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Wissenschaft
Der Arzt, Molekularbiologe und Bürgerrechtler Prof. em. Jens Reich wird am 26. März dieses Jahres 75 Jahre alt. Und er ist noch immer aktiv. Vor zehn Jahren am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch emeritiert, ist er dort heute als Ombudsmann tätig und damit Ansprechpartner für Forscherinnen und Forscher in Konfliktsituationen. Diese Funktion hatte er zuvor ab 2001 an der Charité – Universitätsmedizin inne. Weiter hat er einen Lehrauftrag für Bioethik an einer privaten amerikanischen Hochschule in Berlin.
„Wir schätzen uns stolz und glücklich eine Persönlichkeit wie Jens Reich am MDC zu haben. Seine Arbeit, sein Denken und seine Geradlinigkeit sind für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Vorbild. Er ist für uns von unschätzbarem Wert“, würdigte Prof. Walter Rosenthal, Vorstandsvorsitzender und wissenschaftlicher Stiftungsvorstand des MDC, den Gelehrten.
In den vergangenen Jahren hat sich Prof. Reich verstärkt mit philosophischen, soziologischen und religiösen Fragen der Bioethik auseinandergesetzt. 2001 hatte ihn das Bundeskabinett in den neugegründeten Nationalen Ethikrat berufen. 2005 erhielt er erneut eine Berufung in dieses Gremium, dieses Mal als stellvertretender Vorsitzender. 2008 berief ihn der Präsident des Deutschen Bundestages, Prof. Norbert Lammert, in den Deutschen Ethikrat, der den Nationalen Ethikrat ablöste und in dem er bis 2012 tätig war.
Seit 2002 hat Prof. Reich einen Lehrauftrag für Bioethik, zuerst am damaligen European College of Liberal Arts (ECLA) in Berlin-Buch, und seit 2012 am amerikanischen BARD-Berlin College, einer geisteswissenschaftlichen privaten und staatlich anerkannten Hochschule, die ECLA 2012 übernommen hat. Das BARD USA ist eine renommierte Universität mit Hauptsitz in Annandale-on-Hudson, New York. In der Außenstelle Berlin hält Prof. Reich zweimal in der Woche Vorlesungen auf Englisch.
Bis 2011 hatte Prof. Reich ein mehrjähriges Forschungsverbundprojekt am MDC zusammen mit einer Forschungsgruppe am European Molecular Biology Laboratory (EMBL), Heidelberg und der Universität Heidelberg koordiniert. Dabei ging es um die Systembiologie des menschlichen Eisenstoffwechsels und seiner krankmachenden Entgleisungen. Darüber hinaus hatte sich Prof. Reich viele Jahre auch mit Fragen der Bioinformatik befasst und hat mit großen Datensammlungen gearbeitet. Unter anderem fahndete er in Datenbanken nach Genen, die für den Cholesterinstoffwechsel von Bedeutung sind.
„Nicht über dem Job vergessen, dass noch andere Freiheiten gelebt werden müssen“
Blickt er auf die Wissenschaft, so wie sie heute betrieben wird, bereitet Prof. Reich vor allem die Situation junger Forscherinnen und Forscher Sorgen. „Ich beneide sie nicht um das Nomadendasein, zu dem die wettbewerbsorientierte, zeitlich zerhackte heutige Projektforschung die meisten zwingt. Sie sollen die Freiheit leben, von der wir, als wir jung waren (jedenfalls im Ostblock) nur träumen konnten. Die Zukunft der Gesellschaft wird in den nächsten Jahrzehnten wohl nicht so paradiesisch sein. Da ist es wichtig, dass man nicht über dem Springen von einem 24-Stunden-Job zum nächsten verlernt, dass noch andere Freiheiten gelebt werden müssen: andere Interessen, Freundschaften, Partnerschaft, Familie – je nach persönlicher Neigung und Talent.“
Über den Datensammlungen nicht das Experiment vernachlässigen
Was die Forschung selbst anbetrifft, da möchte er, „dessen aktive Jugendzeit in die romantische Phase der modernen Biologie fiel“, wie er sagt, keine Ratschläge geben, denn heute sei alles anders geworden. Er ist jedoch davon überzeugt, „dass bei aller notwendigen Vervollständigung von Datensammlungen das Spannendste immer noch das exakt konzipierte Experiment ist: Eine kühne Hypothese wird nach sehr gewissenhafter Vorbereitung einer Prüfung unterworfen, die so aufgebaut ist, dass die Natur nur „Ja“ oder „Nein“ antwortet. Es kann sein, dass einem im Leben nur eines oder wenige solcher entscheidenden Experimente gelingen, und es müssen auch keine Sensationen sein. Es kommt auf den intellektuellen Thrill an, so etwas erlebt zu haben. Ob ich so etwas erlebt habe? Vielleicht ein-, zweimal, aber ein bahnbrechendes Ergebnis ist nicht herausgekommen. Das trübt aber die Erinnerung nicht.“
Prof. Reich, 1939 in Göttingen geboren, arbeitet seit 1968 in Berlin-Buch. Von 1992 bis zu seiner Emeritierung 2004 war er Forschungsgruppenleiter in der medizinischen Genomforschung im MDC und von 1998 bis 2004 C4-Professor für Bioinformatik an der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin. In den achtziger Jahren setzte sich Prof. Reich maßgeblich für die Bürgerrechtsbewegung in der DDR ein und war 1989/90 Mitbegründer des „Neuen Forums“.
Für sein wissenschaftliches und gesellschaftspolitisches Engagement wurde Prof. Reich mehrfach geehrt. 1991 erhielt er zusammen mit anderen DDR-Bürgerrechtlern, darunter dem heutigen Bundespräsidenten Joachim Gauck, den Theodor-Heuss-Preis. 1993 wurde ihm der erstmals vergebene Anna-Krüger-Preis verliehen, mit dem er für seine gute und verständliche Wissenschaftssprache ausgezeichnet wurde. 1994 bewarb er sich als unabhängiger Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten.
Für seine „herausragenden und vielfältigen Beiträge in Wort und Schrift zu den Entwicklungen in der Genforschung“ wurde Prof. Reich 1996 die Lorenz-Oken-Medaille der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte verliehen, 1998 die Urania-Medaille der gleichnamigen Berliner Gesellschaft für wissenschaftliche Bildung. Im Jahre 2000 erhielt er den Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung. 2009 ehrten ihn die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen sowie seinen persönlichen und politischen Mut mit dem zum ersten Mal vergebenen Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis. Im gleichen Jahr verlieh ihm dafür die Stadt Marbach den Schillerpreis.
Prof. Reich hat über 70 wissenschaftliche Publikationen und darüber hinaus zahlreiche Essays über die Genforschung in der Publikumspresse verfasst. Weiter hat er zahlreiche Bücher geschrieben, darunter „Rückkehr nach Europa“ (1991), „Abschied von den Lebenslügen“ (1992) und „Es wird ein Mensch gemacht – Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnik“ (2003) sowie zusammen mit Reinhard Renneberg und Manfred Bofinger (Illustrator) „Liebling, Du hast die Katze geklont! Biotechnologie im Alltag“ (2004).
Prof. Reich ist seit 1962 mit der Ärztin Dr. Eva Reich verheiratet und hat zwei Töchter und einen Sohn sowie zahlreiche Enkelkinder.
Kontakt:
Barbara Bachtler
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10
13125 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 94 06 - 38 96
Fax: +49 (0) 30 94 06 - 38 33
e-mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/
Prof. Jens Reich
(Photo: David Ausserhofer/ Copyright: MDC)
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Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Biology, Medicine
transregional, national
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German
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