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Aktuell zeigten gleich mehrere Studien zum lokal fortgeschrittenen Enddarmkrebs, dass eine intensivierte, der Operation vorgeschaltete Therapie zu einer deutlichen Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens und zu einem geringeren Metastasierungsrisiko führte. Dabei wird die Standardtherapie (Strahlen(chemo)therapie gefolgt von der Operation) um eine zusätzliche Chemotherapie ergänzt. Der Anteil der Patienten, bei denen nach OP durch den Pathologen keine Tumorzellen mehr gefunden wurde, stieg dadurch deutlich an. Zunehmend wird daher für Patienten, bei denen vor OP klinisch und bildgebend ein komplettes Tumoransprechen festgestellt wird, auf eine Operation verzichtet.
Die vergangenen Jahrzehnte der modernen Krebsforschung haben gezeigt, dass eine Verbesserung der Prognose der Patienten nur selten durch eine einzige Therapie oder ein Medikament zu erreichen ist. Im Gegenteil: Erfolgsversprechender ist der multimodale Ansatz, bei dem verschiedene Therapieformen kombiniert oder nacheinander eingesetzt werden. Durch Optimierung der Therapieregime und -abfolgen konnten in der Vergangenheit stetige Verbesserungen erreicht werden. „Die Öffentlichkeit erwartet immer den einen spektakulären ‚Durchbruch‘ in der Krebstherapie, den es leider noch nicht gab und möglicherweise auch nie geben wird. Es wird aber übersehen, dass wir peu á peu viele kleine Fortschritte erreichen und dadurch die Überlebensprognose von vielen Krebspatienten bereits deutlich verbessern konnten. Die Krebsmedizin ist somit durchaus eine Erfolgsgeschichte – und die Radiotherapie hat einen großen Anteil daran“, erklärt Frau Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO).
Aktuell zeigten gleich mehrere Studien zum lokal fortgeschrittenem Enddarmkrebs, dass eine intensivierte, der Operation vorgeschaltete Therapie zu einer deutlichen Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens und einem geringeren Metastasierungsrisiko führte.
Jährlich erkranken etwa 75.000 Menschen in Deutschland an Darmkrebs – bei etwa 25.000 handelt es um eine Tumorerkrankung des letzten Darmabschnitts, des Mast- oder Enddarms (Fachbegriff: Rektumkarzinom). Wichtigster Unterschied in der Behandlung eines lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms im Vergleich zur Behandlung von Krebserkrankungen der oberen Darmabschnitte ist, dass nicht die Operation, sondern die Strahlentherapie (oder Strahlenchemotherapie) den ersten Behandlungsschritt darstellt. Ziel der vorangeschalteten (neoadjuvanten) Strahlen(chemo)therapie ist, den Tumor soweit zu verkleinern, dass der Schließmuskel bei der Krebsoperation nicht entfernt werden muss und sich die langfristige, lokale Tumorkontrolle verbessert.
Neue Studien zeigten nun, dass eine intensivierte Vorbehandlung, bei der die vorgeschaltete Strahlen(chemo)therapie um eine zusätzliche Chemotherapie ergänzt wird, das Therapieergebnis weiter verbessern können. Diese intensivierte „vorgeschaltete“ Therapie wird im Fachjargon als „totale neoadjuvante Therapie“/TNT bezeichnet.
In der PRODIGE 23-Studie [1], die auf dem diesjährigen amerikanischen Krebskongress (ASCO) präsentiert wurde, erhielten 461 Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektum-Karzinom (Stadium II/III) vor der Operation entweder eine Radiochemotherapie oder vor der Radiochemotherapie zusätzlich eine Chemotherapie (über drei Monate sechs Zyklen mFOLFIRINOX (Oxaliplatin, Leucovorin, Irinotecan, 5-FU)). Im Ergebnis zeigte sich, dass die intensiver behandelten Patienten (Chemotherapie + Strahlen(chemo)therapie + Operation) eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer pathologischen Komplettremission (27,8% gegenüber 12,1%) hatten, was bedeutet, dass im Operationspräparat keine Tumorzellen mehr nachweisbar waren. Nach drei Jahren war das krankheitsfreie Überleben (75,7% gegenüber 68,5%) und das metastasenfreie Überleben (78,8% gegenüber 71,1%) signifikant verbessert. „Es wurde eindrucksvoll gezeigt, dass in dieser Patientengruppe die neoadjuvante Chemotherapie mit mFOLFIRINOX plus Radiochemotherapie der alleinigen präoperativen Radiochemotherapie überlegen ist“, konstatiert Prof. Dr. Rainer Fietkau, Präsident der DEGRO.
