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Wissenschaft
Die Fähigkeit, sich eigene Werkzeuge herzustellen, kommt bei sehr entfernt verwandten Tierarten vor, ist aber insgesamt sehr selten. Häufig ist unklar, ob Werkzeugherstellung aus Erfindungsgeist entsteht oder angeborener Anpassung an eine Umgebung, die dies erfordert. Forschende der Vetmeduni Vienna und der Universität von Oxford zeigten nun, dass auch Kakadus, die in der Natur keine Werkzeuge nutzen, längliche Hilfsmittel zur Futterbeschaffung herstellen können. Sogar aus Material wie Karton können sie eine längliche Form erzielen. Diese Papageienart scheint im Vorhinein abzuwägen, wie sie das Werkzeug einsetzen will, ohne diese Fertigkeit geerbt oder angelernt zu haben. Biology Letters
Nicht nur Menschen oder ihre nächsten Verwandten, wie Schimpansen oder andere Primaten, verwenden Werkzeuge und stellen diese auch her. Auch Vögel und viele andere Tiere nutzen Hilfsmittel oder beschaffen sich diese, um an Nahrung zu kommen. In der Verhaltensforschung wird untersucht, ob diese Fertigkeit durch Vererbung, soziale Einflüsse oder individuelles Ausprobieren bestimmt wird.
Für VerhaltensforscherInnen sind Tiere, die Werkzeuge zwar nicht in freier Wildbahn, aber in gestellten Herausforderungen nutzen, besonders interessant. In diesen gestellten Kognitionstest sind nämlich Eigeninitiative und lösungsorientiertes Denken der Tiere gefragt. Genau diese Verhaltensmuster zeigten Forschende der Vetmeduni Vienna und der Universität von Oxford nun beim Goffinkakadu. Diese Vögel nutzten nicht nur Werkzeuge im Versuch, sondern stellten diese auch genau passend aus Material wie massivem Holz, Karton oder Zweigen her.
Warum Papageienart Werkzeuge nutzt, bislang unklar
Die Papageienart Goffinkakadu nutzt in seinem herkömmlichen Lebensraum Indonesien keinerlei Hilfsmittel. „Sie bearbeiten nicht einmal Zweige für den Nestbau, weil sie in fertigen Baumhöhlen brüten“, erklärt Alice Auersperg vom Messerli Forschungsinstitut der Vetmeduni Vienna. Einzelne Tiere in Volierenhaltung zeigten jedoch, dass auch die Goffin-Kakadus Werkzeuge herstellen können, wenn sie an Futter außer Reichweite kommen wollen.
Bislang war unklar, ob sie Länge und Form dieser Hilfsmittel genau an die Situation anpassen, oder diese zufällig und ohne bestimmte Vorausplanung auswählen. Holz ist faserig, einfaches Beißen und Ziehen reicht schon aus, kleine Splitter abzubrechen. Wir wollten deshalb herausfinden ob die Kakadus auch mit anderen Materialen umgehen können, obwohl sie es nie gelernt haben gezielt ein Werkzeug herzustellen.
Das Forschungsteam platzierte daher Futter mehrere Zentimeter hinter einem kleinen Loch in einer durchsichtigen Box. Mit mehreren Kakadus wurde anschließend getestet, ob diese aus vier unterschiedlichen Materialien ein dünnes, längliches Werkzeugs herstellen und damit das Futter erreichen können. Neben Lärchenholz, konnten die Vögel Buchenzweige mit Seitenästen und Blättern, Pappe und Bienenwachs zum Werkzeugbau nutzen.
Goffin-Kakadu bastelt sich sogar aus Karton passendes Werkzeug
Keiner der Vögel konnte aus dem Bienenwachs ein geeignetes Hilfsmittel bauen. „Aus den anderen Materialien gelang das jedoch einigen der Tiere. „Das Erstaunliche daran war, dass sie sich für jedes Material eine andere Strategie zurechtlegten“, sagt Auersperg. Beim Lärchenholz reichten noch ein bis zwei Bisse, um einen geeigneten Splitter herauszubrechen. Von den Buchenholzzweigen entfernten sie die Blätter und die störenden Seitenäste. Aus der Pappe schnitten sie sich jedoch einen passenden Streifen mit ihrem Schnabel seitlich ab.
