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Für medizinischen Laien bedeutet Metastasierung, dass ein Patient keine Aussicht auf Heilung hat. Dass das nicht immer der Fall sein muss, wird auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) 2018 in Leipzig von Prof. Dr. Matthias Guckenberger, Direktor der Klinik für Radioonkologie, UniversitätsSpital Zürich, erläutert werden: „Wir wissen heute, dass es Patientengruppen gibt, die zwar Metastasen haben, aber dank moderner Hochpräzisions-Radiotherapie geheilt werden können.“ Univ.-Prof. Dr. med. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO, ergänzt: „Die moderne Radioonkologie trägt heute maßgeblich zur Prognoseverbesserung dieser Patienten bei“.
Bis vor wenigen Jahren herrschte in der Krebstherapie ein Schwarz-Weiß-Denken: Wenn der Krebs auf das Ursprungsorgan begrenzt war, dann war die Heilung des Patienten das Ziel. Wenn der Tumor aber gestreut hatte, dann konnte die Erkrankung lediglich verlangsamt, aber nicht besiegt werden. Heute wissen wir, dass es eine Zwischenstufe der Krebserkrankung gibt, bei der sich nur einzelne Metastasen abgesetzt haben, der Tumor sich aber noch nicht ungehindert im Körper ausbreiten kann. Man spricht hier von einer Oligo-Metastasierung (oligo: griech. = wenige). Das vollständige Ausschalten aller Metastasen durch die Strahlentherapie ist dann ein wichtiger Faktor, um eine Chance auf Heilung zu ermöglichen.
Und tatsächlich sind es mehr Patienten, bei welchen eine solche Oligo-Metastasierung vorliegt, als noch vor wenigen Jahren erwartet wurde. Beim nicht-kleinzelligem Lungenkrebs ist bei bis zu 50% der Patienten die Metastasierung auf nur wenige Absiedlungen begrenzt [1]. Beim Prostatakarzinom findet man nach fehlgeschlagener Operation bei etwa 40% der Patienten wenige isolierte Metastasen [2]. Denn erst moderne Methoden der Bildgebung haben es ermöglicht, diese wenigen und kleinen Absiedlungen sicher zu entdecken.
Die moderne Hochpräzisionsbestrahlung ermöglicht dann eine punktgenaue, hochdosierte (ggf. fraktionierte), stereotaktische Bestrahlung von diesen Tumoren und Metastasen. Vorab erfolgen für die stereotaktische Bestrahlung anhand von Röntgen- und CT-Bildern eine detaillierte 3D-Planung und die Berechnung der Dosis und des Bestrahlungsfelds („virtuelle Simulation“) bei maximal möglicher Schonung von gesundem Gewebe. „Eine ablative Hochpräzisionsbestrahlung ist heute genauso effektiv wie eine Metastasen-Operation, aber nicht-invasiv und daher sicherer für die Patienten“, ergänzt
Professor Guckenberger. Insgesamt hängt der langfristige Therapieerfolg nach Bestrahlung von Metastasen von der Art des Primärtumors und des Metastasierungs-Typs ab, denn „Metastasierung ist nicht gleich Metastasierung, wie wir heute wissen. Manche Tumorarten metastasieren frühzeitig und an vielen verschiedenen Orten im Körper, andere langsam oder nur vereinzelt.“
„Leider haben viele Patienten vor einer Strahlentherapie mehr Angst als vor einer Operation.“ Dabei kann eine zusätzliche Strahlentherapie das Überleben verlängern. So zeigte eine Studie [3] bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (maximal drei Metastasen), die nach Erstlinien-Chemotherapie progressionsfrei waren, nach einer lokalen Konsolidierungsbestrahlung eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens von 3,9 auf 11,9 Monate gegenüber Patienten mit alleiniger, leitlinienentsprechender Erhaltungstherapie. Die Nebenwirkungsrate lag bei 20% (maximal Grad 3, keine höhergradige Toxizität). Eine ebenfalls 2018 veröffentlichte Phase-II-Studie [4] randomisierte Patienten mit Prostatakarzinom nach primär kurativem Therapieziel mit biochemischem Rezidiv und maximal drei Metastasen (asymptomatisch) in zwei Gruppen. Sie erhielten entweder eine regelmäßige Überwachung oder eine „MDT“ (metastasis-directed therapy), d.h. chirurgische Entfernung oder stereotaktische Bestrahlung der Metastasen. Die MDT verbesserte das progressionsfreie Überleben von 13 auf 21 Monate, bei vergleichbarer Lebensqualität (und maximal Grad-1-Nebenwirkungen).
