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Billigloehne fuer mehr Arbeitsplaetze? - IAT-Vizepraesident Prof. Dr. Gerhard Bosch: Bei zunehmender Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt bleiben die Armen arm -
Die wirtschaftsliberalen Rezepte, nach denen Billigloehne mehr Beschaeftigung schaffen sollen, haben in der Praxis versagt. Niedriglohnjobs erleichtern auch keineswegs den Einstieg in besser bezahlte Taetigkeiten. Vielmehr zeigt sich, dass in Laendern mit deregulierten Arbeitsmaerkten und grossen Einkommensdifferenzen die Armen meist arm bleiben - und die Gefahr, arm zu werden, erhoeht sich mit wachsender sozialer Ungleichheit. Zu diesen Ergebnissen kommt der Gelsenkirchener Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepraesident des Instituts Arbeit und Technik (IAT), in der Auswertung aktueller, international vergleichender Daten der OECD ueber Einkommensverteilung, Beschaeftigung und Arbeitslosigkeit.
Nach den OECD-Daten hat die Deregulierung des Arbeitsmarktes beispielsweise in Grossbritannien und den USA zu grossen Ungleichheiten in der Einkommensverteilung gefuehrt, waehrend in Deutschland, Belgien und Norwegen mit Tarifvertraegen, Mindestlohnregelungen und einem ausgebauten Sozialstaat in den letzten zehn Jahren die Einkommensungleichheit weiter verringert wurde. In den USA verdienten 1995 die obersten 10 Prozent in der Einkommenshierarchie der Maenner 4,4 mal soviel wie die untersten 10 Prozent, 1979 waren es erst 3,2 mal soviel. In Grossbritannien ist diese Relation von 2,5:1 in den 70er Jahren auf 3,3:1 1995 angestiegen. In Deutschland dagegen sank die Relation der Einkommen der oberen 10 Prozent zu den unteren 10 Prozent von 2,4 :1 (1979) auf unter 2,3:1 heute. Dass die Absenkung der unteren Einkommen zu mehr Beschaeftigung fuehren koennte, belegen die Zahlen keineswegs. In den USA wurden vor allem in den oberen Einkommenssegmenten zusaetzliche Arbeitsplaetze geschaffen. Und die duerftige britische Beschaeftigungsbilanz laesst sich kaum als Beleg fuer die Vorteile von mehr Ungleichheit heranziehen.
Zunehmende Lohndifferenzierung erleichtert auch nicht den Einstieg in besser bezahlte Taetigkeiten, wie oft behauptet. Beim Vergleich der Einkommensmobilitaet - dem Auf- oder Abstieg in der Einkommenshierarchie eines Landes -, waren in Deutschland von den 1986 Niedrigverdienenden 26 Prozent auch sechs Jahre spaeter noch in dieser Einkommensklasse. In Grossbritannien lag die entsprechende Quote bei 39 Prozent und in den USA sogar bei 55,8 Prozent. "Mit zunehmender Armut erhoeht sich also die Wahrscheinlichkeit, arm zu bleiben. Daran aendert auch der eine oder andere ehemalige Tellerwaescher in der Vorstandsetage eines Unternehmens wenig", so Prof. Dr. Gerhard Bosch.
Waehrend die Arbeitsmaerkte in den USA und in Grossbritannien nach oben hin weniger durchlaessig als der deutsche sind, ist deren Abwaertsmobilitaet deutlicher ausgepraegt. Unter den 1991 gering Verdienenden hatten in den USA 1986 noch 12,3 Prozent mehr als 95 Prozent des mittleren Einkommens verdient, in Grossbritannien 11,6 Prozent und in Deutschland 5,4 Prozent. "Mit wachsender sozialer Ungleichheit erhoeht sich also nicht nur die Gefahr arm zu bleiben, sondern auch die, arm zu werden", so Prof. Bosch.
Dass mehr Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt nicht zu den von wirtschaftsliberaler Seite prognostizierten Effekten fuehrt, sieht Bosch zum einen darin begruendet, dass die Dynamik der Arbeitsmaekte nicht in Rechnung gestellt wird. Bei sinkenden Loehnen sinken auch Motivation und Arbeitsbereitschaft der Beschaeftigten, die Unternehmen wiederum reduzieren ihre Investitionen in Aus- und Weiterbildung, so dass die Produktivitaet zurueckgeht. Im Ergebnis wird es fuer die Unternehmen nicht rentabler, mehr unqualifizierte Arbeitskraefte zu beschaeftigen.
Zum anderen wird das Beschaeftigungsniveau ganz wesentlich durch makrooekonomische Faktoren wie Zinsniveau, Waehrungsrelationen und Fiskalpolitik bestimmt, wie sich auch beim Vergleich der Entwicklungen in den USA und Grossbritannien gegenueber Deutschland zeigt. Dass der Beschaeftigungszuwachs in den USA aber groesser als in England ausgefallen ist, liegt an der ungleich groesseren Innovationsdynamik in den USA. Die USA gaben 1994 bei einer ungefaehr dreimal so grossen Bevoelkerung rund fuenfmal soviel fuer Forschung und Entwicklung aus wie Deutschland und haben hier auch oft unterstuetzt durch staatliche Nachfrage Leitmaerkte in wichtigen Innovationsfeldern aufgebaut.
Fuer weitere Fragen steht Ihnen zur Verfuegung: Prof. Dr. Gerhard Bosch Durchwahl: 1707-147 Pressereferentin Claudia Braczko
Criteria of this press release:
Economics / business administration, Law, Politics, Social studies
transregional, national
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