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Hasskommentare in sozialen Medien können innert Kürze die Reputation einer Person oder eines Unternehmens beschädigen oder gar zerstören. Der Grund für solche Posts sei, so die gängige Meinung, dass die Verfasser im Internet meist anonym aufträten. Eine Forschungsarbeit der Universität Zürich zeigt nun aber, dass Hasskommentatoren zunehmend mit vollem Namen agieren. Ein Anonymitätsverbot dürfte die gefürchteten «Shitstorms» somit nicht verhindern, sondern möglicherweise sogar anheizen.
Politiker und Prominente, Unternehmen und Organisationen sowie Menschen bestimmter Nationalitäten und sozial Benachteiligte – die Liste der Betroffenen von Hassstürmen in sozialen Medien ist lang. Beleidigende, bedrohende oder abwertende Kommentare gehören heute zum digitalen Alltag. Mögliche Folgen dieser virtuellen Hexenjagden sind, ob gerechtfertigt oder nicht, Reputationsverlust, Rücktritt, Kündigung, soziale Ausgrenzung oder sinkende Aktienkurse. Die vermeintliche Anonymität in Netz lasse, so die gängige Meinung, die Hemmschwelle beim Posten von Hasskommentaren sinken.
Nicht anonyme Hasskommentatoren werden zunehmend salonfähig
Eine Studie von Forschenden der Universität Zürich kommt nun aber zu einem ganz anderen Ergebnis: Das Team unter der Leitung von Katja Rost vom Soziologischen Institut konnte zeigen, dass nicht anonym auftretende Online-Hasser zunehmend die Regel statt die Ausnahme sind. Die Auswertung von mehr als 500'000 sozialpolitischen Kommentaren aus rund 1'600 Online-Petitionen der deutschen Plattform www.openpetition.de zwischen 2010 und 2013 ergab, dass die Verfasser von Hasskommentaren, die unter ihrem vollen Namen posten, sogar häufiger sind als anonyme Hasskommentatoren.
Viele Online-Newsportale oder Social-Media-Plattformen sind bestrebt, der Verrohung der Sprache in Kommentarspalten oder in sozialen Netzwerken Einhalt zu gebieten. «Als Mittel für eine zivilisierte digitale Diskussionskultur ertönt häufig der Ruf, die Anonymität im Internet abzuschaffen», erklärt Soziologie-Doktorandin Lea Stahel. «Gemäss der gängigen Meinung enthemme Anonymität die Menschen bei offensichtlich unrechten Taten, weil sie ihre Selbstverantwortung abstreifen könnten und sie vor unmittelbaren Konsequenzen schütze.» Wieso verzichten viele Hasskommentatoren im Netz trotzdem darauf, anonym aufzutreten?
Wer seine Anonymität preisgibt, ist glaubwürdiger und beliebter
Erstens halten es viele Online-Hasser schlicht nicht für nötig, anonym zu sein. Anstatt rein persönliche Racheakte sind Hasskommentare oft Reaktionen auf Verletzungen einer sozialen Norm wie die Einhaltung von Umwelt- oder Plagiatsstandards oder Verstösse gegen sozial erwünschtes Verhalten wie politische Korrektheit. Wieso sollten sich Verfasser von Hassposts, die ihren Protest als moralische Pflicht rechtfertigen und sich für eine gerechte Sache einsetzen, verstecken? Zudem kann ein Online-Hasser davon ausgehen, dass sein aggressives Verhalten kaum je geahndet wird. Es wird als sehr unwahrscheinlich erachtet, dass ein viel beschäftigter Politiker oder ein angeschlagenes Unternehmen gerade ihn verklagen würde, wenn eine ganze Flut von Beleidigungen die Betroffenen überschwemmt habe, so Stahel.
Verbot von Anonymität verhindert Hassstürme nicht
Zweitens können Hasskommentatoren die Mitmenschen in ihren sozialen Netzwerken leichter überzeugen und mobilisieren, wenn sie mit ihrem richtigen Namen auftreten. Dadurch signalisieren sie Risikobereitschaft, um ihre Meinungen öffentlich kundzutun, und erarbeiten sich so einen Vertrauensbonus. Im Idealfall kann dies ihren sozialen Status erhöhen, da sie sich in digitalen Netzwerken wie Facebook in «Freundeskreisen» bewegen, in denen ihre Äusserungen dank «Shares» und «Likes» widerhallen. «Die Abschaffung der Anonymität führt daher nicht automatisch zum Verschwinden von Hass-Stürmen, sondern möglicherweise gar zu deren Zunahme», gibt Lea Stahel zu bedenken.
Literatur:
Katja Rost, Lea Stahel, and Bruno S. Frey. Digital Social Norm Enforcement: Online Firestorms in Social Media. PLoS ONE. June 17, 2016. DOI: 10.1371/journal.pone.0155923
Kontakt:
Lea Stahel
Soziologisches Institut
Universität Zürich
Tel: +41 44 635 23 17
E-Mail: stahel@soziologie.uzh.ch
Media Relations
Universität Zürich
Tel. +41 44 634 44 67
E-Mail: mediarelations@kommunikation.uzh.ch
Criteria of this press release:
Journalists
Information technology, Media and communication sciences, Psychology, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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