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RB Leipzig gilt als einer der Vorzeigeklubs des deutschen Fußballs. Dem Klub wird nachgesagt, dass er solider wirtschaften würde als andere Fußballklubs der deutschen Eliteliga. Im manager magazin veröffentlichten Artikel „Der Bulle und das Einhorn“ wird das Erfolgsmodell des Klubs beschrieben. Während die Corona-Krise aktuell das Geschäftsmodell der Fußballbundesliga zerstört, können einige Klubs wie RB Leipzig davon profitieren, dass sie einen starken Investor bzw. Sponsor haben. Daher lohnt sich ein Blick auf die Diskussion um den vermeintlichen Schuldenerlass von Red Bull in Höhe von 100 Mio. EUR. Ein Interview mit Prof. Dr. Henning Zülch.
FRAGE: Herr Professor Zülch, der Bundesligist RB Leipzig hat im Geschäftsjahr 2018/2019 dank seines Sponsors Red Bull sein Eigenkapital gestärkt. Wie stellt sich dieses Vorgehen aus Ihrer wirtschaftswissenschaftlichen Sicht dar?
ZÜLCH: Beschäftigt man sich mit der finanziellen Stabilität eines Unternehmens, dann muss man sich in erster Linie mit der Eigenkapitalquote auseinandersetzen. Diese Quote steht in der Bilanzierung für die Bestandskraft eines Unternehmens. Technisch handelt es sich um das Verhältnis von Eigenkapital zur Summe aller Vermögensgegenstände. Das Eigenkapital besitzt u.a. eine Verlustausgleichsfunktion, d.h., es dient als Puffer in schwierigen Zeiten. Je höher diese Kennzahl ist, desto besser geht es dem Unternehmen grundsätzlich. Mit der Umwidmung des Red Bull-Darlehens in Eigenkapital stieg diese Eigenkapitalquote von 4 Prozent auf 44 Prozent. Dies ist ein massiver Anstieg, welcher positive Wirkung entfaltet. Zins- und Tilgungszahlungen, die für das Darlehen bisher anfielen, entfallen nunmehr. Das Jahresergebnis verbessert sich, da Zinsaufwendungen ausbleiben. Die Liquiditätssituation kann sich entspannen, da Tilgungszahlungen wegfallen. Im Ergebnis werden die Grundpfeiler des künftigen operativen Handelns des Klubs gestärkt. Indes ist zu bemerken, dass durch die Umwidmung keine zusätzlichen Finanzmittel bereitgestellt worden sind. Damit hat RB Leipzig nicht automatisch 100 Mio. EUR mehr auf dem Konto. Es handelt sich um einen rein bilanziellen Vorgang!
FRAGE: Der Bilanzexperte Prof. Hierl hat dieses Vorgehen als eine elegante Art der Umwandlung von Schulden in Fremd- und Eigenkapital bewertet, die rechtskonform sei. Wie sehen Sie das?
ZÜLCH: Ich würde in diesem Zusammenhang von einer rechtskonformen Bilanzopti-mierung sprechen, wenn Verbindlichkeiten in bilanzrechtliches Eigenkapital umgewandelt werden. Dies ist kein ungewöhnlicher Vorgang in der Unternehmenspraxis, um u.a. die Liquiditätssituation zu verbessern und strategisch planen zu können.
FRAGE: RB-Finanzdirektor Florian Hopp sagte am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. „Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde der Leistung von Red Bull keine Gegenleistung gegenüberstehen - das ist aber nicht der Fall. Es ist eine Transaktion, die völlig üblich ist, insbesondere in der freien Wirtschaft, aber auch im Fußballgeschäft und auch in der Bundesliga“. Wie üblich sind denn vergleichbare Transaktionen in der Fußball-Bundesliga? Und wo liegt hier die Gegenleistung?
ZÜLCH: In der Unternehmenspraxis ist diese Umwandlung nicht ungewöhnlich und auch nicht zu bemängeln. Eine Gegenleistung wurde im kürzlich veröffentlichten Anhang für den Jahresabschluss der RasenBallsport Leipzig GmbH zum 30. Juni 2019 dargelegt. Darin heißt es: „Im Rahmen der Einbringung wurde weiterhin geregelt, dass bis zur Auflösung der personenbezogenen Rücklage der Red Bull GmbH ein Vorabdividendenanspruch in Höhe des jeweiligen 3-Monats-Euribor zuzüglich eines Aufschlags von einem Prozent bezogen auf die personenbezogene Rücklage zustehen.“
Konkret handelt es sich also bei der Gegenleistung um einen Vorabdividendenanspruch, welcher sich unter den oben genannten Bedingungen aktuell (Stand: 05.06.2020) auf rund 647.000 EUR beläuft und die Liquidität des Klubs wohl weniger belasten würde als die Rückzahlungen im Rahmen des Darlehens zuvor. Eine Gegenleistung existiert also unzweifelhaft.
FRAGE: Kritiker sprechen hier von einer Wettbewerbsverzerrung und es stellt sich die Frage, ob Red Bull damit auch mit mehr Mitbestimmungsrechten ausgestattet wird. Wie sehen Sie das?
