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06/27/2019 10:35

Lorenz-von-Stein-Preis in diesem Jahr an zwei Preisträger vergeben

Linda Schädler Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    Die Lorenz-von-Stein-Gesellschaft e.V. zeichnet Ruben Bach und Benjamin Engst heute für die zwei besten sozialwissenschaftlichen Dissertationen an der Universität Mannheim des vergangenen Jahres aus. Die Fördergesellschaft des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES) prämiert seit 1999 jährlich Doktorarbeiten aus den Fächern Politikwissenschaft, Sozialpsychologie oder Soziologie. Der Lorenz-von-Stein-Preis ist mit je 1.000 Euro dotiert.

    Wiederholte Messungen – verändertes Verhalten? Sozialwissenschaftler Ruben Bach zeigt, inwiefern wiederholte Befragungen sowohl Antworten als auch Verhalten von Befragten (unbeabsichtigt) beeinflussen

    Das Problem der Datenqualität und -zuverlässigkeit stellt in einer Zeit von sinkender Umfrageteilnahme und manipulierten Umfragedaten die größte Herausforderung für Befragungen dar, insbesondere im Kontext von Längsschnittstudien. Diesem Aspekt widmet sich Ruben Bach in seiner Dissertation und untersucht im Rahmen von Quer- und Längsschnittstudien die verschiedenen Ausprägungen von Datenverzerrungen durch sogenannte conditioning effects. Er kommt zu dem Ergebnis, dass diese Effekte besonders auf der Verhaltensebene in Längsschnittstudien nachweisbar sind, aber auch darüber hinaus Relevanz besitzen.

    Konditionierungseffekte in verschiedenen Formen
    Ausgehend von verschiedenen Typen von Konditionierungseffekten konzentriert sich Bach zum einen auf die empirische Untersuchung von survey conditioning effects. Dies bedeutet, dass durch das Verwenden ähnlicher Fragetypen oder -strukturen innerhalb einer Untersuchung das Antwortverhalten von Befragten beeinflusst wird. So verkürzen einige Teilnehmer, wie Bach anhand von Experimenten in verschiedenen sozialwissenschaftlichen Umfragen nachweist, lange und mühsame Befragungen, indem sie gezielt falsche Antworten geben, um Zusatzfragen zu vermeiden. Allerdings werden, entgegen seiner Hypothese, diese Verzerrungen nicht von der Teilnahmebereitschaft der Befragten, der sogenannten response propensity, beeinflusst. Zum anderen lassen sich keine Hinweise auf panel conditioning effects feststellen, also ob die nachgewiesenen Verzerrungen im Antwortverhalten durch wiederholte Befragung im Rahmen von Längsschnittstudien verstärkt werden.

    Besondere Relevanz wiederholter Studienteilnahme in Längsschnittstudien für konkrete Verhaltensveränderungen
    Ein besonders interessanter und greifbarer Aspekt der Dissertation ist das Resultat einer Analyse von Umfragedaten einer großen nationalen Längsschnittbefragung von ALG-II-Beziehern (PASS Studie) in Kombination mit administrativen Arbeitsmarktdaten. Hier weist die Arbeit nach, dass die wiederholte Teilnahme an dieser Umfrage bei den Befragten einen Anstieg der Wahrnehmung von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wie etwa Weiterbildungsprogrammen oder Fördermaßnahmen zur Arbeitssuche bewirkt – auch wenn sich diese nicht konkret auf eine Verkürzung der Dauer der Arbeitssuche niederschlagen.

    Bach kommt zu folgendem Fazit: „Zwar wurde schon lange befürchtet, dass sich die Teilnahme an Längsschnittbefragungen auf das Verhalten der Befragten auswirken könnte, aufgrund fehlender Validierungsdaten konnten entsprechende Studien bisher allerdings kaum durchgeführt werden. Mit den kombinierten Umfrage- und Arbeitsmarktdaten vom IAB in Nürnberg lassen sich solche Effekte erstmalig für eine große sozialwissenschaftliche Panelstudie nachweisen. Insgesamt verdeutlicht meine Arbeit, wie schnell Umfragedaten ein verzerrtes Bild der Realität liefern können, aber gleichzeitig auch, wie schwierig die Identifikation der Fehlerquellen ist.“

    Wie gestalten sich die Beziehungen von Verfassungsgerichten und Regierungen zueinander? Der Politikwissenschaftler Benjamin Engst entwickelt einen neuen theoretischen Ansatz zur Erklärung von Machtpositionen der Verfassungsgerichte

