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11/27/2003 11:38

Implantologie 2003: Alte Dogmen - neue Trends

Dipl. Biol. Barbara Ritzert Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    In der Implantologie ist viel Bewegung. Der Bruch mit chirurgischen Dogmen steht auf der Tagesordnung. Bestimmte Krankheiten sind keine Kontraindikation mehr. Implantate sollten so früh wie möglich eingepflanzt werden. Diesbezüglich sind sich die Experten auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Implantologie in Göttingen einig. Doch wie schnell dürfen die künstlichen Zahnwurzeln nach der Implantation belastet werden? Darüber wird noch heftig diskutiert. Gleichzeitig experimentieren die Forscher mit neuen Strategien: Beschichtete Implantate sollen die Einheilzeit verkürzen.

    Die Zahnärzte sind bei der Implantation künstlicher Zahnwurzeln in den letzten Jahren mutiger geworden. Sie pflanzen die Pfeiler aus Titan inzwischen beispielsweise auch Patienten mit Osteoporose oder Diabetes ein. "Wir wissen", erklärt Professor Henning Schliephake, Präsident der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Implantologie, "unter welchen Umständen wir bei Patientinnen und Patienten mit Osteoporose implantieren können. Wenn wir chirurgisch anders vorgehen, das Implantatlager anders aufbereiten und auf die wesentlich schlechtere Knochenstruktur Rücksicht nehmen, ist dies möglich." Auch ein Diabetes mellitus ist grundsätzlich keine Kontraindikation mehr. Wenn der Blutzuckerspiegel gut eingestellt ist, spricht nichts gegen eine Implantation.

    Sofort-Implantation. Während die Zahnärzte früher zwischen Zahnextraktion und Implantation mehrere Monate verstreichen ließen, pflanzen sie die künstliche Wurzel heute unmittelbar nach der Extraktion in das vorhandene Zahnfach ein. "Früher hieß es", formuliert Schliephake salopp, "Zahn raus, mindestens ein halbes Jahr warten und dann implantieren. Das macht heute bei einer geplanten Zahnentfernung und ausreichendem Knochenangebot niemand mehr." Nur bei akuten oder ausgeprägten chronischen Entzündungen sowie ausgedehnten Schäden an Weichteilen und Knochen, etwa nach einem Unfall, ist diese Sofort-Implantation nicht empfehlenswert. In solchen Fällen muss man die Heilung abwarten, was nach etwa sechs bis zwölf Wochen der Fall ist.

    Bislang akzeptierten die Experten nur eine Ausnahme: Werden in der Mitte eines zahnlosen Unterkiefers vier bis sechs Implantate durch einen Steg verbunden - Zahnärzte sprechen von "Verblockung" - können sie sofort durch eine Vollprothese belastet werden. Denn diese wird nicht nur von dem einzelnen Implantat, sondern von einem Implantat-Verbund und vom Weichgewebe des Kieferkammes abgestützt.

    "Wir verstehen jedoch zunehmend die Mechanismen der Heilung, der Regeneration und Neubildung von Knochen", erklärt Schliephake, "ebenso lernen wir, wie diese Prozesse molekular gesteuert werden." Mit diesem Wissen suchen die Experten nach Strategien, um die Einheilung des Implantats zu beschleunigen.
    Die Veränderung der Implantat-Oberfläche ist eine Möglichkeit, den Heilungsprozess zu beschleunigen.

    Bereits etabliert ist beispielsweise die Erhöhung der Rauigkeit. Ebenso gibt es Versuche, die Oberfläche von Implantaten chemisch zu verändern. Ziel ist der Austausch von Ionen zwischen Implantat und Knochen, damit es zu einer guten Verbindung kommt.

    "Der jünste Ansatz ist der Versuch, die Oberfläche biochemisch zu verändern, beispielsweise durch eine Beschichtung mit Kollagen", erklärt Schliephake. Durch eine solche "biomimetische Implantatbeschichtung", also die Imitation biologischer Verhältnisse, versuchen die Experten, der Implantatoberfläche eine Struktur zu geben, die dem normalen Knochengewebe ähnelt. Diese soll dazu führen, dass das Implantat schneller im knöchernen Gewebe verankert wird.

