idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instance:
Share on: 
09/09/2003 18:59

Europäische Kryoforschungsbank eingeweiht

Dr. Johannes Ehrlenspiel Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Gemeinsam mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller hat die Fraunhofer-Gesellschaft unter Leitung von Professor Günter Fuhr heute in Sulzbach/Saar die Kyroforschungsbank eurocryo eröffnet.

    Mit eurocryo nimmt das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT nach dem Zentrum für Kryobiotechnologie und Kryobiophysik eine zweite Einheit in Betrieb. Sie dient dazu, eine Technologieplattform zu entwickeln, die den Anforderungen der zukünftigen Biotechnologie entspricht. Für das Saarland und Ministerpräsident Peter Müller ist dies eine zentrale Aufgabe für den Strukturwandel und um Zukunftstechnologien für die Region zu erschließen.

    Aus Sicht des Ministerpräsidenten ist dies ein wichtiger Mosaikstein beim Ziel der Landesregierung, den Strukturwandel mit innovativen Leitinvestitionen zu gestalten: "Das Saarland ist auf einem guten Weg, eine Biotechnologieregion mit eigenem Profil in der Biohydrid-Forschung, der Nanobiotechnologie und der Bioinformatik zu werden. Der Kurs, den das Saarland auf die Wachstumsmärkte von morgen nimmt, gewinnt deutlich an Fahrt. Diese Technologien, in denen wir hervorragende wissenschaftliche Kompetenz besitzen, sind ein zentraler Innovations- und Wachstumsmotor in einer sich wandelnden Region." Müller verweist in diesem Zusammenhang auch auf die von der Landesregierung entwickelte Innovationsstrategie mit dem Ziel, Investitionen in Zukunftsbereichen zu fördern und dem Land neue Entwicklungen zu erschließen.

    Das Fraunhofer-Institut ist auf diesem Weg ein wichtiger Wegbereiter und wird nun nach dem Zentrum für Kryobiotechnologie und Kryobiophysik mit der Kryoforschungsbank die zweite Einheit eröffnen, um den Einsatz moderner Gen- und Zellbiotechnologien im Saarland zu ermöglichen.

    Das Einfrieren und Lagern von Zellsuspensionen und kleinsten Gewebeteilen bei Temperaturen unter -130 °C ist gegenwärtig die einzige Möglichkeit, um biologisches Material über Jahre bis zu Jahrzehnten ohne Einbuße der Lebensfähigkeit aufzubewahren. Die Biowissenschaften, die Medizin und die aufstrebende Biotechnologie benötigen die Depothaltung, Verfügbarkeit und den Versand von Lebendproben zu beliebigen Zeitpunkten und an nahezu jeden Ort.

    Die Fraunhofer-Gesellschaft in Partnerschaft mit der Landesregierung des Saarlands über das Ministerium für Wirtschaft sowie das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft hat diese interdisziplinäre Forschungs- und Technologieaufgabe früher als andere erkannt und bereits vor zwei Jahren eine gemeinsame Initiative zur Entwicklung der Kryobiotechnologie gestartet. Die nunmehr fertiggestellte Kryobank ist ein Teil dieser Initiative und so dimensioniert, dass sie den modernsten Anforderungen der Lebendlagerung von Zellproben, wie sie von der zukünftigen Biotechnologie und Medizin, aber auch von der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion gestellt werden, gerecht wird. Die zentraleuropäische Lage im Saarland macht die Forschungsbank zu einem Attraktor und Partner über die Landesgrenzen hinaus.

    Zielstellung
    Aufgabe der Europäischen Kryoforschungsbank ist es, wertvolle und einzigartige Zellsammlungen (Bioressourcen) aus den verschiedensten Bereichen der Biowissenschaften anzulegen. Die Lebendablage von Zellsuspensionen erlaubt eine Vermehrung zu jedem späteren Zeitpunkt, insbesondere aber retrospektive Untersuchung von Proben. Selbst nach Jahrzehnten kann damit nach Genen, Makromolekülen, Krankheiten, Erregern, Verunreinigungen und mehr gesucht werden, für die heute weder Methoden noch Kenntnisse existieren.

