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01/08/2004 10:40

Viele Grenzen, viele Sprachen, wenig Wasser

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    2003 war das internationale "Jahr des Süßwassers". Das Jahr ist vorbei, die Probleme bleiben. Ein Beispiel aus der Region Mittelasien.

    Die UNESCO schlägt Alarm: Spätestens Mitte dieses Jahrhunderts werden mindestens zwei Milliarden Menschen in 48 Ländern unter Wasserknappheit leiden. Und das ist nur die günstigste Prognose im jüngsten Welt-Wasser-Entwicklungsbericht der UN-Organisation. Die Krise werde keine Region auf der Erde verschonen und "jeden Aspekt des Lebens, von der Gesundheit der Kinder bis zur Sicherung der Ernährung, erfassen", mahnt UNESCO-Generaldirektor Koichiro Matsuura. Anlass genug für die UNO, das Jahr 2003 zum "Jahr des Süßwassers" auszurufen.

    Das Jahr ist vorbei, die Probleme bleiben. Die VolkswagenStiftung hat in der Vergangenheit immer wieder mal Forschungsvorhaben rund um die Thematik Wasserverknappung, Wassernutzungskonflikte und Wassermanagement gefördert. Beispielhaft stellen wir im Folgenden - gerade auch um über das Jahr 2003 hinaus das Thema im öffentlichen Bewusstsein zu halten - ein Projekt vor von Professor Dr. Ernst Giese vom Institut für Geographie der Universität Gießen, das die Stiftung mit 345.000 Euro unterstützt. Sein Thema: Die Situation der Wasserversorgung in Zentralasien.
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    Kontakt Universität Gießen, Institut für Geographie
    Professor Dr. Ernst Giese, Telefon: 06 41/99 - 36220
    E-Mail: ernst.giese@geo.uni-giessen.de
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    Zentralasien und die Probleme in dieser Region scheinen zunächst weit weg zu sein. Aufmerksam wurde man in jüngerer Zeit hier zu Lande vor allem auf die dramatischen Veränderungen des zu Usbekistan und Kasachstan gehörenden Aralsees. Seit 1960 ist der Wasserspiegel des viertgrößten Binnensees der Erde um inzwischen 22 Meter gesunken, 75 Prozent seiner ursprünglichen Fläche hat das Gewässer verloren, das Wasservolumen ging um 91 Prozent zurück. Den Menschen der Region wurde schlichtweg die Lebensgrundlage genommen. Diejenigen, die trotzdem bleiben mussten, weil es für sie keine Alternativen gibt, leiden unter Krankheiten, mangelndem oder dreckigem Trinkwasser und Armut. Seit 1992 ist die Aralsee-Region offiziell "Weltkatastrophen- und Notstandsgebiet" - und ist dabei nur der bekannteste Fall. Der Balchasch-See und Ala-Kol in Kasachstan sowie der Ebi-Nur und Ulunqur-See in Xinjiang/China drohen ebenso zu verlanden. Der Manas-See, Lop-Nur und Taitmar-See in Xinjiang sind bereits verlandet.

    Professor Ernst Giese hat auf seinen Reisen das Elend gesehen. Er kann von Dörfern erzählen, in denen alte Menschen leben, die sich im Winter in einer Hütte zusammenpferchen, um nicht zu erfrieren. Er kann Bilder zeigen, "Vorher-Nachher-Bilder": Fruchtbare Auen sieht man darauf - und verdörrte Bäume in einer austrocknenden Landschaft, die kahle Äste von sich strecken. Nur wenige Jahre liegen oft zwischen den Aufnahmen. Und er kann vom großen chinesischen Alptraum berichten, von den für 2008 geplanten Olympischen Spielen, die von Sand- und Staubstürmen aus den Wüsten Zentralasiens einfach hinweg gefegt werden könnten.

    Vor diesem Hintergrund ist das fächerübergreifende, von Giese organisierte und der VolkswagenStiftung finanzierte Projekt zur Erforschung von Wasserknappheit und Wassermanagement angesiedelt. Hydrologen, Glaziologen (Gletscherforscher), Klimatologen und Geographen aus den Ländern Zentralasiens und von der Universität Gießen haben in der ersten Forschungsphase die Auswirkungen der Wasserverknappung auf Menschen, Umwelt und Wirtschaft untersucht, als Basis für die weitere Arbeit. Zurzeit ermitteln sie die Ursachen dieser Entwicklung, und am Ende wollen sie Vorschläge unterbreiten, wie sich der Wasserverbrauch eindämmen lässt und sich Konflikte der Wassernutzung entschärfen lassen. Was dieser Aufgabenkatalog ungeschrieben beinhaltet, ist vielleicht die schwierigste Aufgabe: den zwischenstaatlichen Dialog in dieser in mehrfacher Hinsicht unübersichtlichen und komplizierten Region überhaupt erst zu ermöglichen. Giese koordiniert für dieses Projekt immerhin die Arbeit von 16 wissenschaftlichen Partnern der Usbekischen, Kasachischen, Kirgisischen und Chinesischen Akademie der Wissenschaften sowie Forschungseinrichtungen der Regierung und Universitäten.

