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Patienten mit einer neurologischen Autoimmunerkrankung erhalten häufig immunsupprimierende oder immunmodulierende Medikamente, die per se infektanfälliger machen. Aber einen konkreten Hinweis dafür, dass die Immuntherapie das Risiko erhöht, sich mit SARS-CoV-2 (Coronavirus) anzustecken oder an COVID-19 zu erkranken, gibt es derzeit nicht. Die Kommission Neuroimmunologie der DGN warnt daher Patienten vor einem unbedachten Absetzen der Therapie ohne Rücksprache mit dem Arzt. Ein Behandlungsabbruch könne zu einer deutlichen Verschlechterung der Autoimmunerkrankung führen und das stünde in aller Regel nicht in Relation zu dem Risiko, an COVID-19 zu erkranken.
Viele Patienten mit einer neurologischen Autoimmunerkrankung (wie beispielsweise Multiple Sklerose, Myasthenie, Vaskulitis, Sarkoidose, Autoimmun-Enzephalitis) sind verunsichert. Sie haben Sorge, dass immunsuppressive oder immunmodulierende Medikamente das Risiko einer Coronavirusinfektion erhöhen. Grundsätzlich ist diese Annahme nicht falsch, das Robert Koch-Institut (RKI) [1] zählt Menschen mit unterdrücktem Immunsystem –z.B. durch eine immunsuppressive/-modulierende Therapie – zur Risikogruppe für einen schwereren COVID-19-Krankheitsverlauf.
Doch was ist die Konsequenz? „Das Absetzen der Medikamente wird in der Regel mehr schaden als nutzen, erst recht, wenn sie ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgt“, warnt Professor Harald Prüß, Sprecher der Kommission Neuroimmunologie der DGN, die aktuell eine Stellungnahme [2] zu der Thematik veröffentlicht hat. Ein Behandlungsabbruch könne zu einer deutlichen Verschlechterung der Autoimmunerkrankung führen und das stünde in aller Regel nicht in Relation zu dem Risiko, an COVID-19 zu erkranken. Das gelte sogar auch für immunmodulierende Substanzen, beispielsweise Fingolimod oder Siponimod, die allgemein die Anfälligkeit für Lungenerkrankungen erhöhen. „Eine gut eingestellte Immuntherapie, die stabil die Krankheit kontrolliert und ihr Fortschreiten verhindert, sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Zumindest sollte vor einem Therapiewechsel immer eine individuelle Risikoabwägung vorgenommen werden. Vereint der Patient gleich mehrere Corona-Risikofaktoren in sich, ist er beispielsweise sehr alt oder leidet unter anderen Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus oder einer Herzkrankheit, kann eine evtl. Umstellung auf kürzer wirksame und besser steuerbare immunmodulierende Substanzen erwogen werden, aber bei den meisten Patienten ist das medizinisch nicht erforderlich“, so der Experte.
Hinzu komme, dass viele der Medikamente lang wirksam sind und in längeren Abständen verabreicht werden. Die Substanz Natalizumab zur Behandlung der Multiplen Sklerose wird beispielsweise nur alle vier Wochen gegeben, bei anderen Medikamenten sind die Abstände noch länger. „Eine kurzfristige Veränderung ist dann ohnehin kaum möglich.“
Auch das RKI rät Risikopatienten grundsätzlich nicht dazu, ihre Therapie abzubrechen, sondern sich stattdessen bestmöglich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schützen. „Für Patienten, die eine Immuntherapie erhalten, ist es noch wichtiger als für alle anderen, die allgemeinen Verhaltensregeln und Hygieneempfehlungen des RKI zu befolgen“, gibt Professor Prüß zu bedenken. Menschen, die mit immunsuppressiven/-modulierenden Medikamenten behandelt werden, sollten also ihre Kontakte zu anderen Menschen auf ein Minimum reduzieren – nur die soziale Isolation schütze letztendlich vor Ansteckung.
Professor Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN, betont zudem, dass es derzeit auch keinerlei Nachweis dafür gebe, dass die Immuntherapie das Risiko erhöht, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken oder an COVID-19 zu erkranken. „Natürlich machen wir jetzt erst unsere Erfahrungen mit dem neuartigen Virus, aber hätten immuntherapeutisch behandelte Patienten mit neurologischen Autoimmunerkrankungen ein überproportional erhöhtes COVID-19-Erkrankungsrisiko, hätten wir sicherlich erste Sicherheitssignale aus Wuhan oder Italien erhalten.“
„Die größte Gefahr der Immuntherapie im Hinblick auf eine mögliche Ansteckung mit dem Coronavirus ist wahrscheinlich, dass viele Präparate als intravenöse Infusion in der neurologischen Praxis oder Klinik verabreicht werden, die in diesen Zeiten natürlich alles andere als menschenleer sind. Wir empfehlen daher den Patienten, in der neurologischen Praxis/Klinik und auf dem Weg dahin einen Mundschutz zu tragen, nach Möglichkeit nichts anzufassen bzw. sich in regelmäßigen Abständen die Hände zu desinfizieren. Beratungsgespräche sollten – dem Gebot der Zeit folgend – telefonisch oder per Videosprechstunde durchgeführt werden“, erklärt DGN-Generalsekretär Professor Peter Berlit.
Literatur
[1] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html
[2] Immuntherapien bei neuroimmunologischen Erkrankungen vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie. https://www.dgn.org/neuronews/71-neuronews-2020/3890-immuntherapien-bei-neuroimm...
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