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Wissenschaft
Neue Studie zeigt, wie schwierig der Gesichterabgleich bei Passkontrollen ist
Expertinnen und Experten können Gesichter im Rahmen von Passkontrollen besser abgleichen als Laien – aber auch sie sind anfällig für Täuschungsmanöver. Das zeigt eine aktuelle Studie von Psychologen, die in der Fachzeitschrift „Journal of Experimental Psychology: Applied“ erschienen ist. Sechsundneunzig Bundespolizistinnen und -polizisten und 48 Laien ohne professionelle Erfahrung verglichen in einem Experiment Gesichterpaare daraufhin, ob sie dieselbe Person zeigten oder nicht.
Bei Passkontrollen, wie sie an Flughäfen standardmäßig durchgeführt werden, müssen Bundespolizistinnen und -polizisten bei Reisenden kontrollieren, ob das Gesicht der Person, die vor ihnen steht, mit dem jeweiligen Foto im Reisepass übereinstimmt. In sehr schneller Folge und sehr kurzer Zeit müssen Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen dem physischen Gesicht und dem Passfoto erkannt werden. „Das ist eine enorm schwierige und fehleranfällige Aufgabe, die selbst Personen mit einschlägiger professioneller Erfahrung vor große Herausforderungen stellt“, sagt Benedikt Wirth, Psychologe an der Universität des Saarlandes und Hauptautor der Studie. Gemeinsam mit Claus-Christian Carbon, Professor für Allgemeine Psychologie an der Universität Bamberg, hat er drei Fragen empirisch untersucht: Welchen Einfluss hat die professionelle Erfahrung einer Person auf ihre Fähigkeit, Gesichter abzugleichen? Wie gut werden Nicht-Übereinstimmungen (also „falsche Pässe“) als solche erkannt? Werden Täuschungsmanöver – also Versuche, das eigene Aussehen an das Foto eines fremden Passes anzugleichen – korrekt aufgedeckt?
Die Forscher entwickelten eine Aufgabe, die der Passkontrolle an Flughäfen nachempfunden war. Am Computer mussten Versuchspersonen kleine Passbildfotos mit großformatigen Porträt-Aufnahmen abgleichen. Die Fotos zeigten entweder ein- und dieselbe Person oder zwei verschiedene, aber sehr ähnlich aussehende Personen. Bei einem Teil der Fotopaare waren bestimmte Gesichtsmerkmale wie Brillen, Muttermale oder die Frisur so manipuliert, dass die Fotos a) dieselbe Person mit unterschiedlichen Gesichtsmerkmalen (zum Beispiel einer unterschiedlichen Frisur) oder b) unterschiedliche Personen mit gleichen Gesichtsmerkmalen (zum Beispiel der gleichen Brille, der gleichen Frisur) zeigten. Aufgabe der Versuchspersonen war es, bei jedem Fotopaar zu entscheiden, ob es sich bei der Person auf dem Passbild und der auf dem Porträtfoto um dieselbe Person handelte oder nicht.
Berufserfahrung ist kein Garant für Genauigkeit
An dem Experiment nahmen drei Gruppen teil: 48 Bundespolizistinnen und -polizisten mit langjähriger Erfahrung in der Personenidentifikation (mindestens elf Jahre), 48 Bundespolizistinnen und -polizisten mit weniger Berufserfahrung (im Mittel sechs Jahre) und 48 Studierende ohne jegliche professionelle Erfahrung. Die Autoren analysierten, wie akkurat die Gesichterpaare als gleich oder verschieden bewertet wurden. Tatsächlich unterschieden sich die drei Erfahrungsgruppen in ihrer Urteilsgenauigkeit: Bundespolizistinnen und -polizisten mit kürzerer Berufserfahrung schnitten mit durchschnittlich rund 89% Genauigkeit am besten ab – besser als jene mit längerer Berufserfahrung (85%) und die Studierenden (83%). „Der Unterschied zwischen Laien und Experten ist also nicht allein auf die professionelle Erfahrung zurückzuführen“, sagt Benedikt Wirth. Mögliche Gründe für die Unterschiede sehen die Autoren neben dem Altersunterschied darin, dass sich das Auswahlverfahren bei der Bundespolizei über die Zeit hinweg verbessert hat.
Besonders interessant war auch die Verteilung der begangenen Fehler: Wenn beide Fotos dieselbe Person zeigten, wurde dies in rund 95% der Fälle richtig erkannt– auch wenn sich die dargestellten Gesichter in einzelnen Aspekten (Brille, Frisur etc.) unterschieden. Wenn es sich allerdings um unterschiedliche Personen handelte, wurde dies im Durchschnitt nur in 76% der Fälle erkannt. Somit wurde fast jeder vierte potentielle Betrüger nicht entdeckt. Ferner zeigte sich, dass zwei Bilder verschiedener Personen häufiger für dieselbe Person gehalten wurden, wenn einzelne Merkmale der beiden Gesichter angeglichen wurden. „Bei Nicht-Übereinstimmungen scheint die Täuschungsstrategie, einzelne Gesichtsmerkmale, insbesondere die Frisur, an ein fremdes Passbild anzugleichen, wirksam zu sein“, erklärt Benedikt Wirth.
Personalauswahl – Polizisten mit guten Gesichtserkennungsfähigkeiten
Claus-Christian Carbon bewertet die Ergebnisse vor dem Hintergrund praktischer Empfehlungen. „Individuelle Gesichtserkennungsfähigkeiten könnten schon im Einstellungsverfahren als Auswahlkriterium für Polizisten und Mitarbeiter anderer Sicherheitsbehörden eingesetzt werden. Anhand spezieller und mit psychologischer Expertise entwickelter Testverfahren könnten Personen mit sehr guten Gesichtserkennungsfähigkeiten, sogenannte super-recognizer, identifiziert und selektiv eingestellt werden. Umgekehrt muss sichergestellt werden, dass Personen mit extrem schlechten Gesichtserkennungsfähigkeiten, sogenannte Prosopagnostiker, nicht für die Durchführung von Passkontrollen herangezogen werden. Tests, die spezielle kognitive Fähigkeiten prüfen, sind auch bei der Auswahl von Fluglotsen oder Piloten seit langem etabliert.“
Originalstudie:
Wirth, B. E. & Carbon, C.-C. (2017). An easy game for frauds? Effects of professional experience and time pressure on passport-matching performance. Journal of Experimental Psychology: Applied.
doi: 10.1037/xap0000114 [Epub ahead of print]
Kontakt bei Rückfragen:
M.Sc. Benedikt Wirth
Universität des Saarlandes
E-Mail: benedikt.wirth@uni-saarland.de
Prof. Dr. Claus-Christian Carbon
Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie
Universität Bamberg
E-Mail: ccc@uni-bamberg.de
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Pressereferentin
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Versuchsaufbau des Passkontrollen-Experiments
Foto: privat
None
Criteria of this press release:
Journalists
Information technology, Media and communication sciences, Psychology, Social studies, Traffic / transport
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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