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Wissenschaft
Studie von Prof. Dr. Karl Beine, Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie an der Universität Witten/Herdecke, zu Patiententötungen in Krankenhäusern
Patiententötungen durch klinisches Personal gehören zu den dunkelsten Seiten der Krankenversorgung, ein Tabuthema, an dessen Aufarbeitung und Analyse sich bisher weder die Wissenschaft noch die Öffentlichkeit herangetraut haben: 1998 stand z.B. die französische Krankenschwester Christine Malèvre im Verdacht, dreißig Kranke umgebracht zu haben.
Prof. Karl Beine, Chefarzt des St. Marien-Hospitals in Hamm und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie an der Universität Witten/Herdecke ist der erste Wissenschaftler, der sich systematisch mit diesem Thema befasst. Beine hat weltweit insgesamt 16 Fälle von Patiententötungen der letzten Jahrzehnte erfasst und ausgewertet. Nun liegen seine Ergebnisse vor - und lassen erstmals Rückschlüsse darüber zu, wie in Zukunft solche Verbrechen vielleicht verhindert werden können. Dabei wird vor allem eines klar: Die in der Öffentlichkeit nach solchen Verbrechen regelmäßig vorgenommene Einordnung der Täter als Todesengel, Hexen, Monster gehen ebenso an der Realität vorbei wie die oft vorschnell genannten Tötungsmotive aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen oder unkritischer Loyalität zu Mitarbeitern.
Beine kommt nach eingehenden Recherchen zu anderen Schlüssen und entwickelt eine detaillierte Täterpsychologie: Entgegen der landläufigen Annahme, vor allem Frauen seien die Täter, ermittelt Beine, dass es sich vor allem um Männer handelt. Charakterlich werden sie als überwiegend "selbstunsicher" beschrieben. Auffällig ist, dass sie häufig "unverordnete Medikamente verabreichen". In ihren Arbeitsfeldern sind sie konfrontiert mit langen und unaufgelösten Konflikten. Mitleid mit leidenden Patienten als Tötungsmotiv, auf das sich Täter immer wieder berufen, scheidet für Beine aus: "Die getöteten Patienten befanden sich nicht in ihrer Sterbephase", erklärt der renommierte Psychiater. Das Mitleidsmotiv erklärt er aus einer anderen Perspektive - mit der Unfähigkeit der Täter, Leidenszustände aushalten zu können. Bemerkenswert ist auch die mit bis zu fünf Jahren oft vergleichsweise lange Latenzzeit zwischen der ersten Tötung und der Entdeckung des Täters.
Wie kann man solche Taten in Zukunft verhindern? Auch damit hat sich Beine intensiv befasst, zumal er in früheren Jahren als Oberarzt in Gütersloh selbst mit einem Pfleger zusammengearbeitet hatte, der schließlich 13 Menschen tötete. "Frühwarnhinweise sind verrohte Sprache und Selbstisolation innerhalb einer Arbeitsgruppe", sagt Beine. Häufig gaben die Täter auch exakte Prognosen über den Todeszeitpunkt des betroffenen Patienten ab.
Was hilft, sei eine Arbeitsatmosphäre, in der das klinische Personal auch "über seine aggressiven Fantasien offen reden kann." Eine solche Kultur der offenen Aussprache sei in Kranken- und Pflegeeinrichtungen bisher jedoch kaum zu erkennen. "Wir sehen uns selbst als gute Menschen und wenn wir aggressiv reagieren, reden wir nicht darüber", erklärt Beine das Phänomen. Auf jeden Fall sollte man hellhörig werden, wenn man bei Kollegen eine "zynische Erstarrung" gegenüber ihrem Beruf erkenne.
Referenz: Karl H. Beine: Homicides of patients in hospitals and nursing homes: a comparative analysis of case series. In: International Journal of Law and Psychiatry 26 (2003) 373-386
Kontakt: St. Marien-Hospital, Prof. Dr. Beine, Tel.: 02381/1825-25 /-26
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing, Psychology, Social studies, Teaching / education
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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