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Rußland- ein blühendes Land, aber wann?
Der Zusammenbruch der russischen Finanzmärkte und des Bankensystems zeigt mit einer schonungsloser Offenheit, daß die bisher erzielten partiellen Erfolge bei der Inflationsbekämpfung und Stabilisierung des Rubel die Qualität einer Seifenblase besitzen, schreibt Dr. Andreas Polkowski vom HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung-Hamburg in der neuesten Ausgabe der vom Institut herausgegebenen Zeitschrift Intereconomics.
Immer stärker drängten sich Fragen auf: Warum gestaltet sich die russische Transformation so schwierig? Ist vielleicht das Universal-Reformpaket des Westens für Rußland völlig ungeeignet? Ein Blick auf die kurze Geschichte der russischen Transformation zeige allerdings, daß die Ursachen des jüngsten Kollaps hausgemacht seien und sowohl in der Inkonsistenz der Reformkonzepte, der Inkonsequenz der Reformumsetzung als auch der Inkompetenz mancher Reformer begründet lägen. Auch der Westen habe sich schuldig gemacht, da er mit seinen Finanzspritzen vordergründig die politische Stabilität festigte, diese mit der Person Jelzin`s verband und so den ökonomischen Zusammenbruch de facto bestenfalls verzögerte. Den größten Schaden erlitt die russische Bevölkerung, die schon so oft Opfer bringen mußte, an dem versprochenen Wohlstand aber bislang nicht teilhaben konnte. Nach den jüngsten Finanzturbulenzen und ihren wirtschaftlichen sowie sozialen Folgen seien die marktwirtschaftlichen Reformen bei der Bevölkerung erneut in Mißkredit geraten und würden noch stärker als zuvor mit Spekulation, Korruption, Not und Sozialgefälle assoziiert. Bereits vor dem Crash lebten etwa 50 bis 60 % der Russen an der Grenze oder unterhalb des Existenzminimums. Gut ein Drittel der Bevölkerung war - nach russischen Maßstäben - weder reich noch arm und nur 3 - 5 % gälten als reich. Die jüngste Krise dürfte die Gruppe der Armen deutlich vergrößern.
Rußland brauche jetzt - so der Rußlandsexperte des HWWA- für seine angeschlagene Wirtschaft eine gut abgestimmte Wirtschaftsstrategie. Ob die Regierungsmannschaft unter Primakov, die sich aus Kommunisten und gemäßigten Reformern zusammensetze, dazu in der Lage sei, sei eher zu bezweifeln. Es sei zu befürchten, daß aus populistischen Überlegungen zu außerordentlichen Maßnahmen gegriffen wird, das heiße Betätigung der Notenpresse und Subventionierung der Staatsbetriebe, die dem Land, mittelfristig gesehen, keine Stabilität bringen würden. Auch die Ankündigung der neuen Regierung, eine soziale Marktwirtschaft anstreben zu wollen, während die erforderlichen Grundlagen für eine Marktwirtschaft noch fehlten, zeige, daß man den zweiten Schritt vor dem ersten machen wolle.
Die bisherigen halbherzigen Reformen lieferten noch keinen Beweis dafür, daß Rußland für eine Marktwirtschaft ungeeignet sei. Was das riesige Land brauche, seien ein lückenloser Rechtsrahmen und solide Institutionen, die bei der Umsetzung der Reformen allgemeinen Spielregeln und nicht irgendwelchen partikularen Interessen folgten. Bis die Reformen griffen, werde allerdings mehr Zeit vergehen als in den kleineren Transformationsländern. Rußland werde sicher ein blühendes Land. Nur wisse niemand wann.
Hamburg, 07.10.1998 Telefon 040 35 62 354
Criteria of this press release:
Economics / business administration
transregional, national
Research projects
German
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