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Wissenschaft
Nach zwei Stunden Teiggehzeit sind FODMAP-Elemente, die bei manchen Reizdarm-Patienten Schmerzen verursachen können, schon stark reduziert.
Brot soll man meiden, weil es zu Blähungen und Verdauungsproblemen führen kann – das stimmt, aber nur für wenige Patienten mit Reizdarm und gilt nur für Backwaren, die sehr schnell hergestellt werden. Aktuelle Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart in Kooperation mit dem Bäcker Heiner Beck und der Stelzenmühle zeigen: auch Teiggehzeiten von zwei Stunden scheinen bereits auszureichen, um den Anteil sogenannter FODMAPs im Teig um 70 Prozent zu reduzieren. FODMAPs sind spezielle Kohlenhydrate, die bei Reizdarm-Patienten Schmerzen verursachen können. Daher verzichten Betroffene oft auf Weizenprodukte. Brot gehört in Deutschland aber zu den wichtigsten Grundlebensmitteln, und die neuen Studienerkenntnisse untermauern, dass ein Verzicht auf Brot wegen FODMAPs wenig hilfreich ist – zumindest bei den vielen Backwaren, die mit einer ausreichenden Teigruhezeit von über zwei Stunden produziert wurden. Wissenschaftlich publiziert wurden die Ergebnisse im Journal of Cereal Science, https://doi.org/10.1016/j.jcs.2020.103021. Deutsche Ergebnisdarstellung unter https://bit.ly/32OWOxK
In einer sehr traditionellen Art wird Teig durchaus bis zu 48 Stunden lang ruhen gelassen, bevor er als Brot in den Ofen geschoben wird. „Diese Zubereitung bringt besonders viel Geschmack, Aroma und Saftigkeit ins Brot und sorgt für eine längere Frische“, bestätigt der Bäcker Heiner Beck, der die Brote für diese Studie gebacken hat. Solche langen Ruhezeiten werden jedoch nicht in jeder Bäckerstube und bei jedem Produkt realisiert.
Backgewerbe und Handel erscheinen aktuell von der Meinung getrieben zu sein, dass eine hohe Verträglichkeit von Brot durch besonders lange Teigführungszeiten erreicht werden könne, ohne dass die Herstellungsprozesse genauer beleuchtet werden. Zumal auch Personen mit Reizdarm-Syndrom gern auf Brote aus dieser alten Backtechnik zurückgreifen, da sich aufgrund der sehr langen Gärungszeit fast keine FODMAP-Elemente mehr in den Broten befinden.
„Das ist sicher nicht falsch, kann ich aber so pauschal nicht bestätigen“, sagt apl. Prof. Dr. Longin von der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim. „Die Lösung liegt wie bei vielem im Detail“.
Gemeinsam mit dem Ernährungsmediziner Prof. Dr. Stephan C. Bischoff untersuchte er verschiedene Herstellungsprozesse und Weizensorten in einer aktuellen Studie. Konkret interessierten sich die Spezialisten darin für die schmerzverursachenden Kohlenhydrate in den Broten, die bei Betroffenen Blähungen und Verdauungsprobleme erzeugen.
FODMAPs-Anteil ist bereits nach zwei Stunden Teigzubereitung um bis zu 75 Prozent reduziert
Apl. Prof. Dr. Longin und Prof. Dr. Bischoff haben die Zusammenhänge zwischen der Teigherstellung und der Verträglichkeit aufgrund der FODMAP-Anteile im Brot genauer beleuchtet. Dabei haben sie Backprodukte mit 21 verschiedenen Weizensorten aus einer im Bäckeralltag typischen langen Teigführung von 25 Stunden mit einer wesentlich kürzeren Herstellungsart von 2 Stunden verglichen.
Die Ergebnisse sind klar: Bereits nach zwei Stunden waren die Anteile der schmerzverursachenden Stoffe im Brot um bis zu 75 Prozent reduziert. Demgegenüber waren die Werte nach 25 Stunden nur unwesentlich geringer.
„Das liegt daran, dass bei einer verlängerten Teigführung die Aktivität der Hefe durch eine reduzierte Hefemenge und eine Kühlung des Teiges reduziert werden muss“, erklärt apl. Prof. Dr. Longin. „Ansonsten wird das für das Backen wichtige Gluten zu sehr geschädigt.“ Und Bäckermeister Heiner Beck ergänzt: „Dies wurde in den bisherigen wissenschaftlichen Studien zu FODMAP bei Backwaren nicht beachtet. Mir war wichtig, dass mit praxisrelevanten Rezepten gearbeitet wurde.“
Weniger Schwarz-Weiß-Denken wäre zielführender
So wurden im Durchschnitt FODMAP-Gehalte von 0,22 Gramm je 100 Gramm gemessen, was ca. drei Brotscheiben entspricht. Im Vergleich dazu enthält ein einzelner Pfirsich bis zu 4 Gramm FODMAPs.
„Es ist somit fraglich, ob eine FODMAP-Konzentration in Broten mit diesen niedrigen Werten medizinisch eine Auswirkung auf Patienten hat, und wenn doch, wie viele Patienten tatsächlich davon betroffen sind“, ergänzt Prof. Dr. Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin. „Bei gesunden Personen gilt sogar, dass Teile dieser FODMAPs, nämlich das Fruktan, wichtig für die Darmbakterien sind.“
Die Experten aus Hohenheim halten die lange Teigführung für sehr hochwertig. In anderen Studien wurde deren positiver Effekt auf Aroma, Saftigkeit und Verfügbarkeit von Mineralstoffen eindeutig belegt. Doch halten sie die pauschal vereinfachende Haltung zu den FODMAPs in Backwaren für einseitig und das Thema FODMAPs in Backwaren für teilweise überbewertet.
„Neben der Herstellungsweise des Brotes wirkt sich auch die Wahl der passenden Weizensorte sehr auf die Brotqualität aus“, betont Hermann Gütler, Müller in der Stelzenmühle. Er hat die 21 verschiedenen Weizensorten für die Studie vermahlen und ergänzt: „Das wissen wir für die Backeigenschaften schon lange und haben es nun eindeutig auch für die FODMAPs gezeigt.“
Text: Barthelmes
Weitere Informationen
Deutsche Ergebnisdarstellung https://bit.ly/32OWOxK
Publikation im Journal of Cereal Science, https://doi.org/10.1016/j.jcs.2020.103021
Kontakt für Medien
Apl. Prof. Dr. Friedrich Longin, Universität Hohenheim, Landessaatzuchtanstalt, AG Weizen,
T +49 711 459 23846, E friedrich.longin@uni-hohenheim.de
Prof. Dr. Stephan C. Bischoff, Universität Hohenheim, Institut für Ernährungsmedizin,
T +49 711 459 24100, E bischoff.stephan@uni-hohenheim.de
Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
https://www.uni-hohenheim.de/presse
Criteria of this press release:
Journalists, all interested persons
Nutrition / healthcare / nursing, Zoology / agricultural and forest sciences
transregional, national
Research results
German
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