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Wissenschaft
Mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds haben Forschende sadistische Sexualdelikte an Kindern analysiert und gewisse Muster entdeckt. Genauere Erkenntnisse über diese Verbrechen können dazu beitragen, sie aufzuklären.
Sexualmorde an Kindern finden in den Medien viel Beachtung. Denn solche Ereignisse traumatisieren die Bevölkerung, vor allem wenn der Täter nicht gefunden und verurteilt wird. Für das Justizsystem sind diese Verbrechen zudem komplex, langwierig und teuer.
Mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) hat Julien Chopin, der ein Postdoc an der Universität Simon Fraser in Vancouver absolviert, einen noch unerforschten Aspekt solcher Morde untersucht: sexuellen Sadismus.
Zugang zu polizeilichen Daten
In seiner Studie, deren Ergebnisse vor Kurzem im Journal of Interpersonal Violence (*) veröffentlicht wurden, konnte er gewisse Besonderheiten dieser Morde aufzeigen. Die Erkenntnisse lassen sich konkret anwenden: "Unsere Studie liefert neue Anhaltspunkte für die Ermittlungen. Sie können dazu beitragen, den Sachverhalt zu rekonstruieren, auch wenn die Elemente am Tatort wenig aufschlussreich sind", erklärt er. Zudem seien sie hilfreich für die Suche nach bestimmten Profilen, für die Priorisierung von Verdächtigen sowie eine allfällige Festnahme. "Sie zeigen auch, dass in Zukunft nicht mehr einfach die Erkenntnisse aus Sexualdelikten an Erwachsenen auf solche Morde an Kindern übertragen werden", ist der Kriminologe überzeugt.
Beweise am Tatort
Die Forschenden stellten fest, dass bei sadistischen Sexualdelikten an Kindern spezifische Kriterien zutrafen, die sie von sadistischen Sexualdelikten an Erwachsenen und den übrigen Sexualdelikten an Kindern unterschieden.
Die Studie ergab, dass die Täter ihre Verbrechen mit einer bestimmten Logik vorbereiten. Sie denken darüber bereits seit längerem nach und gehen sie mental durch. "Sie suchen Situationen, in denen Kinder oder Jugendliche ohne Aufsicht sind, zum Beispiel wenn sie Velofahren oder Autostoppen. Die Täter überlegen sich Strategien, mit denen sie die Heranwachsenden anlocken können, ohne dass es jemand merkt. Deswegen führen sie auch ihre Verbrechen an isolierten Orten aus", sagt Julien Chopin.
Die sadistischen Sexualdelikte an Kindern weisen noch weitere Besonderheiten auf: unterschiedliche und ungewöhnliche sexuelle Praktiken, Ermordung durch Erwürgen oder Ersticken und das nackte Zurücklassen des Opfers. Dazu der Forscher: "Weil es sich um Wiederholungstäter handeln kann, hat die Polizei ein besonderes Interesse daran, die Spuren am Tatort systematisch zu sichern und mit ihren Datenbanken zu vergleichen."
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Statistische Analysen zur Charakterisierung der Tat
Julien Chopin und sein Kollege Eric Beauregard, ordentlicher Professor für Kriminologie an der Universität Simon Fraser in Vancouver, erhielten für ihr Projekt Zugang zu allen polizeilichen Daten über ausserfamiliäre Sexualmorde, die in Frankreich und Kanada zwischen 1948 und 2018 begangen wurden. Auf dieser Grundlage erstellten sie eine der wichtigsten internationalen Quellen über Sexualmorde. Entscheidend ist dabei, dass die Fallzahlen genügend gross sind, um eine statistische Verarbeitung zu ermöglichen. Insgesamt enthält die Datenbank 772 Fälle, von denen 136 Kinder, also Opfer unter 16 Jahren, betreffen.
Um zu bestimmen, ob die Fälle eine sadistische Komponente enthalten, entwickelten die Forschenden ein Instrument mit acht Kriterien für die Situation am Tatort – zum Beispiel sexuelle Verstümmelungen oder Anzeichen für sexuelle Dominanz. Jedem Kriterium wurde ein Wert zugeordnet, entweder 0 (nicht vorhanden), 1 (vielleicht vorhanden) oder 2 (vorhanden). Mit der Bewertung dieser acht Kriterien lässt sich bestimmen, ob ein Fall von sexuellem Sadismus vorliegt, was ab einem Gesamtwert von 6 gilt. Anhand dieser Skala stuften die Forschenden von den 136 Sexualmorden an Kindern in ihrer Datenbank 35 als sadistische Verbrechen ein (Durchschnittswert 6,97) und 101 als klassische Verbrechen (Durchschnittswert 2,69).
Bei jedem der 136 Fälle analysierten die Forschenden zusätzlich den Entscheidungsprozess des Täters, den er vor, während und nach der Tat durchlief. Dafür untersuchten sie 34 Variablen mit Hilfe von Statistikmodellen: 6 Variablen wurden für den Tatkontext bestimmt, 3 für den Ort, 6 für den Ablauf, 14 für die Tötungsmethode und das Hinterlassen der Leiche sowie 5 für die Strategien, die vom Täter verwendet wurden, um die Spuren zu verwischen. Damit konnten die Forschenden die Hauptfaktoren bestimmen, die bei sadistischen Sexualmorden an Kindern typischerweise vorkommen.
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Laufbahnförderung
Die Studie konnte dank eines "Early Postdoc.Mobility"-Stipendiums durchgeführt werden. Diese Beiträge richten sich an Postdocs am Anfang ihrer Karriere, die an einem Forschungsinstitut im Ausland ihr wissenschaftliches Profil verbessern möchten. Die Beitragsdauer beträgt in der Regel 18 Monate.
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Der Text dieser Medienmitteilung und weitere Informationen stehen auf der Webseite des Schweizerischen Nationalfonds zur Verfügung.
Julien Chopin
Simon Fraser University
Burnaby, Kanada
E-Mail: julien_chopin@sfu.ca
(*) J. Chopin, E. Beauregard: Sexual sadism: Its role in the crime-commission process of sexual homicide of children, Journal of Interpersonal Violence (2020).
https://doi.org/10.1177/0886260520916844
(Für Medienschaffende als PDF-Datei beim SNF erhältlich: com@snf.ch)
http://www.snf.ch/de/fokusForschung/newsroom/Seiten/news-200508-medienmitteilung...
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Social studies
transregional, national
Research results
German
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