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Billiardstoß oder Auffahrunfall? Experimente mit Terahertz-Spektroskopie ermöglichen es erstmals, bestimmte Vorgänge in Halbleitern auseinander zu halten, die das Funktionieren von Transistoren, Solarzellen und anderen Geräten maßgeblich beeinflussen. Das berichtet ein Team aus der Marburger Physik in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Physical Review B“. Der Forschungsgruppe ist es gelungen, in Halbleitern experimentell zu unterscheiden, ob die Bewegungsenergie von Ladungsträgern bei deren Streuung erhalten bleibt oder nicht.
Unter Streuung versteht man in der Physik die Ablenkung von Teilchen oder Wellen, die in Wechselwirkung mit einem anderen Objekt treten. Die Streuung von Ladungsträgern bestimmt den Betrieb und die Leistung vieler elektronischer Bauelemente, die auf Halbleitern basieren. „Wir können zeigen, dass ultraschnelle Terahertz-Spektroskopie ein geeignetes Werkzeug ist, um Einblicke in diese Streuprozesse zu gewinnen“, sagt der federführende Autor Markus Stein, der seine Doktorarbeit in der Arbeitsgruppe Halbleiterphotonik der Philipps-Universität anfertigt.
Bei der Streuung von Teilchen kann die Bewegungsenergie des Systems erhalten bleiben. „Dies kennt man vom Stoß zweier Kugeln beim Billardspiel“, erläutert Stein: „Hier geht zwar Bewegungsenergie von einer Kugel auf eine andere über, aber die Energie wird nicht vernichtet.“ Physiker sprechen von einem elastischen Stoß. Anders verhält es sich zum Beispiel bei einem Auffahrunfall zwischen zwei Autos. Bei diesem Stoß verbraucht sich ein Teil der Bewegungsenergie für die Verformung der Autokarosserie. Der Physiker spricht in diesem Fall von einem unelastischen Stoß. „Mit den bislang verwendeten Methoden ist es schwierig, zwischen elastischen und unelastischen Stößen von Ladungsträgern in Halbleitern zu unterscheiden“, erläutert Stein. „Folglich ist experimentell wenig über unelastische Streuprozesse bekannt.“
Die Marburger Forschungsgruppe nutzte Terahertz-Strahlung, um interne Übergänge zwischen Ladungsträgern im Halbleitermaterial Germanium zu identifizieren, die zuvor mittels optischen Laserpulsen erzeugt wurden. Das Augenmerk des Teams lag auf Ladungsträgern, die über elektrische Wechselwirkungen miteinander verbunden sind, sogenannte Exzitonen. Diese können streuen, wenn sie mit anderen Ladungsträgern zusammenstoßen. „Bildlich gesprochen stellte sich die Frage, ob die Streuprozesse im Halbleiter eher einem Billardspiel oder einem Autounfall gleichen“, ergänzt Koautor Felix Schäfer, der sich mit diesem Thema in seiner Masterarbeit beschäftigt hat. „In unseren Experimenten treten beide Streuprozesse auf, und zwar ähnlich häufig.“
„Unelastische Streuprozesse zerstören die gebundenen Zustände“, beschreibt Stein den Unterschied zur elastischen Streuung, der sich experimentell feststellen ließ. „Die Möglichkeit, zwischen den beiden Streumechanismen zu unterscheiden, erlaubt nicht nur eine systematische Untersuchung dieser elementaren Prozesse, sondern verspricht auch die Optimierung von Halbleiterbauteilen, deren Leistungsfähigkeit durch Streuung begrenzt ist“, führen die Physiker aus.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die zugrundeliegenden Untersuchungen durch ihren Marburger Sonderforschungsbereich „Struktur und Dynamik innerer Grenzflächen“ (SFB 1083).
Originalveröffentlichung: Markus Stein, Felix Schäfer & Leonie Marie Gomell: Inelastic electron-exciton scattering in bulk germanium, Physical Review B, 99 (2019), DOI: https://link.aps.org/doi/10.1103/PhysRevB.99.144310
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Markus Stein,
Arbeitsgruppe Halbleiterphotonik
Tel.: 06421 28-22122
E-Mail: markus.stein@physik.uni-marburg.de
Markus Stein und Leonie Marie Gomell bereiten das Experiment vor.
(Foto: Alfred Müller; das Bild darf nur für die Berichterstattung über die zugehörige wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.)
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Criteria of this press release:
Journalists
Physics / astronomy
transregional, national
Research results, Scientific Publications
German
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