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Wissenschaft
Wissenschaftler versuchen verstärkt, das körpereigene Immunsystem zum Kampf gegen Krebs zu nutzen. Eine neue Studie der Universität Bonn sowie von Forschungseinrichtungen in Australien und der Schweiz zeigt nun, mit welchen Strategien Tumorzellen dieser Attacke entgehen. Die für die Arbeit entwickelte Methode trägt zu einem besseren Verständnis des „Wettrüstens“ zwischen Immunabwehr und Krankheit bei. Die Ergebnisse könnten helfen, moderne Therapieansätze zu verbessern. Sie sind in der Zeitschrift „Immunity“ erschienen.
Krebszellen unterscheiden sich von gesunden Körperzellen – durch ihr Aussehen, durch ihr Verhalten, durch die Gene, die in ihnen aktiv sind. Oft bleibt das nicht unbemerkt: Das Immunsystem registriert, dass etwas nicht in Ordnung ist, und schickt seine Truppen los, den Tumor zu bekämpfen. Oft fällt diese Antwort aber zu schwach aus, um den Krebs langfristig in Schach zu halten oder gar zu vernichten.
Wissenschaftler versuchen daher seit vielen Jahren, die Abwehrreaktion des Immunsystems zu verstärken. Dazu verfahren sie ähnlich wie ein Polizist, der seinen Hund auf die Spur eines entkommenen Verbrechers setzt. Die Rolle des Spürhundes übernehmen in diesem Fall die zytotoxischen T-Zellen: Sie können kranke oder defekte Zellen erkennen und töten. Jede T-Zelle ist dabei gegen ein ganz bestimmtes Merkmal gerichtet, auch Antigen genannt. Für die Krebstherapie suchen die Forscher daher in Patienten nach T-Zellen, die Antigene des Tumors detektieren. Diese können sie dann zum Beispiel vermehren und dem Kranken wieder injizieren. So verstärken sie seine Immunantwort gegen den Krebs.
Doch leider haben viele Tumoren Strategien entwickelt, mit denen sie dem Immunsystem entgehen können. „In unserer Studie haben wir untersucht, wie diese Strategien aussehen und wovon das abhängt“, erklärt Dr. Maike Effern vom Institut für Experimentelle Onkologie am Universitätsklinikum Bonn. „Dabei haben wir uns auf Melanomzellen konzentriert, also den schwarzen Hautkrebs.“
Es gibt verschiedene Merkmale, in denen sich Melanome von gesunden Zellen unterscheiden. So ist in ihnen eine ganze Reihe anderer Gene aktiv. Jedes von ihnen ist ein potenzielles Antigen für T-Zellen. Doch welches ist besonders geeignet, um eine starke und dauerhafte Immunantwort auszulösen? Um diese Frage zu beantworten, erfanden die Wissenschaftler eine trickreiche Methode in ihrem experimentellen Modell: Sie klebten verschiedenen Genen, die bei der Entwicklung von Melanomzellen aktiv sind, eine Art Etikett an und erzeugten damit Antigene. Dann ließen sie eine Gruppe von T-Zellen gegen die Tumorzellen los, die genau dieses molekulare Etikett als Krankheitsmerkmal erkannten. Mit dieser Strategie untersuchten die Wissenschaftler nun, wie die Krebszellen auf die Verfolgung durch das Immunsystem reagierten. Dabei fanden sie je nach Gen, das mit einem solchen Etikett versehen war, deutliche Unterschiede.
Krebszellen verstecken sich vor dem Immunsystem
„Wenn die T-Zellen gegen Gene gerichtet waren, die für Melanom-typische Merkmale verantwortlich sind, beobachteten wir, dass die Krebszellen ihr Aussehen veränderten und diese Gene mit der Zeit unterdrückten“, erklärt Efferns Kollegin Dr. Nicole Glodde. „Sie versteckten sich auf diese Weise also vor dem Immunsystem.“
Ein weiteres in der Studie untersuchtes Gen ist für den Tumor dagegen überlebenswichtig. Es lässt sich daher nicht so einfach herunterregulieren und dadurch verstecken. „Aus unserer Sicht hätte dieses Gen daher das Potenzial, eine sehr wirksame T-Zell-Antwort hervorzurufen“, betont Effern. „Unsere Arbeit eröffnet möglicherweise den Weg zu wirksameren Immuntherapien“, hofft Prof. Dr. Michael Hölzel, Leiter des Instituts für Experimentelle Onkologie am Universitätsklinikum Bonn und Mitglied des Exzellenzclusters ImmunoSensation der Universität Bonn. „Die von uns entwickelte Methode erlaubt es zudem, die Prozesse, mit denen Krebszellen unter dem Radar der Immunabwehr hindurchschlüpfen, besser zu verstehen.“
Die Studie wurde unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen einer internationalen Graduiertenschule finanziert. Deshalb arbeitete Dr. Maike Effern für dieses Projekt auch ein Jahr am Peter Doherty Institut in Melbourne (Australien) bei Prof. Thomas Gebhardt, einem international ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet der Immunerkennung. „Die Graduiertenschule zwischen den Universitäten Bonn und Melbourne ist ein herausragendes Beispiel für internationale Zusammenarbeit in der Forschung und für mich persönlich eine Erfahrung, die meine weitere Laufbahn nachhaltig prägen wird“, betont Effern.
Prof. Dr. Michael Hölzel
Institut für Experimentelle Onkologie am Universitätsklinikum Bonn
Tel. 0228/287-12170
E-Mail: michael.hoelzel@ukbonn.de
Maike Effern, Nicole Glodde, Matthias Braun, Jana Liebing, Helena N. Boll, Michelle Yong, Emma Bawden, Daniel Hinze, Debby van den Boorn-Konijnenberg, Mila Daoud, Pia Aymans, Jennifer Landsberg, Mark J. Smyth, Lukas Flatz, Thomas Tüting, Tobias Bald, Thomas Gebhardt, Michael Hölzel: Adoptive T cell therapy targeting different gene products reveals diverse and context-dependent immune evasion in melanoma. Immunity, DOI: https://doi.org/10.1016/j.immuni.2020.07.007
Auf den Spuren des „Wettrüstens“ zwischen Immunabwehr und Krebs: (von links) Dr. Maike Effern, Dr. N ...
© Barbara Frommann/Uni Bonn
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