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Wissenschaft
Keine Aussichten, kein Interesse, keine Zeit?
Institut Arbeit und Technik untersuchte Weiterbildungsmoeglichkeiten von an- und ungelernten Beschaeftigten im Betrieb
Wer keinen Berufsabschluss hat, traegt auf dem Arbeitsmarkt die groessten Risiken. Gibt es eine "zweite Chance" fuer an- und ungelernte Beschaeftigte, sich im Betrieb weiterzubilden? Die innerbetriebliche Weiterbildungsplanung ist meist ungenuegend, weil die Personaleinsatzkonzepte hauptsaechlich auf qualifizierte Beschaeftigte zielen, gewerblich-technische Inhalte kaum angeboten werden und die Nichtqualifizierten selbst kaum Interesse an Weiterbildung haben, weil ihnen der Nutzen im Vergleich zum Aufwand zu hoch erscheint. Gerade auch um zu verhindern, dass ein groesserer Teil der Jugendlichen ohne abgeschlossene Ausbildung in das Erwerbsleben eintritt, muessen die praeventiven Ansaetze in der Benachteiligtenfoerderung systematisch ausgebaut werden, so die Arbeitsmarktforscherinnen Doris Beer und Dr. Alexandra Wagner vom Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen).
Das IAT beschaeftigt sich seit 1996 im Rahmen eines europaeischen Forschungs- und Entwicklungsprojekts mit Fragen der innerbetrieblichen Weiterbildung un- und angelernter Arbeitnehmer. Im Jahr 1995 waren in Deutschland etwa 5,9 Millionen ArbeitnehmerInnen als Un- oder Angelernte taetig, darunter 4,8 Millionen Arbeiter und 1,1 Millionen Angestellte. Bei den Arbeitern besitzen rund ein Drittel der Maenner und fast drei Viertel der Frauen keinen beruflichen Abschluss. Die groessten Arbeitgeber fuer Nichtqualifizierte sind die oeffentlichen Koerperschaften und der Handel, gefolgt vom Baugewerbe, der Eisen- und Stahlindustrie, Nachrichten und Verkehr sowie sonstigen Dienstleistungen.
Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung gehoeren zu den Problemgruppen des Arbeitsmarktes. Sie stellen nur etwa ein Viertel der sozialversichungspflichtig Beschaeftigten, aber fast die Haelfte aller Arbeitslosen.1994 erreichte die Arbeitslosenquote der Ungelernten in Westdeutschland 19,3 Prozent und lag damit mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosenquote. Zudem sind Un- und Angelernte im Laufe ihres Lebens haeufiger und oft fuer laengere Zeit arbeitslos im Vergleich zu Qualifizierten. "Fuer die Zukunft ist zu befuerchten, dass sich ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt weiter verschlechtern," so die IAT-Wissenschaftlerinnen. Prognosen besagen, dass die Zahl der Arbeitsplaetze fuer gering Qualifizierte von 9 Millionen im Jahr 1991 auf nur noch 2,75 Millionen im Jahr 2010 sinken wird. Von dem erwarteten Zuwachs an anspruchsvolleren Arbeitsplaetzen werden Un- und Angelernte wenig haben, insbesondere dann, wenn sie infolge der fehlenden Basisausbildung zusaetzlich auch von Weiterbildung ausgeschlossen sind.
Die Fortbildungs- und Umschulungsmassnahmen der Arbeitsaemter sind das wichtigste und umfangreichste Angebot fuer Unqualifizierte auf dem Weiterbildungsmarkt. Ein Problem sind allerdings die Zugangsvoraussetzungen: Einen Abschluss kann nur nachholen, wer vorher arbeitslos ist. Ausserdem ist der Zeitrahmen meist zu kurz, die Lernmethoden sind fuer lernungewohnte Personen wenig geeignet und praktische Arbeit wird in der Regel nicht einbezogen. An beruflicher Weiterbildung, die von Betrieben organisiert wird, nehmen nach amtlichen Schaetzungen nur etwa 7 Prozent der Ungelernten teil. Dagegen liegen die Teilnahmequoten bei gelernten Kraeften im Schnitt bei 26 Prozent, bei Fuehrungskraeften gar bei 42 Prozent. Ein Grund dafuer koennte die Struktur des Qualifizierungsangebotes sein, das sich zu zwei Dritteln mit kaufmaennischen, personalwirtschaftlichen und EDV-Themen vorrangig an Angestellte wendet. Gewerblich-technische Inhalte machen nur etwa 17 Prozent der von Betrieben organisierten Weiterbildung aus.
Die Weiterbildungsplanung vieler Betriebe ist ungenuegend, stellen die IAT-Wissenschaftlerinnen fest. Auf die Moeglichkeiten von Qualifizierung der Beschaeftigten besinnt man sich oft erst, wenn Schwierigkeiten auftauchen, z.B. gelernte Kraefte auf dem Arbeitsmarkt nicht aufzutreiben sind. Paradoxerweise koennen sich strukturelle Krisen bis hin zu Betriebsschliessungen sogar guenstig auf die Weiterbildungsmoeglichkeiten ungelernter Beschaeftigter auswirken: Oft wird das Management in Betrieben erst durch eine Krise "wach" und sucht aktiv nach Moeglichkeiten, die Qualifikation der Beschaeftigten zu verbessern. In diesem Sinne beguenstigt auch das reformierte Arbeitsfoerderungsgesetz inzwischen "aktive Sozialplaene", die statt Abfindungen die Mittel zur Qualifizierung und Mobilitaetsfoerderung der Mitarbeiter verwenden.
Insgesamt bleiben die Chancen dafuer, dass Nichtqualifizierte ueber berufliche Weiterbildung einen Berufsabschluss nachholen, weiter gering. Die Wissenschaftlerinnen plaedieren deshalb dafuer, bereits im Vorfeld geeignete Massnahmen zu ergreifen - bevor Jugendliche ohne Abschluss den Start ins Berufsleben wagen muessen. Dazu sind ausreichend qualitativ gute Lehrstellen, funktionierende uebernahmemechanismen nach der Ausbildung und ein Foerderangebot fuer diejenigen, die wegen persoenlicher Notlagen oder Lernschwierigkeiten ihre Ausbildung sonst abbrechen wuerden, noetig.
Tabelle 1: Arbeiter und Angestellte nach Qualifikation und Geschlecht Bundesrepublik Deutschland 1995
Maenner Frauen Insgesamt
Arbeiter
Un- und angelernte Arbeiter 2.725.000 2.042.000 4.767.000
Fach- und Vorarbeiter 4.992.000 712.000 5.704.000
Meister, Polier 293.000 32.000 325.000
insgesamt 8.010.000 2.786.000 10.796.000
Angestellte
Angestellte ohne Ausbildung 301.000 798.000 1.099.000
Industrie- und Werkmeister 409.000 8.000 417.000
Qualifizierte Angestellte 2.789.000 6.559.000 9.348.000
Hochqualifizierte Angestellte 3.070.000 1.182.000 4.252.000
insgesamt 6.569.000 8.547.000 15.116.000
Arbeiter und Angestellte
ohne Ausbildung 3.026.000 2.840.000 5.866.000
insgesamt 14.579.000 11.333.000 25.912.000
Quelle: SOEP 1995 (c) IAT 1997
Fuer weitere Fragen steht Ihnen zur Verfuegung: Doris Beer Durchwahl: 1707-248 und Dr. Alexandra Wagner Durchwahl: 1707-143
Criteria of this press release:
Economics / business administration
transregional, national
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German
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