    Auch in der Medizin wird in Zukunft der Bedarf an patienteneigenen Zellproben wachsen, die später bei einer Zelltherapie zum Einsatz kommen sollen. Die Anlage einer Zellbank ist somit die umfangreichste, man kann sagen, vollständige Dokumentation der Eigenschaften einer Bioprobe. Dem Auftrag der Fraunhofer-Gesellschaft für die Angewandte Forschung entsprechend ist die wichtigste Aufgabe der Bank die Erprobung und Evaluierung neuer kryotechnologischer Ansätze, Methoden und die Umsetzung einer weitgehenden Automatisierung und Standardisierung aller Kryosysteme für die Forschung als auch für die Wirtschaft.

    Kryokonservierung
    "Kryos" kommt aus dem Griechischen und steht für "Kälte" oder "Eis". Bei Temperaturen unter -130 °C stellen die Zellen aller Organismen, ob vereinzelt oder im Gewebe, ihre Stoffwechselvorgänge gänzlich ein. Dies bedeutet, dass Prozesse, wie Alterung, Zellwachstum oder -teilung für die Dauer dieser "Unterkühlung" angehalten werden. Auf diese Weise sind biologische Proben über Jahre, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte in unveränderter Form für die Nachwelt verfügbar, d.h. unter Aufrechterhaltung der Vitalität kryokonserviert. Abgesehen von einigen winzigen Tierchen, wie Würmern und Bodenarthropoden, lassen sich Säuger und auch Menschen nicht lebend kryokonservieren. Physikalisch-chemische Randbedingungen des Wärmeaustauschs und die Infiltrationslimitierung von Gefrierschutzmitteln in die Zellen lassen dies auch in Zukunft nicht sehr wahrscheinlich erscheinen. In der Kryoforschungsbank in Sulzbach werden daher Zellsuspensionen, kleine Gewebestücke und Biohybride (d.h. technische Systeme, die mit Zellen bewachsen sind, z.B. Biosensoren) eingefroren.

    Noch sind nicht alle Prozesse beim Übergang der Zellen in den Zustand eines Festkörpers ausreichend untersucht und verstanden. So lassen sich gerade die für die Genetik so wichtigen Eier der Fruchtfliege nur sehr bedingt kryokonservieren. Vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung BMBF geförderte Projekte werden daher intensiv in dem bereits etablierten und angegliederten Zentrum für Kryobiotechnologie und Kryobiophysik untersucht. Der Vorteil: Die Grundlagenerkenntnisse fließen sofort in die praktische Umsetzung ein.

    Kryohalle
    Auf mehr als 1 200 Quadratmetern werden Kryolagertanks mit einem Nettovolumen von jeweils bis zu 1 400 Litern installiert. Die Kryobankanlage trägt den Charakter einer Demonstrationsbank für neue Technologien, insbesondere für industrielle Nutzer. Das Besondere und Kernstück dieser Kryotchnologie sind neue Substrate zur Ablage der Bioproben. Mit Hilfe dieser Lagersubstrate wird die Anzahl der möglichen Kryoproben in einem ersten Miniaturisierungsschritt bereits um den Faktor 10 bis 100 erhöht.

    Die Miniaturisierung eröffnet den unterschiedlichsten Forschungs- und Wirtschaftszweigen, wie der Lebensmitteltechnologie, der Medizin, aber auch dem Verbraucher- und Umweltschutz sowie den Biotechnologien, durch die damit verbundene Lagerkapazitätssteigerung, höhere Probenablagen, neue inhaltliche Möglichkeiten, kostengünstigere Lagerung und mehr Sicherheit.

    Die gesamte Kryoanlage wird etappenweise automatisiert und ist elektronisch überwacht. Die Temperatur in den Behältern wird ebenso lückenlos protokolliert wie der Zugang zu den Behältern selbst. Moderne Datenbankkonzepte werden gegenwärtig entwickelt und erprobt. Evolutive Konzepte mit sich selbst optimierenden Algorithmen bieten neue Arbeitsfelder für Bioinformatiker.

