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Lösung für Phosphatmangel: Agrartechnologin der Universität Hohenheim gewinnt Qualitätsdünger aus Klärschlamm durch Hitze, Druck und Säure
Knapp zwei Millionen Tonnen trockener Klärschlamm: diese Mengen des Abfallprodukts werden in Deutschland allein aus kommunalen Kläranlagen jährlich entsorgt. Denn obwohl er viel lebensnotwendiges Phosphat enthält, ist er als Dünger unbrauchbar und hygienisch bedenklich. Mit einer neuen Methode kann die Agrartechnologin Prof. Dr. Andrea Kruse der Universität Hohenheim den Kläranlagen-Abfall nutzbar machen: günstig und schadstofffrei. Gleichzeitig ist die Landwirtschaft dringend auf neue Phosphorquellen angewiesen: Die großen Phosphat-Minen sind zunehmend erschöpft oder belastet.
Die Flüssigkeit ist braun, schaumig und schlammig. Portionsweise füllt Prof. Dr. Kruse den Klärschlamm in einen backsteingroßen Stahlzylinder in ihrem Labor. Der sogenannte Autoklav wird fest verschlossen und dann auf über 200 Grad erhitzt.
Nach 120 Minuten ist aus dem Schlamm eine Biokohle geworden. Immer noch unbrauchbar als Dünger, versetzt die Agrartechnologin die kleinen braunen Kohlebrocken mit Säure, kocht das Ganze und trennt die Kohle ab. Anschließend gibt sie ein Magnesiumsalz hinzu und trennt das Wasser ab. Die Agrartechnologin schüttet ein weißes, leicht körniges Pulver aus dem Kolben, gerade mal eine Handvoll: Magnesiumammoniumphosphat, auch Struvit genannt.
Klärschlamm ist als Dünger unbrauchbar
„Man kann das Struvit so wie es jetzt ist, sofort als Dünger auf dem Feld verwenden“, erklärt die Agrartechnologin. Gewonnen hat sie das Struvit nicht etwa aus Mineralien aus den Bergwerken in den USA, Marokko oder China, den Hauptwerken für Phosphat. Dieses Struvit stammt von einem Abfallprodukt: Klärschlamm.
„Der Klärschlamm an sich ist als Dünger unbrauchbar“, sagt die Expertin der Universität Hohenheim. „Zwar kann man ihn unbehandelt auf die Felder geben. Aber aus hygienischer Sicht und den enthaltenden Schwermetallen ist das nicht zu empfehlen, auch wenn er viel Phosphat enthält. Um dieses Phosphat aber trotzdem nutzen zu können, verwenden wir den Prozess der hydrothermalen Karbonisierung, kurz HTC.“
Ein weiterer Grund auf Klärschlamm zu setzen: „Die Mineralwerke in China, den USA und Marokko sind mittlerweile so ausgeschöpft, dass immer tiefer gebohrt werden muss. Je tiefer aber gebohrt wird, desto mehr Schwermetalle wie Uran sind im Phosphat angereichert, ehe es als Dünger auf die Felder gestreut wird. Wir brauchen andere Phosphat-Quellen wie den Klärschlamm.“
HTC als günstige Alternative zur derzeit praktizierten Klärschlamm-Verbrennung
Der große Vorteil des Verfahrens: Es trennt das wertvolle Phosphat von den giftigen Schwermetallen.
Über 80 Prozent des Phosphats aus dem Klärschlamm bleiben erhalten. Die Schwermetalle bleiben jedoch in der Kohle zurück und kommen so nicht auf das Feld. Zwar seien ein paar mehr Schritte notwendig, so Gero Becker, Doktorand von Prof. Dr. Kruse. „Letzten Endes lohnen sich diese Extraschritte aber mehr, als wenn man den Klärschlamm einfach so verbrennt, wie es bislang der Fall war.“
Beim Verbrennen von Klärschlamm habe man das Phosphat in Ascheform vorliegen, meint die Agrartechnologin weiter. Das Problem dabei: Pflanzen können die Asche nicht aufnehmen. Erst, wenn man sie aufwendig aufarbeitet, viel Säure hinzugibt, kann das gewonnene Phosphat als Dünger verwendet werden. „Das ist sehr viel Aufwand und sehr teuer.“
Teuer ist es vor allem, weil hierfür eine sogenannte Mono-Verbrennung notwendig ist. Der Klärschlamm wird mit Brennmaterial versetzt alleine und nicht zusammen mit anderem Müll verbrannt, damit der Phosphat-Gehalt der Asche möglichst hoch ist.
Uran-belasteter Dünger aus China, Marokko und den USA
Außerdem kann es bei zu hohen Temperaturen der Verbrennung passieren, dass man keine Asche, sondern eine glasähnliche Substanz erhält. Auch diese könne von den Pflanzen nicht aufgenommen werden.
„Die Temperaturen bei der HTC sind viel niedriger. Der Struvit-Dünger, den man daraus erhält, ist dem Phosphat in Pflanzen ähnlicher und kann dadurch wiederrum sehr gut von ihnen aufgenommen werden. Außerdem bleiben Schwermetalle aus dem Klärschlamm in der Kohle und landen nicht im Dünger.“
Mit der HTC könnte der wertvolle Phosphat-Dünger aus einem Abfallprodukt gewonnen werden. Die übrig gebliebene HTC-Kohle hat einen höheren Heizwert und ist besser entwässerbar, was sie zu einem hochwertigeren Brennmaterial macht als normaler Klärschlamm. Eine kostengünstige Alternative, die notwendig ist, so Prof. Dr. Kruse.
Bioökonomie bietet Alternativen
Das Projekt von Prof. Dr. Kruse ist eine Kooperation mit dem Schweizer Biotechnologie-Unternehmen AVA-CO2. Zurzeit werden in ihrem Labor in der Universität Hohenheim noch kleine Dünger-Mengen hergestellt, um das Verfahren zu optimieren. Später soll auch eine Produktion in großen Mengen möglich sein. Ganz im Sinne der Bioökonomie, dem Schwerpunkt in Forschung und Lehre der Universität Hohenheim, betont die Agrartechnologin.
„Nahrungs- und Futtermittel, Energie, Chemikalien, Kunststoffe oder eben Dünger aus Abfällen und erneuerbaren Rohstoffen ist ein wichtiges Thema an der Universität Hohenheim. Um die Bioökonomie zu etablieren, müssen wir immer weiter forschen, Alternativen anbieten und so hoffentlich einen Wandel in der Wirtschaft und Gesellschaft erreichen.“
Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Andrea Kruse, Universität Hohenheim, Fg. Konversionstechnologie und Systembewertung nachwachsender Rohstoffe
Tel.: 0711/459-24700, E-Mail: Andrea_Kruse@uni-hohenheim.de
Text: C. Schmid / Klebs
Criteria of this press release:
Journalists
Biology, Energy, Environment / ecology, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research projects, Research results
German
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