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Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer, Leiterin der Heidelberger Akademie für Psychotherapie, erklärt, wie Eltern und ihre Kinder mit dem ungewohnten Schulwiedereinstieg umgehen können.
„Ist da jemand?“ Wenn der Drittklässler Jannik auf die Schultoilette gehen möchte, muss er draußen warten, falls eine der Kabinen bereits besetzt ist. Für ihn ist die Schule diese Woche wieder gestartet, für seine älteren Geschwister startet sie nächste Woche, ab dem 29. Juni sollen die Schulen in Baden-Württemberg wieder regulär starten – viele Veränderungen in kurzer Zeit. Aktuell trifft Jannik seine Lehrerin und 14 Mitschüler mit Maske auf dem Schulhof, um dann in Reih und Glied und mit gebührendem Abstand ins Klassenzimmer zu marschieren. Hier hat er mehr Platz als zuvor, denn er hat einen großen Tisch für sich alleine. „Eigentlich ist es gar nicht so schlimm“, meint der Neunjährige. Masken, Abstandsgebot, Handhygiene – für ihn sind diese Maßnahmen nach drei Monaten Corona-Zeit nichts Neues. Nur ans frühe Aufstehen muss er sich erst wieder gewöhnen.
Es gibt aber auch ganz andere Fälle, wie Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer, Leiterin der Heidelberger Akademie für Psychotherapie im Interview erklärt: Einige Kinder haben Angst davor, sich in der Schule anzustecken, andere schlicht und einfach keine Lust auf den neuen Schulalltag. Und die Eltern spielen eine nicht zu vernachlässigende Rolle dabei.
Frau Prof. Dimou-Diringer, zunächst der Lockdown mit zahlreichen Einschränkungen, jetzt die Lockerungen mit erneuten rasanten Veränderungen. Die Kinder standen häufig im Mittelpunkt der Diskussionen und wurden zum Teil verdächtigt als asymptomatische Spreader. Dies hat die Kinderstudie des Landes Baden-Württemberg nun widerlegt. Was macht dieses Hin und Her mit den Kindern?
Kinder sind widerstandsfähiger, veränderungsresistenter und anpassungsfähiger als man denkt, denn deren Entwicklungsprozesse verlaufen generell schneller als bei Erwachsenen. Kinder sehen sich in ihrem jungen Leben ohnehin häufig Veränderungen gegenüber, z.B. der eigenen Fähigkeiten oder des eigenen Körpers. Veränderungen stellen für Kinder und Jugendliche also viel weniger als für Erwachsene Herausforderungen dar. Häufig projizieren Erwachsene also ihre Sorgen auf die Kleinen.
Wie erleben Sie die Kinder, die nun nach drei Monaten nach und nach wieder in die Schule gehen müssen?
Manche Kinder haben durchaus Angst vor einer möglichen Ansteckung. Auch der neue Alltag kann abschreckend sein: Maskengesichter, Abstandsgebote, all das ist für viele Kinder noch ungewohnt. Andere haben einfach keine Lust darauf, ihre in den letzten Wochen gewonnenen Freiheiten wieder aufzugeben. Außerdem sollen sie immer diesen lästigen Abstand halten, dürfen nicht mit ihren besten Freunden tuscheln, kein Fangen spielen, sich nicht zur Begrüßung umarmen. Für einige Kinder war genau das ein wichtiger Bestandteil von Schule. Was wir bei uns in der Ambulanz für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie aber auch merken ist, dass viele Eltern ebenfalls mit Unsicherheit auf den Schulstart reagieren.
Was raten Sie diesen Kindern bzw. ihren Eltern?
Die Eltern sollten auf die Ängste ihrer Kinder eingehen und sie nicht ignorieren. Es gibt viele Quellen, die kindgerecht und neutral über die Ansteckungsgefahren aufklären. Auch die Kinderstudie hat ja einen Beitrag geleistet, den die Eltern ihren Kindern erklären können: Kinder infizieren sich seltener mit dem Corona-Virus.
Darüber hinaus können Eltern die positiven Seiten der Veränderungen ansprechen: Weitere Lockerungen wie die Wiederaufnahme von Hobbys kommen, es gibt in der Regel keine Klassenarbeiten bis zu den Sommerferien, der Schulalltag ist kürzer als vor Ausbruch der Pandemie. Der Wiedereinstieg erfolgt Schritt für Schritt und nicht von Null auf Hundert.
Zugleich ist die Vorbereitung auf den neuen Schulalltag wichtig: das Packen des Schulranzens, das Zurechtlegen des Mund-Nasen-Schutzes. Am Anfang hilft gegen Morgenmuffel-Laune vielleicht ein besonders leckeres Frühstück oder auch mal eine kleine Süßigkeit als Überraschung in der Brotbox.
Welche positiven Nebeneffekte können Kinder und Eltern denn aus dem Corona-Homeschooling mit in den neuen Alltag integrieren?
In den vergangenen Wochen waren vielfach nicht nur die Mütter, sondern auch die Väter enger als zuvor in den Familienalltag eingebunden. Gemeinsames Mittagessen oder Gesellschaftsspiele am Abend lassen sich auch während der Schulzeit weiterhin gut fortsetzen. Kleine Rituale wie diese genügen oftmals schon, um ein Gefühl von Sicherheit in einer sich schnell verändernden Welt zu etablieren, auch für Eltern.
Außerdem hat sich die Art zu lernen verändert. Die Kinder haben viel Selbstständigkeit geübt und viele sind fit geworden im Umgang mit dem Computer. Davon profitieren sie langfristig. Die Mischung aus Homeschooling und Präsenzunterricht bleibt in Baden-Württemberg vorerst zumindest bis zum 29. Juni bestehen. Erweist sich dies als sehr anstrengend für das einzelne Kind, sollten Eltern hier recht feinfühlig reagieren und ihnen genug Luft für kleine Auszeiten lassen.
Für Schüler, die den Zugang zu digitalen Medien nicht hatten und die in den vergangenen Wochen abgehängt wurden, ist der Schulwiedereinstieg von besonderer Bedeutung. Wichtig ist es, diese Kinder nun nicht unter Druck zu setzen, dass sie den verlorenen Schulstoff nun in einem Mordstempo aufarbeiten müssen.
Nach wochenlangem Homeschooling freuen sich viele Eltern, zumindest einen Teil der Verantwortung nun wieder den Lehrern überlassen zu können. Anderen fällt es schwer, einen Schritt zurückzutreten. Hier darf und muss man Nachsicht mit sich selbst üben – und gleichzeitig darauf vertrauen, dass das, was vorher gut war, auch jetzt wieder sinnvoll ist.
Aus dem Homeschooling in die Präsenz - Prof. Dr. Helena Dimou-Diringer, Leiterin der Heidelberger Ak ...
SRH Hochschule Heidelberg
Criteria of this press release:
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