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Die deutsch-deutsche Beziehungsgeschichte der Ost- und Westpakete
Es war – so Zeitzeugen - ein unverwechselbarer Duft aus Kaffee, Seife, Schokolade und Puddingpulver, der dem Empfänger der so genannten Westpakete in die Nase stieg. Mehrere Millionen Päckchen und Pakete passierten über drei Generationen hinweg nach Kriegsende die innerdeutsche Grenze Richtung Osten, aber auch retour. Mit unterschiedlichen Inhalten, aber auch sich wandelnden Bedeutungen. Sowohl von der Staatssicherheit als auch dem bundesrepublikanischen Zoll kontrolliert, wurde der Inhalt der Pakete zu einem Gradmesser der verschiedenen Systeme und trug dazu bei, dass die Menschen im geteilten Deutschland in Kontakt blieben. Nach der Wiedervereinigung kam aber sowohl in ost- als auch westdeutschen Familien oft Enttäuschung auf.
Das sind die Ergebnisse einer Forschungsarbeit der Historikerin Konstanze Soch von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Im Rahmen ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit der – weit über die des Geschenks hinausgehende - Bedeutung der Ost- und Westpakete während des kalten Krieges.
Sie interviewte über 40 Zeitzeugen in Ost und West, wühlte in Archiven und Dokumenten, sichtete Paketinhaltslisten und private Fotos und Briefe. An lebendigen Beispielen und sehr persönlichen Geschichten hat die Wissenschaftlerin damit einen besonderen Aspekt der deutsch-deutschen Geschichte aufgearbeitet und versucht, die Geschenksendungen zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands grundlegend in all ihren Facetten nachzuvollziehen.
„Stand nach Kriegsende und der Gründung der beiden deutschen Staaten ab 1949 vor allem die gegenseitige Unterstützung im Mittelpunkt, entwickelte sich bei den Bürgern in der Bundesrepublik das Gefühl, im ‚besseren Deutschland’ zu leben, und damit auch eine Art Verantwortungsbewusstsein für die in der ‚Zone’ Lebenden, waren sie in der Bundesrepublik doch bis vor Kurzem selbst noch Empfänger der sogenannten Care-Pakete gewesen,“ so die Wissenschaftlerin.
Waren es am Anfang eher Grundnahrungsmittel, griffen die Versender der zweiten Generation gerne zu Genussmitteln und Markenprodukten. „Für die dritte Gruppe der Versender von Westpaketen, den in den 1960er-Jahren Geborenen, gehörten die Mauer und Teilung Deutschlands zum Alltag. Neben dem Standardpaket, welches sich in jeder Familie auf die ein oder andere Art und Weise herausgebildet hatte, erfüllten auch sie gerne Wünsche nach speziellen Kleidungsstücken oder technischen Geräten“, so Soch. Grundsätzlich blieben sie aber bei der Inhaltsauswahl der Generation ihrer Eltern treu, mit denen sie als Kinder oft zusammen die „Westpakete“ gepackt hatten.
Nach der Wiedervereinigung entstand in manchen bundesrepublikanischen Familien der Eindruck, dass ihren Mühen nicht ausreichend Rechnung getragen wurde, so Soch. „Nun, da die Rollenverteilung von ‚Gebenden’ und ‚Nehmenden’ nicht mehr existierte und die Menschen im Osten nicht mehr auf Produkte und Ratschläge aus dem Westen angewiesen waren, entstand bei vielen Westdeutschen ein Gefühl der Undankbarkeit.“
Und in Ostdeutschland erfuhren die Menschen, wo ihre Verwandten die Paketinhalte erworben hatten und deren Preis. Ihre damalige unmittelbare Freude über die erhaltenen Lebensmittel trübte diese Erkenntnis, so die Historikerin Soch. Durch die Wiedervereinigung wurde in vielen Familien offenbar, dass den Päckchen und Paketen eine unterschiedliche Funktion zugewiesen wurde. Diese Alltäglichkeiten seien es, die uns die Zeit der deutschen Teilung verständlicher erscheinen lassen.
„Wie kein anderer Gegenstand ermöglichten die Päckchen und Pakete eine direkte Kommunikation zwischen Ost- und Westdeutschland, sowohl auf persönlicher als auch politischer Ebene. Die Untersuchung führt somit direkt in das Herz der Abgrenzungs- und Annäherungsversuche beider deutschen Staaten und dadurch unmittelbar in die politischen Kulturen im geteilten Deutschland“, fasst die Historikerin zusammen.
Die Forschungsarbeit wird voraussichtlich im kommenden Juni beim Campus Verlag unter dem Titel: „Eine große Freude? Der innerdeutsche Paketverkehr im Kalten Krieg (1949-1989)“ erscheinen.
Konstanze Soch
1988 geboren, studierte Konstanze Soch Kulturwissenschaften und Europäische Kulturgeschichte an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Nach dem Masterabschluss 2013 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Geschichte der Neuzeit der Universität Magdeburg. Konstanze Soch ist seit August 2017 Mitarbeiterin bei der „Bundesbehörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“.
Kontakt für die Medien: Konstanze Soch, Bundesbehörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, E-Mail: konstanze.soch@googlemail.com
Konstanze Soch
Foto: privat
None
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
Cultural sciences, History / archaeology, Politics, Social studies
transregional, national
Research results
German
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