Wichtige Erkenntnisse der klinischen und biochemischen Tumorforschung sprechen dafür, dass die Oligo-Metastasierung gegenüber der multiplen Metastasierung (mehr als fünf bzw. viele Metastasen) eine ganz eigene Entität darstellt [5]. Molekulare Subtypisierungs-Analysen können es künftig möglich machen, eine multimetastatisch verlaufende von einer oligometastatischen Tumorerkrankung zu unterscheiden [6]. Bei Patienten mit Oligo-Metastasierung könnten molekulare „Metastasenmarker“ sogar die Heilungschancen abschätzen lassen.
Prof. Guckenberger setzt große Hoffnungen in die Zukunft: „Es ist hier ein Paradigmenwechsel zu erwarten, denn die ablative Hochpräzisionsbestrahlung kann hoffentlich in optimaler Kombination mit moderner systemischer Therapie und Chirurgie bei zukünftig größeren Patientengruppen mit Oligo-Metastasierung, beispielsweise bei Primärtumoren in Lunge Prostata oder Darm, eine Heilung möglich machen.“
Die Evidenzlage spricht bei manchen Tumoren (insbesondere Lunge, Prostata) so stark zugunsten der Strahlentherapie, dass die DEGRO-Arbeitsgruppe „Stereotaxie“ das Thema in Fort- und Weiterbildungen immer wieder mit den neusten Daten präsentiert, um innovative Techniken schnell flächendeckend zu implementieren. Univ.-Prof. Dr. med. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO, ergänzt: „Die moderne Radioonkologie trägt heute maßgeblich zur Prognoseverbesserung dieser Patienten bei, bei denen nur vereinzelte Metastasen vorliegen. Selbst eine Heilung ist möglich“.
Referenzen
[1] Torok J, Kelsey C, Salama J et al. Patterns of Distant Metastases in Surgically Managed Early-Stage Non-Small Cell Lung Cancer. IJROBP 2013; 87(2): Supp S528–S529
[2] Roach PJ, Francis R, Emmett L et al. The Impact of 68Ga-PSMA PET/CT on Management Intent in Prostate Cancer: Results of an Australian Prospective Multicenter Study. J Nucl Med 2018; 59(1): 82-8
[3] Gomez DR, Blumenschein GR Jr, Lee JJ et al. Local consolidative therapy versus maintenance therapy or observation for patients with oligometastatic non-small-cell lung cancer without progression after first-line systemic therapy: a multicentre, randomised, controlled, phase 2 study. Lancet Oncol 2016; 17(12): 1672-82
[4] Ost P, Reynders D, Decaestecker K et al. Surveillance or Metastasis-Directed Therapy for Oligometastatic Prostate Cancer Recurrence: A Prospective, Randomized, Multicenter Phase II Trial. J Clin Oncol 2018; 36(5): 446-53
[5] Weichselbaum RR, Hellman S. Oligometastases revisited. Nat Rev Clin Oncol 2011; 8(6): 378-82
[6] Pitroda SP, Khodarev NN, Huang L et al. Integrated molecular subtyping defines a curable oligometastatic state in colorectal liver metastasis. Nat Commun 2018 May 4; 9(1):1793
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