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02/13/2003 16:20

Irak: Es gibt Alternativen zum Krieg!

Susanne Heinke Public Relations
Bonn International Center for Conversion (BICC)

    Die internationale Diskussion um die Abrüstungsverpflichtungen des Irak spitzt sich derzeit auf zwei Alternativen zu: Krieg oder Fortsetzung der Inspektionen wie gehabt. Ein Krieg wäre nach gegenwärtigem Sachstand völkerrechtswidrig. Doch auch eine Fortsetzung der Inspektionen, einschließlich des damit verbundenen Wirtschaftsembargos, ist auf Dauer keine gute Lösung. Zu befürchten ist ein ewiges "Katz-und-Maus-Spiel" mit der irakischen Führung, unter dem vor allem die irakische Bevölkerung leidet.

    Experten des Internationalen Konversionszentrums Bonn (BICC) sind jedoch überzeugt: es bestehen durchaus weitergehende Handlungsmöglichkeiten für die Vereinten Nationen, mit denen ein Krieg vermieden werden könnte. Spielräume versprechen die Resolution 1441, neu gefasste konkrete Kontrollmaßnahmen sowie weitgehende Abrüstungsschritte in Verbindung mit einer Lockerung der bisherigen Sanktionen.

    Die Ergebnisse der bisherigen Arbeit der Inspekteure der UNMOVIC im Irak werden im Sicherheitsrat immer unterschiedlicher interpretiert. Während sich die US-Regierung zunehmend in ihrer Position bestätigt sieht, dass die irakische Regierung unter Saddam Hussein den Verpflichtungen aus der VN-Resolution 1441 nicht nachgekommen ist, schlägt eine Reihe von Staaten, darunter die Bundesregierung, eine Verlängerung und Intensivierung der Überprüfungen vor. "Weder für die eine noch für die andere Position ist momentan in den Vereinten Nationen ein Konsens sichtbar. Die Vereinten Nationen drohen über diesem Streit selbst in eine tiefe Krise zu geraten," bewertet Dr. Michael Brzoska, Leiter der Forschungsabteilung des BICC, die verfahrene Situation.

    Die Chefs der Inspekteure im Irak, Hans Blix und Mohamed El-Baradei, haben bisher erfolgreich versucht, sich zwischen diesen verhärteten Positionen zu bewegen. Blix hat wiederholt die Defizite der irakischen Erklärungen und praktischen Zusammenarbeit betont. Gleichzeitig bleibt er dabei, dass schwerwiegende Verstöße des Iraks gegen seine Abrüstungsverpflichtungen nicht festgestellt wurden. El-Baradei fordert, seinen Inspekteuren mehr Zeit zu geben, um einigen Unklarheiten weiter nachzugehen.

    Das Dilemma der Waffenkontrolle: Ein Rest an Unsicherheit droht zu bleiben

    Das vorsichtige Abwägen der Inspekteure hilft, das Vertrauen aller Regierungen im Sicherheitsrat in die Unabhängigkeit der Inspekteure zu erhalten. Dennoch existiert ein reales Dilemma: die Inspekteure werden auf Monate, möglicherweise Jahre, hinaus nicht garantieren können, dass der Irak keine Massenvernichtungswaffen hat. Diese Aussage gilt selbst dann, wenn die irakische Regierung allen Forderungen der Inspekteure zur Zusammenarbeit nachkommt. Ein im Zeitlauf immer kleiner werdender Rest an Unsicherheit wird bleiben. Denn die Inspekteure können kritische Aktivitäten und Orte nur Stück für Stück kontrollieren. In einigen Bereichen lassen sich zugelassene und verbotene Aktivitäten nur schwer unterscheiden, und es müssen ständige Überwachungsmaßnahmen eingerichtet werden. Schließlich geht es bei einigen der ungeklärten Fragen, so zum Verbleib von mit chemischen Kampfstoffen gefüllten Bomben oder die mögliche Herstellung von größeren Mengen von Anthrax, um Vorgänge, die viele Jahre zurück liegen und zu denen schriftliche Unterlagen nicht oder nur unvollständig vorliegen. Solche Fragen müssen mühsam über Zeugenaussagen rekonstruiert werden.

    Irakische Aktivitäten in der Grauzone

    Zu den Grauzonen zwischen verbotenen und dem Irak erlaubten Aktivitäten gehören insbesondere
    -die Herstellung einer Reihe von Chemikalien, die sowohl als Grundstoffe für die chemische Industrie als auch für Chemiewaffen nutzbar sind,
    -die Verwendung von Nährlösungen für das Züchten von Bakterien und Viren und
    -der Bau von Raketen. Der Irak darf Raketen mit einer Reichweite bis zu 150 km besitzen und herstellen, Raketen mit größerer Reichweite jedoch nicht. Die Reichweite von Raketen ist jedoch eine variable Größe, abhängig unter anderem von der Nutzlast.

    Soweit die Inspekteure keinen Beweis für einen schwerwiegenden Verstoß des Iraks gegen die Auflagen des Sicherheitsrates finden, werden die Ergebnisse ihrer Arbeit noch sehr lange interpretierbar bleiben. Aktivitäten im Grauzonenbereich werden niemals abschließend überprüft werden können. Die ungeklärten Altfälle werden je nach Haltung zur irakischen Führung als ungeklärt oder abgeschlossen angesehen werden.

