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Wissenschaft
Armut im Alter verhindern: Mit diesem Ziel will die Bundesregierung die betriebliche Altersversorgung aufwerten. Dazu liegt jetzt ein Gutachten vor, erstellt vom Team des Würzburger Professors Dirk Kiesewetter.
Die Rente ist in der Diskussion – wieder einmal. Das Rentenniveau sinkt, Experten warnen vor steigender Altersarmut. Um hier gegenzusteuern, setzt die Bundesregierung auch auf den Ausbau der betrieblichen Altersversorgung. Die ist nicht gerade weit verbreitet: „Vor allem bei kleinen Unternehmen ist noch Potential nach oben“, sagt Professor Dirk Kiesewetter, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Universität Würzburg.
Wie könnte man das System der Betriebsrente ausbauen, vor allem bei Gering- und Niedrigverdienern? Dazu hat Kiesewetters Team im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen ein Gutachten erstellt. Am 15. April 2016 wurde es in Berlin der Öffentlichkeit präsentiert. Es enthält Empfehlungen, wie der Gesetzgeber die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung verbessern könnte.
Das Gutachten nennt die drei größten Hemmnisse, die dem Ausbau der Betriebsrente im Weg stehen. Wenig überraschend: Geringverdiener haben kaum Geld übrig, das sie in eine Betriebsrente stecken könnten. Für kleine Unternehmen dagegen fehlen Anreize, sich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen. Und auf beiden Seiten sind kaum Kenntnisse über das System der Betriebsrente vorhanden. Dazu kommt eine große Portion Skepsis, was Komplexität und Verwaltungsaufwand angeht.
Zwei Empfehlungen für die Politik
Auf dieser Basis haben die Würzburger Wissenschaftler Reformüberlegungen erarbeitet, die sie der Politik zur praktischen Umsetzung empfehlen.
Empfehlung 1: Eine Zuschusspflicht des Arbeitgebers bei der Entgeltumwandlung einführen. Bei dieser „Umwandlung“ verzichtet der Arbeitnehmer auf einen Teil seines Bruttogehalts, der dann in die betriebliche Altersvorsorge (bAV) fließt. Er spart dabei Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Auch der Arbeitgeber spart hier Beiträge zur Sozialversicherung.
„Für letztere Ersparnis sehen wir keinen Grund. Der Arbeitgeber sollte den Betrag besser als Zuschuss in die betriebliche Altersversorgung einzahlen“, sagt Kiesewetters Mitarbeiter Michael Grom. Als Ausgleich solle für den Arbeitgeber ein so genannter bAV-Abzugsbetrag geschaffen werden, vorgesehen für Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern. „Für das Unternehmen entsteht dadurch eine Art Steuerstundungseffekt mit Liquiditätsvorteil.“
Empfehlung 2: Die Integration der Riester-Förderung ins System der betrieblichen Altersversorgung verbessern. Wenn Arbeitnehmer derzeit eine Riester-Förderung über das System der Betriebsrente bekommen wollen, geht das nur über Entgeltbestandteile, die schon versteuert und mit Sozialversicherungsbeiträgen belastet wurden. Wird die Riester-Rente später ausgezahlt, werden ein zweites Mal Sozialversicherungsbeiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner fällig.
„Das ist ökonomisch sinnfrei“, meint Moritz Menzel, der an dem Gutachten mitgeschrieben hat. „Wir schlagen darum vor, diese Doppelverbeitragung abzuschaffen.“ Ob das in der Anwartschafts- oder in der Rentenphase passieren soll, müsse die Politik abwägen. Beide Varianten hätten Vor- und Nachteile.
Und falls sich die Politik dafür entscheidet, Riester- und Betriebsrente strikt zu trennen? Dann schlagen die Würzburger Wirtschaftsexperten vor, einen bAV-Förderbetrag insbesondere für Niedrig- und Geringverdiener zu schaffen – in Form eines Zuschusses. Der Arbeitnehmer selbst bleibt dabei grundsätzlich beitragsfrei, der Zuschuss wird zum Großteil vom Staat, zu einem kleineren Teil vom Arbeitgeber bezahlt.
Steuer- und Sozialversicherungsregeln effektiver gestalten
Die Wissenschaftler zeigen in dem Gutachten auch Ansatzpunkte für eine effektivere Gestaltung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen auf.
Zum einen werden derzeit die Betriebsrenten voll auf die Grundsicherung angerechnet. Das bedeutet: „Geringverdiener haben oftmals keinen Anreiz, zusätzlich vorzusorgen. Denn als Rentner haben sie nicht mehr Geld übrig als andere, die keine betriebliche Altersversorgung getroffen haben“, erklärt Dominik Tschinkl aus dem Team Kiesewetter. Darum solle die Anrechnung begrenzt werden.
Zum anderen seien Verbesserungen bei der so genannten Portabilität nötig: Wenn ein Arbeitnehmer die Firma wechselt, könne es schwierig sein, die betriebliche Altersvorsorge verlustfrei auf den neuen Arbeitgeber zu übertragen – insbesondere, weil dann erneut Abschlussgebühren fällig werden können.
Fakten zum Gutachten
Das Gutachten: „Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung“.
Die Autoren: Dirk Kiesewetter, Michael Grom, Moritz Menzel und Dominik Tschinkl, alle von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Würzburg.
Die Online-Version des Gutachtens kann unter folgendem Link abgerufen werden:
https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/frontdoor/index/index/docId/12859
Zusätzlich erscheint das Gutachten in Kürze im Universitätsverlag „Würzburg University Press“ als Printversion. Es wird dann unter folgender ISBN zu finden sein: 978-3-95826-030-6.
Kontakt
Prof. Dr. Dirk Kiesewetter, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Universität Würzburg, T (0931) 31-82963, E-Mail: bAV-studie@uni-wuerzburg.de
Sie haben das Gutachten zur betrieblichen Altersversorgung verfasst (von links): Dominik Tschinkl, P ...
(Foto: Robert Emmerich)
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Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Economics / business administration, Social studies
transregional, national
Research results, Transfer of Science or Research
German
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