „Deutsch-Polnische Aussöhnung“ ins Leben gerufen, weitere Stiftungen folgten 1993 in Weißrussland, Russland und der Ukraine. Hinzu kam 1997 der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds. Eine neue Qualität erlangte die Wiedergutmachung zudem, als die rot-grüne Bundesregierung zur Jahrtausendwende zustimmte, die ehemaligen Zwangsarbeiter in den Kreis der entschädigungsberechtigten NS-Verfolgten aufzunehmen.

    Ein spannendes Kapitel des Buches behandelt die sudetendeutschen Wiedergutmachungsforderungen nach 1989. Aus ihren Siedlungsgebieten vertrieben und weitgehend ihres Besitzes beraubt, versuchte die Sudetendeutsche Landsmannschaft bis 1989 vergeblich, ihr „Recht auf Heimat“ einzufordern. Nach dem Ende des Kalten Krieges konnten Entschädigungsforderungen direkt an die tschechoslowakische Regierung gestellt werden. Kurioserweise ahmten die sudetendeutschen Interessenvertreter dabei zunehmend die Wiedergutmachungspolitik jüdischer Verfolgtenvertreter nach – vorrangig, weil sich diese als erfolgreich erwiesen hatte. Doch die Bemühungen der Sudetendeutschen schlugen letztlich fehl: Sie wurden – und werden – kollektiv als „unwürdige“ Opfer angesehen, eine Wiedergutmachung bleibt ihnen weitgehend verwehrt.

    Das Schlusskapitel des Buches dokumentiert eine Debatte, die deutsche und israelische Philosophen, Historiker und Rechtswissenschaftler im Oktober 2010 über das Für und Wider sowie über die Grenzen der Wiedergutmachung führten. Das Gespräch fasst die unterschiedlichen Facetten, Hemmnisse und Widersprüche der Wiedergutmachungsdebatte pointiert zusammen.

    Bibliographische Angaben:
    José Brunner, Constantin Goschler, Norbert Frei (Hg.): „Die Globalisierung der Wiedergutmachung. Politik, Moral, Moralpolitik“, Wallstein Verlag, Göttingen 2013, 355 Seiten, 39,90 Euro, ISBN: 978-3-8353-0981-4

    Kontakt:
    Prof. Dr. Norbert Frei
    Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Fürstengraben 13, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944450
    E-Mail: Jena.Center[at]uni-jena.de


    More information:

    http://www.uni-jena.de


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    Das Cover der neuen Publikation.
    Das Cover der neuen Publikation.

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    Der Historiker Prof. Dr. Norbert Frei von der Universität Jena.
    Der Historiker Prof. Dr. Norbert Frei von der Universität Jena.
    Foto: Peter Scheere/FSU
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    Criteria of this press release:
    Journalists
    History / archaeology
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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