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Wissenschaft
Thomas Lengauer, Direktor am Max-Planck-Institut für Informatik und Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes, wurde mit acht hochklassigen wissenschaftlichen Vorträgen in den Ruhestand verabschiedet. Die Sprecher des Kolloquiums präsentierten Ergebnisse, die direkt in der Zusammenarbeit mit Lengauer entstanden, oder die ihrer jüngeren Forschung in dem Gebiet entsprangen.
Am Freitag dem 25. Mai, war gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Informatik und dem Zentrum für Bioinformatik an der Universität des Saarlandes die Verabschiedung von Professor Thomas Lengauer organisiert worden. Dazu wurde am Platz der Informatik der große Günter-Hotz-Hörsaal bereitgestellt. Acht ehemalige Weggefährten und Mitarbeiter steckten den wissenschaftlichen Rahmen mit Erkenntnissen aus Bioinformatik und Algorithmik ab.
Lengauer hatte zunächst Mathematik studiert, worin er 1976 an der FU Berlin auch promoviert wurde. Während eines Studienaufenthalts an der Stanford University, an der er 1977 einen Abschluss als Master of Science in Computerwissenschaften erhielt, wurde er dort 1979 zum zweiten Mal promoviert, zum PhD. Nach einer Stelle bei den Bell Laboratories, New Jersey, war er von 1981-84 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität des Saarlandes, wo er sich 1984 habilitierte; es folgten wissenschaftliche Tätigkeiten als Professor bzw. Institutsleiter in Paderborn, St. Augustin und Bonn. Im Jahr 2001 wurde Lengauer von der Max-Planck-Gesellschaft als wissenschaftliches Mitglied auf-genommen und als damals vierter Direktor an das Max-Planck-Institut für Informatik (MPI-INF) gesandt. Damit wurde das wissenschaftliche Spektrum des MPI-INF um die von Lengauer verfolgte Bioinformatik erweitert. Unter seinem maßgeblichen Einfluss konnte das gerade gegründete Zentrum für Bioinformatik an der Universität des Saarlandes zu heutiger Größe und Bedeutung weiterentwickelt werden. Er ist, wie alle Direktoren der saarländischen Max-Planck-Institute, Honorarprofessor an der Universität des Saarlandes, seit 2003 auch Honorarprofessor an der Universität Bonn.
Als Lengauer ca. 1990 von der Algorithmik zur Bioinformatik wechselte, gab es das Fach eigentlich noch nicht, da kaum Daten und Software für bioinformatische Themen vorhanden waren und die damals verfügbare Leistungsfähigkeit der Computer noch keine umfassenden Berechnungen gestattete. Von den Vortragenden wurde Lengauers visionäre Weitsicht gepriesen, die die Möglichkeiten der Computational Biology schon damals erkannte, und dass er dadurch entscheidende Beiträge zum Aufstieg und zur Ausgestaltung des Fachgebietes leisten konnte und geleistet hat.
Seine ehemaligen Mitarbeiter hoben besonders hervor, dass Thomas Lengauer als Mentor und Wissenschaftler in der Lage war und ist, andere für Themen und Felder zu interessieren und sie zu neuen Ideen zu inspirieren. Dabei hätte seine ungebremste Begeisterungsfähigkeit für wissenschaftliche Themen und seine fast kindliche Freude am Entdecken und an Erkenntnissen auf seine Um-gebung ausgestrahlt.
Robert Tarjan, Turing-Preisträger und Betreuer von Thomas Lengauer bei dessen zweiter Promotion rief die Aufbruchstimmung der beginnenden Computerwissenschaften Ende der 70er Jahre in Erinnerung und konnte zeigen, dass die gemeinsamen Ergebnisse aus jener Zeit noch heute valider Teil der Computerwissenschaften sind.
Anja Feldmann, die im Januar von der Max-Planck-Gesellschaft als wissenschaftliches Mitglied aufgenommen wurde und seitdem einen Direktorenposten am MPI-INF bekleidet, berichtete, dass sie als Lengauers Diplomandin - damals noch im Fachgebiet der Konstruktion integrierter Schaltkreise - wertvolle Impulse für ihre weitere Laufbahn erhalten hat.
Forschungsschwerpunkte
Thomas Lengauer begann als Mathematiker in den 1970er Jahren und wandte sich noch in jenem Jahrzehnt der Theoretischen Informatik zu. In den 1980er Jahren hat er die algorithmischen Grundlagen für den Entwurf hochintegrierter Schaltkreise erforscht. In den 1990er Jahren begann er seine Forschung in der Bioinformatik, zunächst mit der Bearbeitung von grundlegenden Problemen wie der Proteinfaltung und pharmazeutischen Fragen wie der Suche nach Wirkstoffen für gegebene Zielproteine. Seit der Jahrtausendwende hat Lengauer zunehmend medizinische Fragestellungen untersucht. Im Vordergrund steht hier die Resistenzanalyse bei viralen Infektionen, vornehmlich HIV. Grundlagenseitig trat in jüngster Zeit die Analyse epigenomischer Daten in den Vordergrund.
Im Ruhestand wird Lengauer seine Aufgaben als Präsident der International Society for Computational Biology und Präsidiumsmitglied der Nationalen Aka-demie der Wissenschaften Leopoldina weiter ausüben.
Hintergrund Bioinformatik
Die Bioinformatik erschließt die Funktion von lebenden Organismen auf molekularem Niveau mit mathematischen Modellen und Algorithmen. Ihre zentrale Bedeutung entstand durch Entwicklungen der Molekularbiologie, die zellweite Informationen über die Erbsubstanz liefern, also den Bauplan der Zelle (Genomik), die in der Zelle abgelesenen Gene (Transkriptomik), die in der Zelle produzierten Eiweißmoleküle (Proteomik) und die von ihr benutzten Stoffwechselprodukte (Metabolomik) sowie deren Wechselwirkungen (Interaktomik). Aktuelle Forschung fokussiert unter anderem auf die Regulierung der molekularen Prozesse in der Zelle (Epigenomik) sowie die molekularen Grundlagen von Krankheiten. Die Bioinformatik liefert computerbasierte Hilfsmittel bei molekularbiologischen Experimenten, um die anfallenden umfangreichen Daten hinsichtlich biologisch relevanter Muster zu analysieren (Data Mining) und darauf aufbauend mathematische Modelle für biologische Strukturen und Prozesse zu entwickeln. Dabei werden umfangreiche Softwaresysteme entwickelt und eingesetzt, um diese Aufgaben zu bewältigen.
Thomas Lengauer
Christof Rieken für die Leopoldina
None
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German
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