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Wissenschaft
In unserem Alltag und im Fernsehen sehen wir ständig anderen Menschen dabei zu, wie sie uns vertraute oder auch unvertraute Handlungen ausführen. Dabei ist es häufig so, dass wir diese Handlungen nur lückenhaft sehen, zum Beispiel weil wir unsere Aufmerksamkeit zwischen mehreren Dingen verteilen und immer abwechselnd der einen oder der anderen Handlung zusehen. Wie sich eine solche lückenhafte Darstellung auf die zeitliche Wahrnehmung der Handlung und der Darstellung selbst auswirkt, haben die beiden Forscher am Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM), Prof. Dr. Stephan Schwan und Dr. Bärbel Garsoffky, im Labor untersucht.
Tübingen, 16.03.2017 Häufig rezipieren wir lückenhaft dargestellte Handlungen. Im Alltag werden wir bei der Beobachtung von Abläufen abgelenkt oder schalten zwischen mehreren Ereignissen hin und her. Beim Film wird diese lückenhafte Darstellung zur Kunst erhoben. Wie wir diese Handlungen wahrnehmen in Abhängigkeit von den nicht gesehenen Ausschnitten, das erforschte ein Projekt am IWM in zwei Laborstudien anhand von gefilmten Alltagshandlungen.
Erfasst wurde die Handlungswahrnehmung über eine subjektive Zeitschätzung der Versuchsteilnehmer. Die Versuchspersonen sahen mehrere Filmclips, in denen Darsteller Alltagshandlungen ausführten wie Fahrradputzen oder Frühstücken. In der ersten Studie sollten die Versuchsteilnehmer jeweils die letzte Szene des Filmclips danach beurteilen, wie lange die in dieser Szene dargestellte Handlung im Alltag dauern würde. Variiert wurde die Länge der Auslassung direkt vor dieser Szene. In der zweiten Studie sahen die Versuchsteilnehmer dieselben Filmclips und sollten nun die Dauer der letzten Filmszene einschätzen.
Bemerkenswertes Ergebnis dabei war, dass sich die Länge der Zeitsprünge unterschiedlich auswirkte auf die Wahrnehmung des Handlungsablaufes (Studie 1) und auf die Wahrnehmung der Visualisierung selbst (Studie 2). Bei langen Auslassungen schätzten die Teilnehmenden die der Filmszene zugrundeliegende Alltagshandlung als länger andauernd ein als nach kurzen Auslassungen, d. h. sie komplettierten die ausgelassenen Stellen und imaginierten so eine kohärente, lückenlose Handlung. Im Gegensatz dazu wurde die Darstellungszeit nach langen Lücken als kürzer empfunden als nach kurzen Lücken.
Das bedeutet: Wie wir die zeitliche Dauer einer gezeigten Handlung wahrnehmen (erzählte Zeit), kann sich davon unterscheiden, wie wir die zeitliche Dauer der Darstellung selbst (Erzählzeit) beurteilen.
Diese Ergebnisse sind bedeutsam für den vermehrten Einsatz filmischer Visualisierungen, die einen zeitlichen Ablauf darstellen. So finden sich etwa auf Youtube unzählige Videos mit Handlungsdarstellungen, z. B. Anleitungen zum Zerlegen eines Musikinstrumentes, zur Durchführung eines Chemieversuches und zur Handhabung von Maschinen. Die Ergebnisse der Studien können zum einen Verwendung finden für die Erstellung von effektiven, prägnanten Erklärfilmen. Zusätzlich liefern sie für die Grundlagenwissenschaft einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis von Handlungswahrnehmung und Zeitempfinden.
Die Studie von Bärbel Garsoffky, Markus Huff und Stephan Schwan erscheint 2017 in der Fachzeitschrift Psychonomic Bulletin and Review. Der Artikel ist bei Springer via http://dx.doi.org/10.3758/s13423-017-1239-2 verfügbar.
Kontakt
Prof. Dr. Stephan Schwan, Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM), Arbeitsgruppe Realitätsnahe Darstellungen, Telefon ++49 7071 979-228, s.schwan[at]iwm-tuebingen.de
Das Leibniz-Institut für Wissensmedien
Das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen erforscht, wie digitale Technologien eingesetzt werden können, um Wissensprozesse zu verbessern. Die psychologische Grundlagenforschung der rund 110 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist auf Praxisfelder wie Schule und Hochschule, auf Wissensarbeit mit digitalen Medien, wissensbezogene Internetnutzung und Wissensvermittlung in Museen ausgerichtet. Von 2009 bis 2016 unterhielt das IWM gemeinsam mit der Universität Tübingen Deutschlands ersten Leibniz-WissenschaftsCampus (WCT) zum Thema „Bildung in Informationsumwelten“, der ab 2017 als Nachfolgeprojekt unter dem Titel „Kognitive Schnittstellen“ weitergeführt wird.
Kontakt & weitere Informationen zum Leibniz-Institut für Wissensmedien
Dr. Evamarie Blattner, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Wissensmedien, Schleichstraße 6, 72076 Tübingen,
Tel. 07071/ 979-222, E-Mail: presse@iwm-tuebingen.de
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 91 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.600 Personen, darunter 9.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,7 Milliarden Euro.
Ausschnitt aus der Darstellung eines Handlungsablaufs
None
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Media and communication sciences, Psychology, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research results
German
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