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Wissenschaft
Christiane Nüsslein-Volhard erhielt vor 25 Jahren den Nobelpreis für Medizin
Am 9. Oktober 1995 wurde verkündet, dass Christiane Nüsslein-Volhard als erste deutsche Frau überhaupt den Medizin-Nobelpreis verliehen bekommt. Gemeinsam mit den US-Amerikanern Edward B. Lewis und Eric Wieschaus wurde die Biochemikerin und Ehrensenatorin der Max-Planck-Gesellschaft für ihre Entdeckungen zur genetischen Steuerung der frühen Embryonalentwicklung ausgezeichnet.
Der Tag habe in ihrem Leben vieles verändert, so die Wissenschaftlerin. Seit ihrer Emeritierung kann sich die 1942 in Magdeburg geborene Nobelpreisträgerin wieder mehr den Freiheiten ihrer eigenen Grundlagenforschungen widmen.
Vor allem sind es die Fragestellungen der Entwicklungsbiologie und Genetik, die sie beschäftigen. Anhand der Taufliege Drosophila melanogaster entdeckte sie zahlreiche Gene, die steuernde Funktionen bei der Gestaltbildung übernehmen. Die Identifikation und Beschreibung dieser Gene hat wesentlich dazu beigetragen, Mechanismen der Embryonalentwicklung zu verstehen. In abgewandelter Form übernehmen viele dieser Gene auch bei Wirbeltieren sowie bei der Entstehung von Erkrankungen wie Krebs zentrale Aufgaben.
Als Max-Planck-Forschungsgruppenleiterin am Friedrich-Miescher-Laboratorium und später als Direktorin am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen entdeckte die Grundlagenforscherin weitere molekulare Faktoren, die für die Entstehung embryonaler Achsen und erster Unterteilungen im Ei der Taufliege verantwortlich sind. Erstmalig dokumentierte sie die Existenz von Morphogenen, gestaltbildenden Substanzen, die, abhängig von ihrer Konzentration, bestimmte Gene aktivieren und so während der Entwicklung die Gestaltbildung koordinieren.
Seit den frühen 1990er-Jahren konzentriert sich ihre Arbeitsgruppe auf die Entwicklung und Genetik des Zebrafisches Danio rerio. Ihre systematischen Studien haben wesentlich dazu beigetragen, diesen Fisch als Modellorganismus der medizinischen Grundlagenforschung zu etablieren.
In neuerer Zeit konzentriert sich ihre Forschung auch auf Prozesse der Zellwanderung bei der Organentwicklung und mit der Entwicklung der Haut und ihrer Spezialisierungen. Ihre Emerita-Gruppe untersucht, welche Gene die Entstehung des gestreiften Farbmusters des Zebrafisches steuern. Ein zentrales Ziel ist, Gene zu finden, die bei der Variation der Farbmuster verwandter Arten während der Evolution eine Rolle spielen.
Gentechnik kann vieles, aber nicht alles
Als Mitglied im Deutschen Ethikrat hat Christiane Nüsslein-Volhard sich aber auch immer den kritischen Fragen der Gentechnik gestellt und offen diskutiert. In einem Interview mit dem Spiegel erklärte sie anlässlich ihres 75. Geburtstages: „Da wird immer so getan, als könne man jetzt einfach den Menschen nach Belieben verändern. Das halte ich nach wie vor für eine absolute Illusion." Man wisse nicht, welches Gen beim Menschen wofür genau zuständig sei. Daher sei gezielte Manipulation nicht möglich, auch nicht mit neuen Methoden.
Auch sonst trage mitunter geringes Wissen über biologische Zusammenhänge dazu bei, dass Dinge überinterpretiert oder missverstanden würden: "Es wird viel geredet über Umwelt, Insekten und Biodiversität, aber die Leute wissen erstaunlich schlecht Bescheid", sagte die Entwicklungsbiologin in einem aktuellen Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Für mehr Frauen in der Forschung
Seit vielen Jahren setzt sich Christiane Nüsslein-Volhard für die Förderung von Wissenschaftlerinnen ein. Sie selbst war bei ihrer Berufung als Direktorin in der Max-Planck-Gesellschaft noch eine Ausnahme. Die im Jahre 2004 von ihr gegründete Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung für Frauen in der Wissenschaft, in der sie bis heute als Vorsitzende aktiv ist, unterstützt begabte junge Wissenschaftlerinnen mit Kindern, um ihnen die für eine wissenschaftliche Karriere erforderliche Freiheit und finanzielle Unterstützung zu verschaffen.
Für ihre Arbeiten erhielt Christiane Nüsslein-Volhard zahlreiche Auszeichnungen, Ehrendoktorate und Preise, unter anderem den Leibnizpreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1986), den Albert Lasker Medical Research Award (1991) und 1995 den Nobelpreis für Medizin (1995).
Sie ist Mitglied der Royal Society (England), der National Academy (USA), des Ordens pour le mérite (Deutschland), der Leopoldina (Deutschland), der Berlin-Brandenburgischen Akademie (Deutschland), der Kurie der Wissenschaft (Österreich) und der Académie des Sciences (Frankreich). Von 2001 bis 2006 gehörte sie dem Nationalen Ethikrat der Bundesregierung an.
Sie war Präsidentin der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte (2008) und Generalsekretärin der European Molecular Biology Organisation (EMBO) (von 2003 bis 2009). Von 2005 bis 2011 war sie Mitglied des Scientific Council des European Research Councils (ERC) der Europäischen Union, seit 2013 ist sie Kanzlerin des Ordens Pour Le Mérite.
Ehrensenatorin der Max-Planck-Gesellschaft
Weiterhin betreut Christiane Nüsslein-Volhard junge Forscherinnen und Forscher auf dem Weg zu einer eigenen wissenschaftlichen Karriere. Im Sommer dieses Jahres wurde sie zur Ehrensenatorin der Max-Planck-Gesellschaft ernannt. Mit der Auszeichnung honorierten die Mitglieder der Hauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft ihre jahrzehntelange Spitzenforschung und hoben ihr außerordentliches Engagement für die Förderung von Wissenschaftlerinnen hervor.
Christiane Nüsslein-Volhard veröffentlichte etwa 200 Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften, zahlreiche Zeitungsartikel (FAZ, Die Zeit) zu aktuellen Themen, sowie einige allgemeinverständliche Bücher: 2004 "Das Werden des Lebens" beim C.H. Beck Verlag, "Von Genen und Embryonen" beim Reclam Verlag und 2017 "Schönheit der Tiere" bei Matthes & Seitz. 2006 erschien "Mein Kochbuch" im Insel Verlag.
Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, Tübingen
Tel.: 07071 601-489
e-Mail: christiane.nuesslein-volhard@tuebingen.mpg.de
http://www.eb.tuebingen.mpg.de/emeriti/research-group-colour-pattern-formation/c...
Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard
Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie
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