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10/22/2020 11:02

Ist das größte Biom auf unserem Planeten in Gefahr?

Dr. Gesine Steiner Pressestelle
Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung

    In einer in Nature Communications veröffentlichten Studie hat ein Team von Forschenden des Museums für Naturkunde Berlin in Zusammenarbeit mit der Universität von Reno, Nevada, USA, fossiles Plankton in Meeresablagerungen neu untersucht. Plankton ist für die Hälfte der Sauerstoffproduktion auf der Erde verantwortlich. Planktonökologen haben bisher vorausgesagt, dass bei der globalen Erwärmung das Plankton in höhere Breitengrade mit kühlerem Meerwasser wandert und es keine Änderungen in der Zusammensetzung der Ökosysteme gibt. Nun haben die Forschenden herausgefunden, dass in der Vergangenheit - bei ähnlich großen Temperaturschwankungen - die Arten nicht wanderten, sondern ausstarben.

    Das Plankton der Ozeane ist das größte Biom auf unserem Planeten und für die Hälfte der Sauerstoffproduktion verantwortlich. Die Ablagerung der abgestorbenen, kohlenstoffreichen Überreste des Planktons in Tiefseesedimenten ist die einzige Möglichkeit, um der Atmosphäre dauerhaft Kohlendioxid zu entziehen. Die wichtigsten Regionen für diese lebenswichtigen Prozesse befinden sich in den Polarmeeren. Bisher haben die Planktonökologen vorhergesagt, dass die Veränderung aufgrund der künftigen Erwärmung in einer Migration der Arten in höhere Breiten bestehen wird, wo das Ozeanwasser kühler ist und es keine besorgniserregenden Auswirkungen geben wird.

    In einer neuen Studie, veröffentlicht in der Zeitschrift Nature Communications, hat ein Team von Forschenden des Museums für Naturkunde Berlin in Zusammenarbeit mit der Universität von Reno, Nevada, USA, diese Vorhersagen näher untersucht. Dabei wurde – alternativ zu den Untersuchungen von Planktonökologen an lebendem Plankton aus Jahrzehnten mit stabilen Meerwassertemperaturen - ein 10 Millionen Jahre langer Fossilbericht von Plankton verwendet. Dieser kann zur Untersuchung vieler ökologischer und evolutionärer Prozesse über geologische Zeiträume mit großen Veränderungen der planetaren Temperatur herangezogen werden.

    Die Berliner Forschenden sind weltweit führend in solchen Studien. Bereits 2013 konnten Renaudie und Lazarus zeigen, dass ein großer Teil der an warmes Wasser angepassten südpolaren Radiolarien-Arten als Hauptbestandteil des Planktons aus der polaren Umgebung verschwunden war, als der Planet vor mehreren Millionen Jahren abkühlte. Waren sie ausgestorben, wie die Forschenden des Museums für Naturkunde Berlin vermuteten? Oder waren sie, wie die Arbeit der Ökologen voraussagte, einfach in Richtung Äquator in wärmere Gewässer gezogen?

    Doktorandin Sarah Trubovitz inventarisierte alle Radiolarien-Arten aus den Sedimentabschnitten der wärmeren Breitengrade. Mit Hunderten von Arten in jeder geologischen Probe - viele davon der Wissenschaft unbekannt – eine gewaltige zweijährige Aufgabe. Ergebnis war ein umfangreicher Katalog von fast tausend fossilen Arten. Ein Vergleich mit den Arten, von denen bekannt ist, dass sie in den Polarregionen verloren gegangen sind, erbrachte ein schlüssiges Ergebnis: Die große Mehrheit der polaren Arten war nicht einfach in wärmere Regionen gewandert, als sich die Polargebiete abkühlten. Sie waren vollständig aus den Weltmeeren verschwunden: Sie waren ausgestorben. Um das Ergebnis zu bestätigen, wurden Informationen aus der NSB-Datenbank des Museums für Naturkunde Berlin, die die meisten veröffentlichten Informationen über fossiles marines Plankton weltweit zusammenstellt, herangezogen. Die Ergebnisse stimmten überein.

    Im Anschluss fasste das Forscherteam die bereits veröffentlichten Datensätze zusammen, die die ehemaligen Oberflächenwassertemperaturen der Ozeane aus vielen Regionen abschätzt. Diese Daten zeigen, dass sich der Planet in den letzten 10 Millionen Jahren ungleichmäßig abgekühlt hat. Die Polarregionen haben sich um bis zu 10°C abgekühlt, während die tropischen Regionen nur um wenige Grad kühler wurden. Das polare Plankton starb aus, als die Abkühlung etwa 6°C überschritt.

    Viele Vorhersagen über die künftige Erderwärmung durch menschliche Aktivitäten gehen von bis zu 7-10°C in den Polarregionen aus, was zum Aussterben radiolarer Arten und wahrscheinlich auch anderen polaren Planktons führen wird. Im Gegensatz zur geologischen Vergangenheit, wo trotz Abkühlung dem Polarplankton ein Fluchtweg in die tieferen Breiten blieb, wird die globale Erwärmung nun erfordern, dass das jetzige, kälteangepasste Polarplankton weiter polwärts in kältere Gewässer wandert – wenn es welche gibt. Die Pole sind schon jetzt die kältesten Meeresgewässer. Polwärts des Südlichen Ozeans ist nur der antarktische Kontinent. Viele Arten des südpolaren Planktons würden wahrscheinlich aussterben.

    Forscher David Lazarus vom Museum für Naturkunde Berlin dazu: "Das Ausmaß der Katastrophe für unsere Erde würde nach dem Ende der globalen Erwärmung rasch sichtbar werden. Warmwasserarten könnten in den sich abkühlenden polaren Gewässern nicht mehr überleben, aber es gäbe keine Kaltwasserarten mehr, die sie ersetzen könnten. Diese für das Klima entscheidenden Ökosysteme hätten einen großen, dauerhaften Verlust an biologischer Vielfalt erfahren. Die Folgen für polare Plankton-Ökosysteme, einschließlich ihrer Fähigkeit, weiterhin Sauerstoff zu erzeugen und Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen, sind noch nicht umfassend erforscht. Sie könnten aber schwerwiegende Folgen haben.“

    Die Forschungsarbeiten wurde von mehreren Förderorganisationen unterstützt, darunter ein International Ocean Discovery Schlanger Fellowship an Frau Trubovitz und ein Make Our Planet Great Again (Deutsche Forschungsinitiative) Grant an ein Team unter der Leitung von Dr. Lazarus und Gayane Asatryan am Museum für Naturkunde Berlin.

    Publikation: Trubovitz et al. Nature Communications paper, DOI10.1038/s41467-020-18879-7


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    Criteria of this press release:
    Journalists
    Biology, Environment / ecology, Geosciences, Oceanology / climate
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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