idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
03/07/2016 17:00

Ab wann und wie wird eine Virus-Infektion chronisch? Studie weist Weg zu neuen Therapieansätzen

Christoph Wanko Unternehmenskommunikation und Marketing
Uniklinik Köln

    Die meisten Viruserkrankungen verlaufen akut, gefolgt von einer vollständigen Genesung und der einmal Erkrankte ist dauerhaft gegen eine erneute Infektion mit demselben Virus geschützt. Manche Viren jedoch – wie auch das HI-Virus – verursachen chronische Infektionen. Bei den Betroffenen reicht die Immunantwort nicht aus, um das Virus dauerhaft zu eliminieren. In der vorliegenden Studie haben Wissenschaftler der Unikliniken Köln und Bonn einen Immunfaktor identifiziert, der dafür eine Mitverantwortung trägt. Ihre Ergebnisse wurden heute (7. März 2016) in der in der renommierten Fachzeitschrift Nature Immunology veröffentlicht.

    Ab wann und wie wird eine Virus-Infektion chronisch?
    Köln-Bonner Studie weist Weg zu neuen Therapieansätzen

    Die meisten Viruserkrankungen verlaufen akut, gefolgt von einer vollständigen Genesung und der einmal Erkrankte ist dauerhaft gegen eine erneute Infektion mit demselben Virus geschützt. Manche Viren jedoch – wie auch das HI-Virus – verursachen chronische Infektionen. Bei den Betroffenen reicht die Immunantwort nicht aus, um das Virus dauerhaft zu eliminieren. In der vorliegenden Studie haben Wissenschaftler der Unikliniken Köln und Bonn einen Immunfaktor identifiziert, der dafür eine Mitverantwortung trägt. Ihre Ergebnisse wurden heute (7. März 2016) in der in der renommierten Fachzeitschrift Nature Immunology veröffentlicht.

    Das HI-Virus ist ein typischer Erreger für eine chronische Infektion, die unbehandelt zur Immunschwächeerkrankung AIDS führt. Dabei attackiert das Virus gezielt die sogenannten T-Helferzellen des Immunsystems, mit der Folge, dass die Immunantwort nicht ausreicht, um den Erreger wieder loszuwerden.

    Viele T-Helferzellen werden jedoch gar nicht von dem Virus befallen. Dennoch ist ihre Funktion bei einer HIV-Infektion gestört. „Das zeigt sich nicht nur in immunfunktionellen Untersuchungen der T-Zellen im Labor, sondern auch in der klinischen Beobachtung HIV-infizierter Personen. Oft zeigen unsere Patienten, trotz normaler T-Helferzellzahl eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen oder Tumorerkrankungen“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Pia Hartmann, Infektiologin in der Klinik I für Innere Medizin der Uniklinik Köln.

    Normalerweise schütten T-Helferzellen bei einer Infektion Entzündungs-Botenstoffe aus. So kommunizieren sie mit anderen Zellen des Immunsystems, wie den T-Killerzellen (das sind die körpereigenen Abwehrtruppen), die sie zur Kampfbereitschaft aktivieren und an den Ort des Geschehens locken. Bei der HIV-Infektion und anderen chronischen Infektionen bleiben die T-Helferzellen dagegen stumm. Doch woran liegt das?

    „Um diese Frage zu beantworten, identifizierten wir zunächst HIV-infizierte Patienten, die auf der Oberfläche der T-Helferzelle sogenannte Checkpoint Moleküle (PD-1 und CTLA-4) tragen. Über diese werden Signalwege aktiviert, die eine ausreichende T-Zell Antwort unterbinden. Die Checkpointmoleküle sind bisher vor allem im Kontext der Immunantwort auf Tumorzellen untersucht worden“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Jens Chemnitz, Hämatoonkologe in der Klinik I für Innere Medizin. Anschließend wurde untersucht, welche Gene in diesen stummen Helferzellen der HIV-Patienten aktiv sind. Ergebnis: Bei einer chronischen HIV-Infektion wird die Immunfunktion der T-Helferzellen durch eine Vielzahl von Signalen unterbunden. Die unterschiedlichen Signalwege wiederum werden augenscheinlich durch ein einzelnes Molekül gesteuert – den so genannten Tumornekrosefaktor (TNF).

    Dass dieser Faktor tatsächlich für die schwache Immunantwort verantwortlich zu sein scheint, wurde durch die Bonner Kollegen schließlich im Tiermodell bewiesen. Sie haben bei Mäusen, die an einer der HIV-Infektion ähnlichen chronischen Virusinfektion litten, das TNF-Molekül inaktiviert. Die T-Helferzellen arbeiteten daraufhin wieder normal. Nach zehn Tagen hatten die Tiere das Virus komplett eliminiert: sie waren wieder gesund.

    Paradoxerweise hat der Tumornekrosefaktor bei akuten Virus-Infektionen einen überwiegend positiven Effekt: Er aktiviert das Immunsystem und sorgt dafür, dass Virus-befallene Zellen absterben. Bei einer akuten Infektion werden sehr schnell große Mengen an TNF freigesetzt, deren Spiegel allerdings auch schnell wieder abfallen. Bei chronischen Infektionen schüttet der Körper dagegen über lange Zeit geringe Mengen TNF aus. Das scheint dazu zu führen, dass sich die T-Helferzelle gewissermaßen abschaltet.

    Die Forscher vermuten, dass es sich dabei um einen Schutzmechanismus handelt. Eine dauerhafte starke Immunreaktion kann nämlich auch gesundes Körpergewebe zerstören – mit lebensbedrohlichen Folgen. Die gedrosselte TNF-Ausschüttung kann das möglicherweise verhindern.

    Die Ergebnisse eröffnen mittelfristig möglicherweise neue Therapie-Optionen. So gibt es Medikamente, welche die Wirkung von TNF unterbinden. Diese TNF-Blocker kommen beispielsweise bei der Therapie von Autoimmunkrankheiten wie Rheuma zum Einsatz. Sie sollen verhindern, dass Abwehrzellen den eigenen Körper attackieren. Ob TNF-Inhibition tatsächlich auch bei chronischen Virusinfektionen therapeutisch genutzt werden kann, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

    Priv.-Doz. Dr. Pia Hartmann und Priv.-Doz. Dr. Jens Chemnitz freuen sich über diesen Erfolg, den sie als Ergebnis einer beispielhaften Kooperation zwischen den beteiligten Universitätskliniken sowie den vielen klinischen Wissenschaftlern und Grundlagenforschern in diesem über Jahre angelegten Projekt werten.


    Originalveröffentlichung:
    Tumor necrosis factor impairs CD4+ T cell-mediated immune control in chronic viral infection; Nature Immunology; DOI: 10.1038/ni.3399



    Für Rückfragen:
    Christoph Wanko
    Pressesprecher Uniklinik Köln
    Stabsabteilung Unternehmenskommunikation und Marketing
    Telefon: 0221 478-5548
    E-Mail: presse@uk-koeln.de


    Images

    Priv.-Doz. Dr. Pia Hartmann und Priv.-Doz. Dr. Jens Chemnitz im Labor
    Priv.-Doz. Dr. Pia Hartmann und Priv.-Doz. Dr. Jens Chemnitz im Labor
    Source: Uniklinik Köln


    Criteria of this press release:
    Journalists, Scientists and scholars
    Biology, Medicine
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).