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Der Plan für den deutschen Kohleausstieg bis 2038 bietet keine Sicherheit, dass der Ausstoß des Treibhausgases CO2 unter dem Strich wirklich sinkt. Im Gegenteil könnten der Ausstieg die Emissionen durch die komplizierten Mechanismen im Europäischen Emissionshandel sogar noch steigen lassen, wie ein Team von Forschern in einer neuen Analyse zeigt. Damit der Kohleausstieg wirklich etwas bringt für die Stabilisierung unseres Klimas, muss er kombiniert werden mit einem Mindestpreis auf CO2 oder der Löschung von Emissionszertifikaten.
„Dass ein Industrieland mit hohem Kohleverbrauch wie Deutschland den Ausstieg aus der Kohle beschließt, ist ein starkes Signal – jetzt aber brauchen wir wirksame politische Werkzeuge, damit die nun anstehende Umsetzung des Beschlusses der Kohlekommission auch tatsächlich die klimaschädlichen CO2-Emissionen senkt“, erklärt Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Leit-Autor der im Fachjournal Energiewirtschaftlichen Tagesfragen veröffentlichten Untersuchung. „Es besteht sonst ernsthaft das Risiko, dass ein Kohleausstieg allein durch Abschaltungen von Kraftwerken das Gegenteil von dem bewirkt, was er bewirken soll. Das wäre für die dringend nötige Stabilisierung unseres Klimas fatal – und es wäre schädlich für das Vertrauen der Menschen in die deutsche Politik und das Ansehen der deutschen Klimapolitik in der Welt. Deshalb sollte man jetzt gegensteuern: mit einer verlässlichen und gerechten Bepreisung von CO2.“
Die Analyse ist Teil der Arbeit des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Kopernikus-Projekts „ENavi“. Eingeflossen sind auch die Forschungen zu einem Mindestpreis im europäischen Emissionshandel im Rahmen des von der Stiftung Mercator geförderten Projekts „AHEAD“. Vorgestellt werden die Ergebnisse von Ko-Autor Ottmar Edenhofer auch beim Kongress des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft an diesem Donnerstag.
+++Europäischer Emissionshandel: Nur Verlagerung über die Grenze?+++
Zwei Effekte haben die Forscher in ihren Wirkungen analysiert. Erstens: Wenn Kohlekraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden, sinkt das Angebot von Strom im Markt, und entsprechend steigt der Strompreis. Dadurch aber können die immer noch im Markt verbleibenden Kohlekraftwerke häufiger kostendeckend produzieren – sie erhöhen ihre Produktion, und damit steigt ihr Ausstoß an CO2. Zweitens: Durch den deutschen Kohleausstieg sinkt die Nachfrage nach Emissions-Berechtigungs-Zertifikaten im Europäischen Emissionshandel und nach den Marktgesetzen damit auch deren Preis. Stromproduzenten im Ausland kaufen mehr der dann billigeren Emissions-Berechtigungen und steigern ihren CO2-Ausstoß.
„Diese Risiken werden bislang unterschätzt“, sagt Christian Flachsland, Ko-Autor vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Die Forscher haben eine Reihe von Szenarien durchgerechnet. So kann etwa die Stromnachfrage stark steigen, insbesondere wenn der Wärmesektor und der Verkehrssektor – Stichwort Elektro-Autos – umfassend elektrifiziert werden. Diese Nachfragesteigerung kann die CO2-Emissionen in Deutschland trotz Kohleausstiegsplan steigen lassen.
Wichtig: Auch die neu eingeführte sogenannte Markt-Stabilitäts-Reserve im Europäischen Emissionshandel hilft nicht. „Hier werden zwar Emissions-Zertifikate vom Markt genommen“, so Flachsland. „Aber dies passiert im Wesentlichen vor 2035 – und erst dann soll der Großteil der Emissionsreduktionen durch den deutschen Kohleausstieg erfolgen. Unter dem Strich kann der Emissionshandel, so wie er heute ist, nicht garantieren, dass der Kohleausstieg wirklich zusätzliche Emissionsreduktionen bringt.“
+++Edenhofer: Eine Versicherung gegen die Unsicherheiten auf den Märkten+++
Helfen kann ein CO2-Preis. Wird er in Deutschland eingeführt, je nach Szenario mit 30 bis 60 Euro pro Tonne im Jahr 2030, werden die nationalen Klimaziele im Stromsektor erreicht. Um eine bloße Verlagerung der Kohle-Verstromung und damit des CO2-Ausstoßes im Europäischen Emissionshandel von Deutschland zu seinen Nachbarn zu verhindern, könnten Emissions-Zertifikate gelöscht werden. Dies würde Deutschland allerdings bis zum Jahr 2050 möglicherweise grob 19 Milliarden Euro kosten. Die Einführung eines Mindestpreises für versteigerte CO2-Zertifikate im gesamten Europäischen Emissionshandel analog zu einem Mindestgebotspreis auf Ebay wäre hierbei eine besonders elegante Lösung: Liegt der Marktpreis unter dem Mindestpreis der Zertifikate, werden automatisch Zertifikate zurückgehalten und können gelöscht werden.
„Bereits wenn eine Pioniergruppe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und wenigen anderen einen solchen Mindestpreis einführen würde, könnte das ein wichtiger Schritt zu einem EU-weiten Mindestpreis sein“, betont Ottmar Edenhofer, Direktor von PIK und MCC sowie Ko-Autor. Die Kosten der Löschung von Zertifikaten würden auf mehrere Schultern verteilt, unter Umständen könnte Deutschland hier sogar Einnahmen erwarten. „Der Mindestpreis ist eine Versicherung gegen die Unsicherheiten auf den Märkten – und damit letztlich auch gegen die realen Risiken des Klimawandels wie etwa immer mehr Extremwetter“, so Edenhofer. „Und er wäre eine Versicherung für die Politik, dass sie glaubwürdig bleibt. Wenn sie die Bepreisung so gestaltet, dass die Stromsteuer sinkt und insbesondere ärmere Familien Rückerstattungen bekommen, gewinnen am Ende alle.“
Michael Pahle, Ottmar Edenhofer, Robert Pietzcker, Oliver Tietjen, Sebastian Osorio und Christian Flachsland (2019): Die unterschätzten Risiken des Kohleausstiegs. Energiewirtschaftliche Tagesfragen, 69 Jg., H.6. S.1-4
https://www.ew-online.de/medien/fachzeitschriften-fuer-die-energiewirtschaft/et-...
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars, all interested persons
Economics / business administration, Energy, Environment / ecology, Oceanology / climate
transregional, national
Research results
German
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