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05/25/2016 13:31

Neue interdisziplinäre Studie zeigt Grenzen MSC-zertifizierter Fischbestände im Nordostatlantik auf

Friederike Balzereit Kieler Exzellenzcluster Ozean der Zukunft
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Viele europäische Fischbestände gelten als überfischt oder sind von Überfischung bedroht. Das blaue MSC-Siegel auf Fischprodukten soll garantieren, dass der Fisch aus geprüfter umwelt- und bestandsschonender Fischerei stammt und Verbrauchern damit Sicherheit beim Einkauf vermitteln. In einer interdisziplinären Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gemeinsam mit internationalen Kollegen die Verlässlichkeit des MSC-Siegels an nordeuropäischen Fischbeständen geprüft.

    Ihr Ergebnis: Mehr als zehn Bestände wurden stärker befischt als ökonomisch sinnvoll und ökologisch vertretbar wäre. Die Studie ist online in der internationalen Fachzeitschrift Marine Policy erschienen.

    Der Marine Stewardship Council (MSC) ist eine internationale, unabhängige und gemeinnützige Organisation, die Fische und Meeresfrüchte aus nachhaltiger Fischerei zertifiziert. Das blaue Siegel genießt bei Verbrauchern weltweit großes Vertrauen. Im Rahmen der neuen Studie wurden 31 nordeuropäische Fischbestände im Nordostatlantik, die durch zertifizierte nachhaltige Fischerei nach den Richtlinien des MSC befischt werden, hinsichtlich ihrer Bestandsgröße und Befischung untersucht. „Wir haben uns dabei an den offiziellen Bestandsabschätzungen orientiert, die auch die Grundlage für die MSC-Zertifizierung bilden“, sagt Dr. Rainer Froese vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.

    Die Studie zeigt, dass im ersten Jahr der MSC-Zertifizierung elf Fischbestände über der vom MSC festgelegten Obergrenze befischt wurden. Vier Bestände befanden sich aufgrund ihrer geringen Größe sogar außerhalb sicherer biologischer Grenzen. Dennoch dürfen Fischprodukte aus diesen Beständen weiterhin das blaue MSC-Siegel tragen. Der MSC begründet dies damit, dass sich die Bestände nach Aufnahme in das MSC-Programm erholen würden. Die Untersuchungen der Kieler Forscher zeigen jedoch keine Erholung der Bestände: Auch nach längerer Zertifizierungsdauer zwischen einem und zehn Jahren (durchschnittlich vier Jahre) konnten keine signifikanten Veränderungen hinsichtlich des Fischereidruckes und der Größe der Bestände festgestellt werden. Im letzten Zertifizierungsjahr mit verfügbaren Daten waren sieben Bestände (44 Prozent der Bestände mit verfügbaren Daten) überfischt, fünf Bestände befanden sich außerhalb sicherer biologischer Grenzen. Auf der anderen Seite lag bei elf Beständen die erlaubte Fangmenge weit über den tatsächlichen Fängen – ein Zeichen, dass die festgelegten Fangmengen nicht den realen Fangmöglichkeiten entsprechen. Die MSC-Zertifizierung soll aber eine nachhaltige Fischerei garantieren, in der unter anderem Fangquoten richtig gesetzt und eingehalten werden.

    „Unsere Studie hat somit gezeigt, dass die Regulierung die Fischerei nicht effektiv beschränkt hat. Darüber hinaus wurde bei drei Beständen der erlaubte Fang um bis zu 50 Prozent überschritten“, sagt Prof. Martin Quaas vom Institut für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität und Leiter der Arbeitsgruppe Nachhaltige Fischerei im Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“. Offenbar, so das Fazit der Autoren, gab es keine effektive Kontrolle der Fänge, was mit dem Anspruch einer vorbildlichen Fischerei nur schwer vereinbar ist.

    Bisher mangelt es sowohl auf internationaler als auch auf europäischer Ebene an rechtlich durchsetzbaren Vorschriften für Produkte aus nachhaltiger Fischerei. Die Umsetzung der von der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) definierten Standards ist für Unternehmen bisher freiwillig. „Jedes Unternehmen kann demnach den Begriff nachhaltige Fischerei frei verwenden. Kontrollierte Standards für Umweltlabels gibt es in diesem Bereich nicht“, sagt Prof. Nele Matz-Lück vom Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht. „Ökosiegel für überfischte Bestände mögen streng genommen 'legal' sein, vertretbar sind sie nicht", so Matz-Lück weiter.

    Die Autorinnen und Autoren der Studie empfehlen daher, die Richtlinien des MSC dahingehend zu ändern, dass Überfischung und unsichere Bestandsgrößen zur sofortigen Aussetzung der Zertifizierung führen. „Beim Kauf sind Fischprodukte mit MSC-Siegel zwar Produkten ohne Siegel vorzuziehen, doch um das entgegengebrachte Vertrauen der Verbraucher weiterhin zu erhalten, muss der MSC an seiner Glaubwürdigkeit arbeiten,“ resümiert Erstautorin Dr. Silvia Opitz vom GEOMAR.

    Originalarbeit
    Silvia Opitz, Julia Hoffmann, Martin Quaas, Nele Matz-Lück, Crispina Binohlan, Rainer Froese, Assessment of MSC-certified fish stocks in the Northeast Atlantic. Marine Policy 71 (2016), 10-14. doi:10.1016/j.marpol.2016.05.003

    Kontakt
    Dr. Silvia Opitz, GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel, sopitz@geomar.de
    Dr. Rainer Froese, GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel, rfroese@geomar.de
    Friederike Balzereit, Öffentlichkeitsarbeit Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“, Telefon: 0431-880-3032, fbalzereit@uv.uni-kiel.de


    More information:

    http://www.futureocean.org (weitere Stellungnahme)
    http://www.geomar.de


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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Environment / ecology, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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