    Kryolaboratorien
    In unmittelbarer Nähe zum Lagerraum der Kryobank wurden moderne Kryo- und Zelllaboratorien installiert. In diesen können Zellproben bearbeitet und charakterisiert werden. Gleichzeitig steht partiell Laborraum für Fremdnutzer zur Verfügung, die ihre Proben mit der neuen Technologie ablegen und testen wollen. Sterilität und hoher medizinischer Standard sind Voraussetzungen für eine zertifizierte Arbeitsweise. Für kryobiologische und technische Probleme steht das Zentrum für Kryobiotechnologie und Kryobiophysik am IBMT zur Verfügung.

    Kryotechnologie
    Unter Berücksichtigung des biotechnologischen und medizinischen Fortschritts wird der Konservierungsbedarf von lebenden Zellen und Geweben verschiedenster Differenzierung und Herkunft in den nächsten Jahren deutlich ansteigen. Um dieses Probenaufkommen zu bewältigen, ist eine Modernisierung der gegenwärtig erprobten aber zumeist manuell aufwändigen Techniken und Gerätesysteme erforderlich. In einem ersten Schritt wurden die gängigen Probenträger (Substrate) am Fraunhofer IBMT stark miniaturisiert. Dies ist möglich, da derzeit wesentlich mehr Material abgelagert wird als eigentlich für Analysen und Rekultivierung erforderlich sind.

    Ein Kubikmillimeter Probenvolumen (1 µL) kann beispielsweise bis zu 200.000 Zellen einer tierischen oder humanen Suspensionskultur beherbergen. Die hochempfindliche Diagnostik, insbesondere aber die genetischen Nachweismethoden aber auch die in vitro-Kultur kommen theoretisch mit einer einzelnen Zelle, praktisch bereits mit 100 bis 1 000 Zellen aus. Potenzial für weitere Miniaturisierungen ist vorhanden. Die Entwicklung der Kryotechnologie des Fraunhofer IBMT ist auf Standardisierung, Protokollierung und die Möglichkeit einer Vollautomatisierung aller Vorgänge in einer Kryobank ausgerichtet.

    Um eine Verwechslungssicherheit der Proben zu garantieren, wird eine elektronische Speichereinheit zusammen mit den Proben eingelagert. Die Speichereinheit enthält alle Daten, die für den Umgang und die spätere Verwendung der Probe wichtig sind. Z.B. können Analysedaten, Mikroskopaufnahmen oder Befunde, Datenformate sowie die Rechtslage direkt an der Probe hinterlegt werden. Nur so kann das erwartete enorme Probenaufkommen aus der Medizin und Biotechnologie bewältigt werden. Proben lassen sich weltweit verschicken und ohne Informationsverlust nutzen.

    Forscher des Fraunhofer IBMT beschäftigen sich parallel zur Kryobiologie und Kryomedizin mit der Adaptierung von elektronischen Bauelementen bis hin zu Memory-Chips an den Temperaturbereich von +50 °C bis -180 °C. Die Ergebnisse der in diesem Bereich arbeitenden aktiven Bauelemente sind auch für andere Bereiche - etwa der Raumfahrt - von Bedeutung. Die Kryobiotechnologie ist damit eines der interdisziplinärsten Felder der Biowissenschaften / Biotechnologie überhaupt, da sie Prozesse von der Molekularbiologie bis zur Tieftemperaturphysik und Informatik umfasst.

    Ansprechpartner:
    Dr. Frank Obergriesser
    Telefon 0 68 97 / 90 71-90, Fax -99, frank.obergriesser@ibmt.fraunhofer.de

    Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT
    Industriestraße 5
    66280 Sulzbach


    More information:

    http://www.staatskanzlei.saarland.de/detail.html?mid=4674
    http://www.ibmt.fraunhofer.de


    Images

    Criteria of this press release:
    Biology, Chemistry, Information technology, Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research projects
    German


     

    Help

    Search / advanced search of the idw archives
    Combination of search terms

    You can combine search terms with and, or and/or not, e.g. Philo not logy.

    Brackets

    You can use brackets to separate combinations from each other, e.g. (Philo not logy) or (Psycho and logy).

    Phrases

    Coherent groups of words will be located as complete phrases if you put them into quotation marks, e.g. “Federal Republic of Germany”.

    Selection criteria

    You can also use the advanced search without entering search terms. It will then follow the criteria you have selected (e.g. country or subject area).

    If you have not selected any criteria in a given category, the entire category will be searched (e.g. all subject areas or all countries).