    Ohne "smoking gun" wäre ein Krieg gegen den Irak ein Verstoß gegen das Völkerrecht, das militärische Maßnahmen nur bei einer Gefährdung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit erlaubt, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Militärische Aktionen wären nur dann völkerrechtskonform, wenn der Irak eine solche Gefahr darstellt. In diesem Fall müssten sie in einer erneuten Resolution des Sicherheitsrates beschlossen werden.

    Doch es ist auch eine problematische Alternative, die Inspektionen solange fortzusetzen und möglicherweise zu intensivieren, bis ausreichend Vertrauen in regelkonformes Verhalten des Irak erzeugt worden ist. Zum einen ist mehr als fraglich, ob die gegenwärtige US-amerikanische Regierung sich je darauf einlassen wird. Zum anderen ist aber auch dem irakischen Volk nicht zuzumuten, noch über längere Zeiträume, möglicherweise Jahre, unter dem mit den Inspektionen verbundenen Wirtschaftsembargo zu leiden.

    Resolution 1441 und neu definierte Kontrollmaßnahmen bieten Handlungsmöglichkeiten

    In dieser Situation bietet die Resolution 1441, die dem Irak bei Verstößen gegen die Auflagen zur Abrüstung "ernsthafte Konsequenzen" androht, Spielräume für neue Ansätze. Der Umfang der "ernsthaften Konsequenzen" kann dem Ausmaß der Verstöße und den Unklarheiten angepasst werden. Die in den letzten Tagen ins Spiel gebrachte, im letzten Herbst von einer Reihe US-amerikanischer Institutionen vorgeschlagenen "robusten" Sanktionen sind ein Ansatz, der allerdings angesichts der Verhärtung der US-amerikanischen Position im Sicherheitsrat nicht mehr ausreicht.

    Weitergehende Kontrollmechanismen gegenüber dem Irak könnten sein:
    -Das Verbot des Besitzes von Raketen mit geringerer Reichweite, da die Frage der Reichweite von Raketen stets ein Problem bleibt,
    -die Zerstörung dieser Raketen unter Überwachung durch UNMOVIC,
    -das Produktionsverbot für bestimmte Chemikalien und
    -die Versorgung mit bestimmten Chemikalien nur durch überwachte Importe.

    Eine radikale Alternative: weitgehende Abrüstungs-verpflichtungen gegen Lockerung der Sanktionen

    Als radikale Alternative bietet sich eine weitgehende Abrüstungsverpflichtung für den Irak an. Diese könnte darin bestehen, dass dem Irak der Besitz sämtlicher Trägersysteme für möglicherweise vorhandene Massenvernichtungswaffen untersagt wird. Zu solchen Trägersystemen zählen neben Raketen auch alle Flugzeuge, die Bomben tragen können und weitreichende Artillerie. Sämtliche vorhandenen Systeme wären unter Aufsicht der UNMOVIC zu vernichten. Die UNMOVIC müsste auch die Einhaltung dieser Verpflichtung überwachen. Zur Verteidigung blieben dem Irak dann vor allem gepanzerte Fahrzeuge. Ohne Trägersysteme könnte der Irak, selbst wenn er noch über Massenvernichtungswaffen verfügt, diese nur sehr beschränkt einsetzen.

    Parallel zu dieser Abrüstung könnten die Sanktionen insoweit gelockert werden, dass statt eines allgemeinen Wirtschaftsembargos nur noch ein Waffenembargo, einschließlich relevanter Grauzonentechnologien, bestünde. Damit würden auch bei länger dauernder Tätigkeit der UNMOVIC die Auswirkungen auf die Bevölkerung nicht so gravierend sein, wie sie es in der Vergangenheit waren.

    Andere Alternativen zum Krieg sind denkbar, aber bisher nur in Ansätzen auf ihre Vorbedingungen und Konsequenzen hin untersucht worden. Ein Bereich, über den auch im BICC intensiver nachgedacht worden ist, sind weitere zielgerichtete Sanktionen, um eine Wiederaufrüstung des Irak zu verhindern, ohne der Bevölkerung in dem Maße zu schaden, wie es das bisherige Wirtschaftsembargo tut.

    "Es ist unklar, ob solche Alternativen im Sicherheitsrat, insbesondere angesichts der harten Haltung der US-Regierung eine Chance hätten. Auch der Irak müsste zustimmen. Aber angesichts der momentan wahrscheinlichsten Alternative, einem Krieg, wäre ein Ausloten solcher Möglichkeiten eine Aufgabe derer sich zum Beispiel der Generalsekretär der Vereinten Nationen annehmen könnte," lautet das Fazit von Michael Brzoska.

    Weitere Informationen:
    Susanne Heinke-Mikaeilian
    Tel.: 0228/911 96-44
    E-Mail: pr@bicc.de


    More information:

    http://www.bicc.de


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    Criteria of this press release:
    Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Science policy
    German


     

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