    Neben den Regierungen nehmen Verfassungsgerichte durch ihre richterlichen Entscheidungen eine zentrale Rolle in der nationalen Politikgestaltung ein. Welchen Einfluss haben jedoch diese Gerichte auf den politischen Prozess? Üben die politischen Akteure ihrerseits einen Einfluss auf die Rechtsprechung aus? Die bisherige Forschung weist zu diesen Fragen eine theoretische Forschungslücke auf. Der Politikwissenschaftler Benjamin Engst hat dieses relativ wenig erforschte Thema in seiner Dissertation untersucht. Darin entwickelt er eine neue dynamische Theorie der Beziehungen von Regierungen und Verfassungsgerichten in gewaltenteiligen Systemen.

    Die Macht der richterlichen Entscheidungen
    In seiner Doktorarbeit betont Engst zwei Formen der justiziellen Macht. Einerseits zeichnet sich diese durch den direkten Einfluss der richterlichen Entscheidungen insbesondere anhand von richterlichen Handlungsanweisungen auf die politischen Akteure aus. Andererseits besteht eine Signalwirkung der vergangenen Rechtsprechung auf die Regierungsakteure als ein indirekter Einfluss. Hierzu entwickelt Engst ein spieltheoretisches Modell der Gewaltenteilung, in dem die justiziellen Akteure ihre Politikpräferenzen einbringen und Regierungen ihrerseits diese Präferenzen antizipieren, um ihr eigenes Verhalten im Gesetzgebungsprozess daran anzupassen. Aufbauend auf einem Vergleich der europäischen Verfassungsgerichte, wählt Engst das Bundesverfassungsgericht für seine empirische Analyse und verwendet unter anderem Daten aus dem ans MZES angegliederte DFG-Projekt „Das Bundesverfassungsgericht als Vetospieler“.

    Das Bundesverfassungsgericht als Fallstudie
    Der Preisträger untersucht die theoretischen Annahmen seines Modells anhand von 580 Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zwischen 1990 und 2009. Hierzu betrachtet er die Interaktionen des Bundesverfassungsgerichtes und der Bundesregierung im politischen Prozess. Mittels quantitativer Textanalyse von richterlichen Urteilen und Gesetzestexten werden die Präferenzen des Gerichts und der Regierung bestimmt. Engst kommt dabei zu folgendem Fazit: „Verfassungsgerichte müssen auf gesellschaftliche und politische Fragen Antworten geben. Daher dürfen wir diesen Gerichten eine politische Rolle nicht absprechen oder diese pauschalisiert negativ bewerten. Meine Arbeit zeigt, dass Verfassungsgerichte durch ihre Entscheidungen direkte und indirekte Macht auf den politischen Prozess ausüben können. Allerdings berücksichtigen die Gerichte die gesellschaftliche und politische Umwelt und beschränken sich entsprechend. Verfassungsrichterinnen und -richter agieren also nicht blind politisch, sondern nutzen ihre Macht im Rahmen des demokratischen Prinzips der Gewaltenteilung.“

    Kontakt:
    Titel der Arbeit: Unintended Behavioral Consequences Due to Repeated Measurement
    Ruben Lukas Bach
    Universität Mannheim
    Lehrstuhl für Statistik und sozialwissenschaftliche Methodenlehre
    Tel.: +49 (0) 621-181-2068
    Fax: +49 (0) 621-181-3451
    Email: r.bach@uni-mannheim.de
    http://sswml.uni-mannheim.de/Team/Ruben%20Bach/

    Titel der Arbeit: The Two Faces of Judicial Power: The Dynamics of Judicial-Legislative Bargaining
    Benjamin Engst
    Universität Mannheim
    SFB 884 Mannheim – Political Economy of Reforms
    Tel.: +49 (0) 621 181 – 3231
    Fax: +49 (0)621 181-3699
    Email: bengst@uni-mannheim.de
    http://methods.sowi.uni-mannheim.de/team/Benjamin%20Engst/

    Prof. Thomas Gschwend, PhD
    Vorsitzender d. Lorenz-von-Stein-Gesellschaft e.V.
    Universität Mannheim
    Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
    Tel: +49-621-181-2087
    Fax: +49-621-181-2845
    Email: gschwend@uni-mannheim.de
    www.mzes.uni-mannheim.de/lvs


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    Politics
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    Contests / awards, Research results
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