    Ebenso arbeiten die Wissenschaftler an Beschichtungen, die darüber hinaus noch Wachstumsfaktoren und andere Signalmoleküle freisetzen, welche etwa die Zellteilung oder auch andere Funktionen der umgebenden Zellen beeinflussen. Auch dies könnte die Verankerung von Implantaten im Knochen beschleunigen. "Aber hier stehen wir erst am Anfang", betont Schliephake. Die biomimetischen Oberflächen stecken noch in den Kinderschuhen und werden erst experimentell erprobt. "So ist noch völlig offen", sagt der Göttinger Experte, "ob die zarten Signale, die derzeit von der Beschichtung ausgehen, das große Signalrauschen im Körper überhaupt übertönen können."

    Mehr Knochenwachstum durch frühere Belastung? Im Gegensatz zur Zukunftsmusik der Beschichtungen profitieren Patienten schon jetzt von neuen Konzepten für die frühere Belastung - vorausgesetzt das Knochenangebot ist ausreichend und der Zahnarzt kann ohne Ersatzmaterialien und Knochenverpflanzung implantieren. Die bisherige Lehrmeinung, dass Implantate drei Monate (im Unterkiefer) bzw. sechs Monate lang im Oberkiefer völlig unbelastet einheilen müssen und erst danach mit dem prothetischen Aufbau begonnen wird, ist bei diesen unkomplizierten Fällen in den letzten Jahren ins Wanken geraten.

    Ab wann belasten? Doch selbst wenn die Implantation unmittelbar auf die Extraktion eines Zahnes folgt, galt bis vor kurzem eine eherne Regel: Das Implantat darf in der etwa zwei bis sechs Monate dauernden Einheilzeit nicht belastet werden. Je früher die künstlichen Wurzeln unter Druck geraten, desto größer ist das Risiko des Implantatverlustes. Dies belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien.

    Inzwischen wissen die Experten, dass Mikrobewegungen des Implantats unbedingt vermieden werden müssen, damit es gut einheilt. Diese Mikrobewegungen lassen sich etwa durch operative Strategien und die "Verblockung" der Implantate verhindern.

    Erste Studien deuten darauf hin, dass sich Knochengewebe bei einer früheren Belastung besser an das Implantat anlagert als wenn dieses bis zur völligen Einheilung gar nicht belastet wird. Die "absolute Schonphase", die der Ruhigstellungsphase bei einem Knochenbruch entspricht, reduzieren manche Experten inzwischen auf vier bis sechs Wochen. Danach werden die Implantate steigend belastet, um das Knochenwachstum zu stimulieren. "Sechs Wochen nach der Insertion können wir in der Tat unter bestimmten klinischen und prothetischen Voraussetzungen die Implantate bereits belasten", bestätigt auch Dr. Karl-Ludwig Ackermann aus Filderstadt.

    Die Verfechter der "dynamischen Einheilung", etwa das Team um Professor Georg Nentwig von der Klinik für MKG-Chirurgie der Universität Frankfurt, versorgen die Implantate sechs Wochen nach der Implantation mit einem provisorischen festsitzenden Zahnersatz und steigern während der darauf folgenden sechs Wochen langsam die Belastung. In den ersten drei Wochen ist noch "Weichkost" angesagt. Danach wird die Nahrung langsam fester. In dieser Zeit laufen auch bereits die Vorbereitungen für die endgültige prothetische Versorgung. Diese wird dann nach 12 Wochen eingesetzt, wenn der Einheilungsprozess vollständig abgeschlossen ist. Erprobt haben die Experten dieses Knochentraining bislang bei 35 Patienten, die insgesamt 50 Implantate erhalten haben (31 im Unterkiefer, 21 im Oberkiefer). Allerdings beträgt die Nachbeobachtungszeit der Implantate gerade drei Monate.

    Darum warnen Experten vor "Früh-Euphorie" in Sachen Früh-Versorgung: "Wir sollten nicht die Sicherheit der Versorgung ohne Grund einer Schnelligkeit opfern, die oft nicht nötig ist", warnt Ackermann.

    Pressestelle DGI
    Barbara Ritzert
    ProScientia GmbH
    Andechser Weg 17
    82323 Pöcking
    Tel.: 08157-9397-0
    Fax: 08157-9397-97
    E-mail: Ritzert@proscientia.de


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Miscellaneous scientific news/publications, Research results, Scientific conferences
    German


     

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