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DFG-Forschungsprojekt zu Mitteldeutschland an der Universität Jena jetzt verlängert
Jena (21.10.03) "Miss Mitteldeutschland" ist laut Jury die Schönste im ganzen "mitteldeutschen" Land. Aber woher kommt sie? Aus welchen Bundesländern stammen die Kandidatinnen für den Schönheitswettbewerb? Nach Meinung des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), kommen sie aus Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen - das ist nämlich das MDR-Sendegebiet. Aber wollen die Sachsen überhaupt zu Mitteldeutschland gehören, und fühlen sich die Thüringer nicht eher als Süddeutsche? Und wenn wir schon nach Deutschlands Mitte suchen, liegt die nicht streng genommen woanders? "Die Region Mitteldeutschland ist kein feststehender Naturraum, sondern ein soziales Konstrukt," sagt Antje Schlottmann. Die Wissenschaftlerin, die am Lehrstuhl für Sozialgeographie der Universität Jena arbeitet, hat mit ihrem Team untersucht, wie "Mitteldeutschland" in den Medien konstruiert wird. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt geht nun in die nächste Phase. Denn die DFG hat jetzt für ein weiteres Jahr Mittel bewilligt, damit die Geographen überprüfen können, ob die vom MDR vermittelte Region bereits in den Köpfen der potenziellen Bewohner Mitteldeutschlands "eingezeichnet" ist.
Dass sie dort fündig werden ist sehr wahrscheinlich, "denn unter globalisierten Bedingungen werden Regionalismen eher stärker", so Prof. Dr. Benno Werlen. Die Sehnsucht der Menschen nach Heimat, nach Zugehörigkeit hat der Lehrstuhlinhaber für Sozialgeographie von der Uni Jena als allgemeinen Trend ausgemacht. In den neuen Bundesländern mag hinzu kommen, dass man sich lieber das neu entworfene "mitteldeutsche Mäntelchen" umhängt und so das Image des "Ostdeutschen" ablegen kann. Auch dies ist eine Hypothese der Jenaer Wissenschaftler.
Zunächst haben die Jenaer Geographen am Beispiel der MDR-Sendereihe "Geschichte Mitteldeutschlands" analysiert, wie im Medium Fernsehen die Region Mitteldeutschland aufgebaut wird. In Gesprächen mit den verantwortlichen Redakteuren und beim Betrachten der Sendungen wurde schnell klar, hier wird einem breiten Publikum Mitteldeutschland als historisch gewachsene Einheit präsentiert. "Dazu wurden geschichtsträchtige Orte und eine spezifische Eigenart der Menschen einem Gesamt-Raum Mitteldeutschland zugeschlagen", erklärt Antje Schlottmann. "Das war für die Redakteure ganz natürlich, da es zum zeitgenössischen Verständnis gehört, Räume oder Regionen wie Behälter zu behandeln. Die Journalisten sehen es als ihre Aufgabe an, über ,ihre Region' als Schublade voller Besonderheiten zu berichten", erläutert Schlottmann. Hingegen sei die spezielle Etablierung von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als Mitteldeutschland vom MDR bewusst betrieben worden.
In Umfragen, die die Wissenschaftler auf Volksfesten wie dem Thüringentag oder dem Tag der Sachsen durchführen, konnten sie feststellen, dass ein Teil der Bevölkerung Mitteldeutschland entsprechend verortet. "Alternative Identifikationen, z. B. als ,Ostdeutscher', bestehen aber durchaus noch", so Schlottmann. "Dass es die Region Mitteldeutschland gibt, wird übrigens kaum in Frage gestellt", berichtet die Geographin. Nur wer dazugehört, darüber besteht in der Bevölkerung noch keine einhellige Meinung. "Aber es deutet sich an, dass sich die vom MDR propagierte Version durchsetzt."
Ziel der Forschungsarbeiten sei es jedoch nicht gewesen, den Erfolg einer einzelnen Fernsehsendung zu messen, unterstreicht die Wissenschaftlerin. Es geht vielmehr darum, die Mechanismen aufzudecken, wie Räume konstruiert wurden und werden. "Die Medien fungieren dabei nur als Verstärker für einen gesellschaftlichen Prozess", bekräftigt auch Prof. Werlen.
Kontakt:
Prof. Dr. Benno Werlen und Antje Schlottman M.A.
Institut für Geographie der Universität Jena
Grietgasse 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 948841 oder 948845
E-Mail: benno.werlen@uni-jena.de und c8scan@geogr.uni-jena.de
Wo liegt die Region, deren schönste Gesichter "Mister und Miss Mitteldeutschland" 2003 sind? (Foto: ...
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Criteria of this press release:
Geosciences, Media and communication sciences, Social studies
transregional, national
Research projects, Research results
German
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