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Der Historiker PD Dr. Jochen Böhler vom Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Universität Jena ist jetzt mit dem Kulczycki Book Prize in Polish Studies ausgezeichnet worden. Vergeben wird die mit 500 US-Dollar dotierte Auszeichnung von der Association for Slavic, East European and Eurasian Studies (ASEEES), einem internationalen Zusammenschluss von Osteuropaforscherinnen und -forschern, der 1948 gegründet wurde. Böhler erhielt die Auszeichnung für seine Habilitationsschrift „Civil War in Eastern Europe 1918-1921. The Reconstruction of Poland“, die 2018 in der Reihe „The Greater War“ bei Oxford University Press erschien.
Jochen Böhler beschreibt darin die Geburtswehen eines Nationalstaats, die von blutigen Auseinandersetzungen geprägt waren. „Das Ende des Ersten Weltkriegs brachte auf dem Gebiet des späteren Polens keinen Frieden, sondern bürgerkriegsähnliche Zustände“, sagt er. Nach dem Zusammenbruch Russlands, Österreich-Ungarns und des deutschen Kaiserreichs herrschte ein Machtvakuum in dem Territorium, das Ende des 18. Jahrhunderts unter diesen Großmächten aufgeteilt worden war. Es habe massenweise herrenlose Waffen gegeben, marodierende Soldaten, Überfälle, Vergewaltigungen und Pogrome gegen Juden, sagt Jochen Böhler. Vielerorts war die Ernte vernichtet, die Bevölkerung litt Hunger. Bewaffnete Konflikte gab es u. a. mit der Ukraine, Deutschland und den baltischen Ländern.
Ringen um die Wiedergeburt Polens
Bestimmt wurde das Ringen um eine Wiedergeburt Polens vorrangig durch zwei Männer: Józef Piłsudski und Roman Dmowski. Während Dmowski ein Meister des diplomatischen Parketts war und in Paris für mehr Mitbestimmung der Polen kämpfte, sorgte der Sozialist, Militär und einstige Terrorist Piłsudski lieber für Tatsachen auf dem Schlachtfeld. „Die polnischen Nationalisten kämpften um Territorien und die dort lebende Bevölkerung – aber sie waren lediglich eine kleine Gruppe“, so Böhler. Zwar sei der Traum vom eigenen Staat unter imperialer Herrschaft nie ganz erloschen gewesen, das Gros der Bevölkerung hatte sich jedoch längst mit der Situation arrangiert.
Für seine Studie wertete der Jenaer Historiker Böhler vorrangig zwei Quellen aus: Kriegsgerichtsakten der polnischen Armee und Akten der polnischen Zivilverwaltung in den Grenzregionen zu Litauen, Russland und der Ukraine, den sogenannten Kresy. Sein Fazit: „Die bis heute gültige Beschreibung der allseits begrüßten Nationalstaatsgründung ist ein Mythos. Das Ringen um die Nation war von blutigen Auseinandersetzungen geprägt und brachte enormes Leid für die Zivilbevölkerung mit sich.“
Jochen Böhlers Buch „Civil War in Eastern Europe 1918-1921. The Reconstruction of Poland“ liefert nicht nur eine Beschreibung historischer Konflikte, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf zeitgenössische Auseinandersetzungen um Ethnizität, Nation und Staatlichkeit. Es ist geeignet, scheinbar zementierte Weisheiten in Frage zu stellen.
PD Dr. Jochen Böhler
Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 13, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 944461
E-Mail: jochen.boehler[at]uni-jena.de
Der ausgezeichnete Jenaer Historiker Jochen Böhler.
(Foto: Anne Günther/FSU)
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