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Wissenschaft
Nr. 109 / 12. Oktober 1998 / sho
Weitreichende biotechnologische Folgen:
Neuer Biosyntheseweg der Pflanzen entdeckt
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Hochinteressante biotechnologische Möglichkeiten eröffnet die Entdeckung eines neuen Biosynthesewegs der Pflanzen, die der Pflanzenphysiologe Prof. Dr. Hartmut Lichtenthaler von Botanik II der Universität Karlsruhe in Zusammenarbeit mit den organischen Chemikern Prof. Michel Rohmer, Straßburg, und Prof. Frieder W. Lichtenthaler, Darmstadt, gemacht hat: Die Erkenntnis, daß Pflanzen einen Teil ihrer Verbindungen auf einem anderen Weg als bisher angenommen synthetisieren, macht eine neue Generation von Herbiziden und eine höhere Ausbeute an wirtschaftlich und pharmazeutisch wertvollen Pflanzenverbindungen denkbar.
Die Entdeckung von Hartmut Lichtenthaler hat in Fachkreisen weltweites Aufsehen erregt und eine stürmische Entwicklung auf dem Gebiet der Isoprenoidforschung bei Pflanzen eingeleitet. Sie betrifft die Biosynthese der grünen Chloroplasten, auch Plastiden genannte Zellorganellen, in denen sich der Photosyntheseapparat der Pflanze befindet. Bei der Photosynthese wird mit Hilfe von Lichtenergie Sauerstoff (O2) freigesetzt sowie Kohlendioxid (CO2) gebunden und in pflanzliche Biomasse umgewandelt. Unerläßlich dafür sind die grünen Chlorophylle und die gelben Carotinoide, beides Pigmentgruppen, sowie die Chinone, die als Elektronenüberträger fungieren. Carotinoide, Chlorophylle und Chinone gehören zur Gruppe der isoprenoiden Pflanzenverbindungen, die entweder aus C5-Bausteinen, den Isopreneinheiten, aufgebaut sind oder C5-Bausteine als Seitenketten enthalten.
In der Pflanzenzelle gibt es außerhalb der grünen Chloroplasten im sogenannten Cytoplasma weitere regelmäßig vorkommende Isoprenoide wie die Sterine, des weiteren die bei vielen Pflanzen als Duftstoffe fungierenden ätherischen Öle, das in der Pfefferminze vorhandene Menthol oder spezielle Isoprenoide, die als biogene Arzneimittel eingesetzt werden. In ihren Blatt-Chloroplasten produzieren viele Pflanzen noch das gasförmige Isopren, das zahlreiche Bäume und krautige Pflanzen unter Streßbedingungen wie Hitze oder Trockenheit in großen Mengen an die Umwelt abgeben. Isopren ist ein umweltschädliches Gas, das in den Städten wesentlich zur Bildung von photochemischem Smog und Ozon beiträgt.
Seit 40 Jahren wurde angenommen, daß die Pflanzen - genau wie Tiere und Pilze - ihre verschiedenen Isoprenoide auf einem bestimmten Biosyntheseweg, dem Acetat-Mevalonat-Weg, aus Acetat-Einheiten (Essigsäure) aufbauen. Dieser Weg liefert die erste aktive isoprenoide C5-Einheit der Zelle, kurz IPP (Isopentenyldiphosphat) genannt, aus der sich durch Kopf-Schwanz-Verknüpfung alle anderen Pflanzenisoprenoide herstellen lassen.
Durch den Einsatz neuer Markierungstechniken und der hochauflösenden Kernresonanzspektroskopie gelang Hartmut Lichtenthaler die Entdeckung, daß die Chloroplasten einen biochemisch eigenen Biosynthesemechanismus für die in dieser Zellorganelle benötigten photosynthetischen Pigmente und Isoprenoide haben: den Desoxyxylulose-phosphat-Weg (DOXP-Weg), der mit Triosephosphat und Pyruvat startet, die enzymatisch zu Desoxyxylulosephosphat umgesetzt werden. Dieser neue DOXP-Weg umfaßt zum einen Carotinoide und die isoprenoiden Seitenketten der Chlorophylle und Chinone. Ganz eng mit dem Zucker- und Photosynthesestoffwechsel der Chloroplasten verbunden, gestattet er neue Einblicke in die Regulation des Zellstoffwechsels der Pflanze.
Da zur Biosynthese der isoprenoiden photosynthetischen Pigmente und Chinone ganz andere Gene aktiviert und Enzyme gebildet werden als bei der Bildung der Pflanzensterine im Cytoplasma und den nicht-grünen Pflanzenteilen, können beide Isoprenoid-Biosynthesewege gezielt durch endogene Faktoren wie Pflanzenhormone oder exogene Faktoren wie Lichtintensität, Lichtqualität oder Hitze gesteuert und reguliert werden. Dies ermöglicht die Entwicklung neuer Hemmstoffe und Herbizide, die nur die Isoprenoidbildung in den Chloroplasten und damit die Bildung des Photsyntheseapparats blockieren. Eingesetzt werden können die neuen Herbizide zum Beispiel zur Kontrolle von Unkräutern und Ungräsern in landwirtschaftlichen Kulturen.
Zum anderen konnte nachgewiesen werden, daß der DOXP-Weg auch das die Umwelt belastende Isopren, zahlreiche ätherische Öle und Duftstoffe in Pflanzen sowie spezielle Isoprenoide in Arzneipflanzen umfaßt. Dies bietet die Möglichkeit, in pflanzlichen Gewebe- und Zellkulturen durch Anbieten von Vorstufen der IPP-Bildung in den Chloroplasten die Ausbeute an erwünschten pflanzlichen Isoprenoiden gezielt zu erhöhen. Auch die Herstellung transgener Pflanzen, in denen die Gene und Enzyme des neuen IPP-Weges überexprimiert werden, könnte gezielt zu einer höheren Ausbeute an ätherischen Ölen, Duftstoffen und isoprenoiden Arzneimitteln sowie von essentiellen Lipidantioxidantien (z.B. Vitamin E) und Carotinoiden (z.B. Provitamin A) in Früchten führen.
Da auch einige Bakterien den neuen DOXP-Biosyntheseweg besitzen, darunter auch pathogene Bakterien, könnten potentielle Hemmstoffe des DOXP-Weges der Chloroplasten eventuell auch zur Bekämpfung bestimmter Bakterien eingesetzt werden.
Nähere Informationen:
Prof. Dr. Hartmut Lichtenthaler, Botanik II, Tel. 0721/608-3833
Diese Presseinformation ist auch im Internet unter folgender Adresse abrufbar:
http://www.uni-karlsruhe.de/~presse/Pressestelle/pi109.html
Criteria of this press release:
Biology, Chemistry, Information technology
transregional, national
Research projects
German
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