Zuerst nahmen die Kakadus die Kartonscheibe in die Krallen und führten sie zum Schnabel. Dann bissen sie mehrmals und parallel entlang der Seitenkante in den Karton, ähnlich als würde man einen Locher verwenden. Anschließend schnitten sie mit der scharfen Spitze ihres Schnabels entlang der Stanzen das Stück heraus. Die Länge dieses ausgeschnittenen Stücks entsprach fast exakt der notwendigen Werkzeuglänge.
Neue Aspekte für die Verhaltensforschung
„Dass einzelne Kakadus auch aus dem Kartonstück ein Werkzeug fertigen konnten beeindruckte uns am meisten“, sagt Auersperg. „Die Pappe hatte keine spezielle Struktur, sie mussten also die Form selbst festlegen und das Werkzeug eigenständig gestalten.“ Die erfolgreichen Goffin-Kakadus waren also in der Lage ein perfekt angepasstes Hilfsmittel aus einem solchen Material zu fertigen. Sie überlegten sich nicht nur eine Strategie, wie man aus der Pappe ein Werkzeug bastelt, sondern auch noch genau Form und Länge, die sie für die Futterbeschaffung brauchen.
Co-Autor Alex Kacelnik von der Zoologischen Universität Oxford meint dazu: „Wir wissen noch nicht, ob sich die Vögel ein Objekt vorstellen können, das noch nicht existiert und diesem Bild als Vorlage folgen, um etwas Neues zu bauen. Auf Basis der Kognitionstests möchten wir deshalb eine Computersimulation programmieren, die das Verhalten der Vögel nachstellen kann.“ Arten wie der Goffinkakadu, der in seinem natürlichen Umfeld keine Werkzeuge nutzt und herstellt, sind für die VerhaltensbiologInnen besonders aufschlussreich. Sie folgen keinen erlernten oder vererbten Mustern, um spezielle Problem zu lösen. Die Goffinkakadus, wie andere Papageien, zeichnet jedoch eine hohe Intelligenz aus, sie sind flexibel und leistungsstark. Dadurch können sie spielerisch oder durch Beobachtung leicht dazulernen und dann neue Probleme lösen.
Service:
Der Artikel „Goffin’s cockatoos make the same tool type from different materials” wird am 16. November 2016 um 00:01 CET im Journal Biology Letters veröffentlicht.
Über das Messerli Forschungsinstitut
Das Messerli Forschungsinstitut wurde 2010 mit der Unterstützung der Messerli-Stiftung (Schweiz) unter Federführung der Veterinärmedizinischen Universität Wien in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien und der Universität Wien gegründet. Es widmet sich der Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung und ihrer Grundlagen in den Bereichen Ethik, vergleichende Medizin sowie Kognition und Verhalten von Tieren. Dabei zeichnet es sich durch einen breiten interdisziplinären Zugang (Biologie, Humanmedizin, Veterinärmedizin, Philosophie, Psychologie, Rechtswissenschaft) und eine starke internationale Ausrichtung aus. http://www.vetmeduni.ac.at/messerli
Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna. http://www.vetmeduni.ac.at
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr.rer.nat. Alice Auersperg
Messerli Forschungsinstitut
Veterinärmedizinische Universität Wien,
T +43 676 9390392
alice.auersperg@vetmeduni.ac.at
Aussender:
Mag.rer.nat. Georg Mair
Wissenschaftskommunikation / Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation
Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna)
T +43 1 25077-1165
georg.mair@vetmeduni.ac.at
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Aus einem Pappstück können sich die Kakadus ein längliches Hilfsmittel stanzen, um für sie unerreich ...
Bene Croy
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Das Werkzeug aus dem Kartonstück passt genau in Form und Länge, um Futter durch ein kleines Loch in ...
Bene Croy
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Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Biology, Teaching / education, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results
German
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