Zu ähnlichen Ergebnissen war die RAPIDO-Studie [2] gekommen. Darin waren Patienten mit einem hohen Risiko für das Fortschreiten der Erkrankung eingeschlossen worden. Sie enthielten entweder die Standardtherapie (Strahlenchemotherapie vor der Operation) oder eine totale neoadjuvante Therapie, bei der nach einer Kurzzeitbestrahlung mit 5x5 Gy zusätzlich eine Chemotherapie über 4.5 Monate verabreicht wurde. In dieser intensivierten Therapiegruppe erreichten sogar doppelt so viele Patienten wie in der Vergleichsgruppe eine pathologische Komplettremission (28% gegenüber 14%). Der primäre Endpunkt, nämlich das Wiederauftreten des Tumors lokal oder als Fernmetastase, war unter totaler neoadjunvanter Therapie deutlich besser: Nach drei Jahren hatten 30,4% der Patienten unter Standardtherapie einen Rückfall erlitten vs. 23,7% in der intensiviert behandelten Gruppe.
Doch welches Sequenz der totalen neoadjunvanten Therapie ist letztlich besser – und kann sie ggf. die Operation ganz ersparen? Die OPRA-Studie [3] verglich die Chemotherapie vor Strahlenchemotherapie (=Induktionsregime) mit der Strahlenchemotherapie gefolgt von der Chemotherapie (= Konsolidierungsregime). Sie kam zu dem Ergebnis, dass sich beide Sequenzen hinsichtlich der Rückfallraten nicht unterscheiden, die Konsolidierungstherapie jedoch im Hinblick auf den Organerhalt überlegen ist (der war bei 59% vs. 43% der Patienten erreicht worden). Die Besonderheit der Studie: Die Patienten, die nach diesen „Vor-Therapien“ eine komplette Remission erreicht hatten, bei denen also klinisch und bildgebend keine Tumorzellen mehr nachweisbar waren, wurden nicht automatisch der Operation zugeführt, sondern sie konnten sich für ein „Watch & Wait“-Konzept mit engmaschiger Nachsorge entscheiden. Eine chirurgische Intervention erfolgte dabei nur im Falle eines erneutes lokales Tumorwachstums.
„In der Zusammenschau aller vorliegenden Studien sollte die totale neoadjuvante Therapie als neue präferierte Therapieoption bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinom gelten“, erklärte Professor Fietkau abschließend. „Das Ergebnis der OPRA-Studie sollten darüber hinaus zum Anlass genommen werden, ‚Watch & Wait‘-Konzepte zu erwägen und im multidisziplinären Team und mit den Patienten zu diskutieren.“
Literatur
[1] Thierry Conroy, Najib Lamfichekh, Pierre-Luc Etienne et al. Total neoadjuvant therapy with mFOLFIRINOX versus preoperative chemoradiation in patients with locally advanced rectal cancer: Final results of PRODIGE 23 phase III trial, a UNICANCER GI trial. ASCO 2020, abstract 4007. https://meetinglibrary.asco.org/record/185485/abstract
[2] Maxime J M van der Valk , Corrie A M Marijnen, Boudewijn van Etten et al. Compliance and tolerability of short-course radiotherapy followed by preoperative chemotherapy and surgery for high-risk rectal cancer - Results of the international randomized RAPIDO-trial. Radiother Oncol 2020 Jun; 147: 75-83.
[3] Julio Garcia-Aguilar, Sujata Patil, Jin K. Kim et al. Preliminary results of the organ preservation of rectal adenocarcinoma (OPRA) trial. ASCO 2020, abstract 4008. https://meetinglibrary.asco.org/record/187194/abstract
DEGRO-Pressestelle
Dr. Bettina Albers
Tel. 03643/ 776423
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Criteria of this press release:
Journalists
Medicine
transregional, national
Research results
German
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