    Wie einfach wäre es, der kommunistischen Planwirtschaft der Vergangenheit mit ihrer verschwenderischen Wassernutzung die alleinige Schuld an der Entwicklung zuzuweisen. Tatsache jedoch ist: Es ist viel komplizierter. So deuten erste Zeitreihenanalysen der Lufttemperatur darauf hin, dass seit Ende der 1930er, spätestens aber seit Ende der 1950er Jahre in den Trockengebieten Zentralasiens eine Klimaerwärmung stattgefunden hat, die deutlich über der durchschnittlichen globalen Erwärmung liegt. Das heißt: mehr Wasser verdunstet. Auch die sommerliche Gletscherschmelze hat entscheidenden Einfluss auf den Wasserzufluss in die Seen. Die Gletscher schmelzen derzeit merklich ab; bis Mitte dieses Jahrhunderts werden wohl jene Gletscher, die im Sommer 50 bis 60 Prozent des Zuflusses in den Issyk-Kul in Kirgisistan ausmachen, abgetaut sein.

    Die Wassersituation in Zentralasien, so muss man resümieren, ist nicht nur schlecht, sie wird sich in den nächsten Jahren noch drastisch verschlechtern. Trotzdem pflegen einzelne Staaten gern einen "Nach-mir-die-Wüste"-Stil: Die Anlieger des Oberlaufs etwa stauen das Wasser zur Energiegewinnung. Da der Energiebedarf im Winter besonders hoch ist, stauen sie im Sommer auf und lassen im Winter zur Energieproduktion das Wasser ab. Die Anlieger des Unterlaufs bekommen daher im Sommer nicht mehr das Wasser, das ihnen der sowjetische Plan einst zugeteilt hatte. Im Winter dagegen werden ihre Gebiete überschwemmt. Nationale oder zwischenstaatliche Konflikte dieser Art mit ihren ökonomischen, politischen, ökologischen und ethnischen Dimensionen sind zwangsläufig programmiert. Vielleicht kann da überhaupt nur ein internationales Wissenschaftlerteam zur Lösung der Probleme beitragen.

    Trotz aller Schwierigkeiten gebe es eine "sehr vertrauensvolle" Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern, betont Giese - und fügt hinzu: "Die Finanzierung des Vorhabens durch die Stiftung ist extrem wichtig für die wissenschaftliche Arbeit in Ländern wie Kirgisistan. Die Akademien der Wissenschaften haben dort große Finanzierungsprobleme. Sie befinden sich in einer sehr kritischen Entwicklungsphase." Das Projekt trage dazu bei, die Wissenschaft dort am Leben zu erhalten und jungen Leuten eine Chance zu geben.

    In Kirgisistan trägt dieser Ansatz besondere Früchte. Hier wurden Mitte 2002 die Verträge zwischen der Kirgisischen Republik und dem GeoForschungsZentrum Potsdam unterzeichnet, um in Bischkek ein neues "Zentralasiatisches Institut für Angewandte Geowissenschaften" zu gründen. Partner auf deutscher Seite ist neben den Potsdamern das Zentrum für internationale Entwicklungs- und Umweltforschung der Justus-Liebig-Universität Gießen. Vor einem Jahr wurde das Institut eingeweiht. Der Bogen der geplanten Forschungsarbeiten erstreckt sich von der Untersuchung natürlicher Geoprozesse und deren sozioökonomischen Auswirkungen hin zur Analyse von Klima-, Wasser und Umweltgefährdungen. Darauf aufbauend sollen Vorsorgestrategien entwickelt werden. Zugleich geht es um die Bereitstellung benötigter Infrastruktur und um die Ausbildung des wissenschaftlich-technischen Nachwuchses - gerade das auch ein Ziel, das die VolkswagenStiftung mit ihrem Engagement in der Förderinitiative "Zwischen Europa und Orient - Mittelasien/Kaukasus im Fokus der Wissenschaft" verfolgt.

    Der Text der Presseinformation steht im Internet zur Verfügung unter http://www.volkswagenstiftung.de/presse-news/presse04/08012004.htm
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    Kontakt VolkswagenStiftung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Christian Jung, Telefon: 05 11/83 81 - 380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de
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    Kontakt Förderinitiative VolkswagenStiftung
    Dr. Wolfgang Levermann
    Fachgebiete der Abteilung für Geistes- und Gesellschaftswissenschaften
    Telefon: 05 11/83 81 - 212, E-Mail: levermann@volkswagenstiftung.de

    Dr. Matthias Nöllenburg
    Fachgebiete der Abteilung für Natur- und Ingenieurwissenschaften, Medizin
    Telefon: 05 11/83 81 - 290, E-Mail: noellenburg@volkswagenstiftung.de


    More information:

    http://www.volkswagenstiftung.de/presse-news/presse04/08012004.htm


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    Criteria of this press release:
    Biology, Economics / business administration, Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate, Social studies, Zoology / agricultural and forest sciences
    transregional, national
    Research projects, Research results
    German


     

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