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Der Gender Pension Gap ist in Deutschland besonders groß und hartnäckig. Die Ansprüche von 65- bis 79jährigen Frauen aus der gesetzlichen Rentenversicherung waren nach den jüngsten europaweiten Vergleichszahlen von 2016 rund 42% geringer als die der Männer. Damit steht Deutschland EU-weit an fünftletzter Stelle. Betroffen sind besonders verheiratete Frauen und Witwen aus Westdeutschland. "Die verfassungsrechtliche Forderung einer tatsächlichen Gleichstellung bei den Alterseinkommen wird derzeit nicht erfüllt", sagt Dr. Eva Maria Hohnerlein vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. Sie fordert, die Pflege von Angehörigen in der Rentenversicherung stärker zu berücksichtigen.
Die aktuelle Debatte um die sogenannte "Respektrente" zeigt es überdeutlich: Den persönlichen Lebensleistungen wird das deutsche Rentensystem nur bedingt gerecht. Dies gilt insbesondere für Frauen, die wegen Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen oftmals mehrere Jahre ganz aus dem Berufsleben ausscheiden oder nur in Teilzeit arbeiten und entsprechend geringere Rentenansprüche erwerben als Männer. Die geringeren Ansprüche wirken sich finanziell massiv aus: Frauen erhielten 2016 im Durchschnitt eine um rund 400 Euro niedrigere Rente als Männer. Insbesondere Frauen, die nicht auf ihren Partner oder andere Einkommen zurückgreifen können, sind daher dem Risiko der Altersarmut ausgesetzt.
Die Ursachen für den Gender Pension Gap sind vielfältig: 1. Frauen erhalten in Deutschland brutto im Schnitt 21% weniger Lohn als Männer (2016), womit Deutschland im europäischen Vergleich auch hier als Drittletzter zu den Schlusslichtern gehört. 2. Aufgrund von Kindererziehung und/oder Pflege älterer Angehöriger sind Frauen weniger Jahre versicherungspflichtig beschäftigt und arbeiten häufiger in Teilzeit. 3. Durch die Pause haben Frauen beim Wiedereinstieg in der Regel geringere Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten. 4. Hinzu kommen sogenannte strukturelle Benachteiligungen: Frauen sind im oftmals schlecht bezahlten Dienstleistungssektor überrepräsentiert.
Erreichen Frauen das Rentenalter, summieren sich diese negativen Faktoren und ergeben deutlich geringere Rentenansprüche als dies bei Männern der Fall ist. Besonders groß ist die Kluft bei verheirateten Frauen (64%) und Witwen (62%) aus Westdeutschland. Denn traditionell basiert das deutsche Rentensystem auf der Idee eines lebenslang in Vollzeit arbeitenden, meist männlichen, Familienernährers.
Um die Lücke zu schließen, werden von der Politik zwei Wege verfolgt: eine verbesserte rentenrechtliche Anerkennung von sozial bedingten Lücken im Erwerbsverlauf und der Ausbau der Berufstätigkeit von Frauen. Die Zunahme insbesondere von Vollzeitbeschäftigung bei Frauen bleibt bislang hinter den Erwartungen zurück, was nicht zuletzt dem Mangel an adäquaten Angeboten für Kinderbetreuung geschuldet ist. Bei der rentenrechtlichen Anerkennung von Phasen der Kindererziehung hingegen hat Deutschland bislang relativ großzügige Regelungen eingeführt, insbesondere mit der "Mütterrente I" von 2014 und der "Mütterrente II", die Anfang 2019 in Kraft trat. Während sich die Erziehung von Kindern unmittelbar rentensteigernd auswirkt, hinkt die Anerkennung für die Pflege von Angehörigen, z.B. den Eltern, bislang deutlich hinterher.
Nur im günstigsten Fall erhöht sich die monatliche Rente für ein Jahr Pflege um 30,90 € (2018), was in etwa dem Wert eines Rentenpunkts entspricht und mit dem Ausgleich für ein Kindererziehungsjahr vergleichbar ist. In der Regel wird es weit weniger sein. Anders als bei der Kindererziehung werden keine Rentenbeiträge gezahlt, wenn die Pflegeperson neben der Pflegetätigkeit mehr als 30 Stunden arbeitet. Ursprünglich entfiel auch die Anrechnung von Pflegezeiten, wenn ein/e Pflegende/r das Rentenalter erreicht hat. Das sogenannte Flexirentengesetz bietet hier seit 2017 ein Schlupfloch: Wer auf einen minimalen Teil seiner Rente verzichtet, z.B. 1%, ist in der Rentenversicherung weiterhin versicherungspflichtig und kann als Pflegeperson Rentenanwartschaften erwerben. Von Vorteil ist zudem, dass die Anwartschaften aus der Pflegearbeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze mit einem monatlichen Zuschlag von 0,5% höher bewertet werden. Damit können pflegende Angehörige ihren Rentenanspruch weiter aufstocken. Allerdings will das Gesundheitsministerium diese Gesetzeslücke schließen, was einen Rückschritt bedeuten würde. Pflege im Rentenalter würde damit anders behandelt werden als Erwerbstätigkeit im Rentenalter. Dies würde dem Ziel, den Gender Pension Gap zu reduzieren, zuwiderlaufen.
Auch wenn nicht jede Frau mit geringen Rentenansprüchen von Altersarmut bedroht ist, z.B. weil sie Hinterbliebenenleistungen bezieht, zeigt der Gender Pension Gap, dass Frauen deutlich geringere Chancen haben, im Alter dieselbe Rente zu erzielen wie Männer. "Solange das Rentensystem der bisherigen Logik eines vollständigen und unterbrechungslosen Erwerbsverlaufs folgt, wird der Gender Pension Gap nicht verschwinden", prognostiziert Wissenschaftlerin Dr. Eva Maria Hohnerlein, die die Untersuchung am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik durchgeführt hat. Die bisherigen Maßnahmen innerhalb des Rentensystems seien jedenfalls nicht geeignet, strukturelle Benachteiligungen von Frauen im Arbeitsmarkt und in den sozialstaatlichen Arrangements auszugleichen.
Dr. Eva Maria Hohnerlein
E-Mail: hohnerlein@mpisoc.mpg.de
Eva Maria Hohnerlein: Alterssicherung von Frauen und Gender Pension Gap in Deutschland, in: Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht (ZIAS), Heft 2, Band 32, S. 143-155.
Criteria of this press release:
Journalists, Scientists and scholars
Law, Politics
transregional, national
Research results
German
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