ZÜLCH: Wichtig ist: es handelt sich nicht um einen Schuldenerlass. Das Darlehen wurde in Eigenkapital umgewandelt. Es wurde explizit der Kapitalrücklage zugeführt. Dies ist ein rein buchhalterischer Vorgang. Damit sind keine Mitbestimmungsrechte oder dergleichen an den Sponsor Red Bull übertragen worden. Lediglich eine Gegenleistung in Form der geschilderten Vorabdividende für die Einbringung des Kapitals wurde vereinbart. Das Wesen einer Kapitalrücklage ist es zu zeigen, welche Beträge dem Eigenkapital des Unternehmens von außen über das gezeichnete (Nominal-)Haftungskapital hinaus zufließen. Wenn ein Verein seine Eigenkapital-Position stärken will, handelt es sich meiner Ansicht nach nicht um Wettbewerbsverzerrung. Andere Vereine handeln ganz ähnlich. Und: schauen Sie sich die Finanzspritze für Hertha BSC Berlin von Investor Lars Windhorst an. Hatte der Klub noch in seinem Geschäftsjahr 2017/2018 ein nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von -63 Mio. EUR, so steigerte sich das Eigenkapital zum Jahresende 2019 auf nunmehr 70 Mio. EUR bei einer Eigenkapitalquote von 34 Prozent. Windhorst erhielt für sein Engagement als strategischer Investor weit reichende Anteile am Klub und hat damit einen signifikanten Einfluss auf den Hauptstadtklub erlangt. Dies hat sicherlich Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von Hertha BSC, ist aber in keiner Weise vergleichbar mit dem hier diskutierten Sachverhalt bei RB Leipzig.
Frage: Der RB-Finanzabteilungsleiter Florian Hopp sagte, dass hier keine Schenkung vorliege. Stimmt das?
ZÜLCH: Der Tatbestand einer Schenkung im steuerrechtlichen Sinne ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Vereinfacht gesagt kann man von einer Schenkung nur sprechen, wenn es keine Gegenleistung gibt. Hier gibt es aber eine Gegenleistung, und zwar die oben genannte Vorabdividende. Wie RB ausgeführt hat, kann die Gesellschafterversammlung jederzeit eine Rückumwandlung beschließen, was aber nur im Falle einer Veräußerung des Klubs eintreten würde. Zum Beispiel haftet Red Bull im Falle einer Insolvenz mit diesen 100 Mio.
Frage: Lässt das Finanzverhalten von RB Rückschlüsse zu auf die Einhaltung der Fi-nancial Fair Play-Regelungen?
ZÜLCH: Die Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital lässt zunächst keinen Rück-schluss auf die Einhaltung der Financial Fair Play-Regelungen zu. Bei der Financial Fair Play-Regelung stehen die Einnahmen und Ausgaben der letzten drei Jahre im Fokus und nicht das Eigenkapital-Fremdkapitalverhältnis. Zudem sind zwei Dinge im Rahmen dieser Diskussion zu beachten: einerseits hat sich RB erfolgreich den Eingangsprüfungen von UEFA und DFL unterzogen und andererseits wird aktuell diskutiert, wie die Regelungen zum Financial Fair Play künftig ausgelegt werden sollen. Daher läuft die Diskussion zur Einhaltung der Financial Fair Play-Regelung in diesem Zusammenhang ins Leere.
Frage: Wirtschaftet RB aus Ihrer Sicht nachhaltig?
ZÜLCH:
Nachhaltiges Wirtschaften hat mehr Dimensionen als nur die finanzielle. RB ist immer noch ein „Neuling“ in der Bundesliga. Daher sind Investitionen in Infrastruktur und Kader unabdingbar. Dies führt zu erhöhten Auszahlungen in dieser Klubphase des Wachstums. Daneben bedeutet nachhaltiges Wirtschaften auch, dass ein Verein in Bereichen wie dem sportlichen Erfolg, der Nachwuchsarbeit oder der Fanwohlmaximierung gut bis sehr gut aufgestellt sein muss und eine strategische Grundausrichtung etabliert haben sollte. Dies scheint bei RB Leipzig gegeben zu sein.
Prof. Dr. Henning Zülch
Henning Zülch ist Inhaber des Lehrstuhls Accounting and Auditing an der HHL Leipzig Graduate School of Management. In seiner Forschung beschäftigt sich Prof. Dr. Zülch neben der Finanzmarktkommunikation mit der Übertragbarkeit betriebswirtschaftlicher Grundprinzipien auf die erfolgreiche Führung von Sportvereinen.
Die Handelshochschule Leipzig (HHL)
Die Handelshochschule Leipzig (HHL) ist eine der führenden Business Schools in Deutschland und der Welt. Sie ist eine universitäre private Wirtschaftshochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht. Der HHL-Studiengang Master in Management (M.Sc.) wurde mit Platz 1 in Europa ausgezeichnet und Platz 2 weltweit (Wall Street Journal/Times Higher Education College Rankings 2019). Der HHL wurde vom Stifterverband der Titel „beste Gründerhochschule Deutschlands“ verliehen. Ziel der ältesten betriebswirtschaftlichen Hochschule im deutschsprachigen Raum ist die Ausbildung leistungsfähiger, verantwortungsbewusster und unternehmerisch denkender Führungspersönlichkeiten.
Prof. Dr. Henning Zülch, Chair of Accounting and Auditing, HHL
https://www.hhl.de/de/fakultaet-forschung/prof-dr-henning-zuelch/
Prof. Dr. Henning Zülch, HHL Leipzig Graduate School of Management
Fotograf: Daniel Reiche
HHL
Criteria of this press release:
Business and commerce, Journalists, Scientists and scholars, Students, all interested persons
Economics / business administration, Law, Politics, Sport science
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Transfer of Science or Research
German
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